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2. September
Wenn Sie dank einer Anzeige des Kiepenheuer & Witsch-Verlages auf dem Internetportal Perlentaucher je genötigt wurden, „Unendlicher Spaß“ zu lesen, werden Sie viele exotische neue Kenntnisse gewinnen, egal, wo Sie sich gerade befinden.
Sie werden entdecken:
Dass man über dem Buch auch wunderbar einschlafen kann auf dem Liegestuhl auf dem Steg auf dem See und dann eventuell von Madame Psychosis träumt, die einen nötigt, zweimal den Satz: „Ich glaube“ zu sagen, obwohl man ja eigentlich nicht gläubig ist.
Dass sich hinter den all den Informationen, Erwähnungen, Rückblenden und Assoziationen , den Neologismen, dem Coolsein, der ausgestellten Drogensucht hochmoralisches Zeug verbirgt.
Dass man geordnet in den Tag hineinleben kann.
Dass man mit dem Buch auf dem Kopf aufrecht gehen üben kann.
Dass man dank der Lektüre diskutiert, ob man eines Tages vielleicht Apps bei iTunes kaufen kann, die einem sagen, ob der Pilz giftig ist, wenn man das iPhone dagegenhält. Schlimmer noch, dass man eines Tages keine einzige Regung mehr ohne die Apps von iPhone hinkriegt. Orientierung zum Beispiel oder Menschenkenntnis oder Sprachen oder überhaupt jede Form von Wissen. Und dass Filmpatronen mit was auch immer drauf gar nichts dagegen sind.
Dass man sich minutenlang freuen kann, wenn man ein Wort wie Piesepampel liest, das man zum letzten Mal in der Kindheit von seiner Mutter gehört hat. (Weitere bemerkenswerte Begriffe: IQ einer Salatschüssel, die Karte umdekorieren, abschilfern, erkiesen, Akustische Persönlichkeit, blonde Wohlstandsflegel, aber letzteres wahrscheinlich nur, weil ich einen Begriff für die unsäglichen Menschen brauchte, die inzwischen mein Viertel bevölkern.)
Dass man sich in dem Buch wie in einer Endlosschleife verirren, ergo „Unendlichen Spaß“ im Wallaceschen Sinne haben würde, wenn man der Versuchung nachgäbe und wieder von vorn anfinge, wenn einem irgendwas bekannt vorkäme, man also zum Beispiel überprüfen würde, ob das Ich am Anfang des Buches, das auf den Dealer wartet, nicht vielleicht Madame Psychosis ist. Und man käme nie nie nie wieder aus dem Buch heraus.
Dass sich unter einem Schleier wider Erwarten ein überirdisch schönes Gesicht verbirgt.
Dass ein Übersetzer verrät, wo er herkommt, nämlich nicht aus Berlin und Umgebung, weil er das Wort Krapfen benutzt, wo er doch Pfannkuchen sagen müsste, denn ein Berliner ist in Berlin weder ein Berliner, noch ein Krapfen, sondern immer ein Pfannkuchen, ob nun mit Senf oder Marmelade.
Dass jeder vor diesem Buch stehenbleibt und entweder sagt: Was ist denn das für ein dickes Buch oder So ein dickes Buch habe ich noch nie gelesen oder Woher nimmst du denn die Zeit für ein so dickes Buch oder Kann man den Umschlag auch abwaschen? (JAAAAA, kann man.)
Dass man dank der Lektüre Arzneimittel in Tropfenform wie Bärentraubenblätterfluidextrakt viel cooler herunterschluckt als unter Einwirkung von, sagen wir, Juri Trifonow. Würde mich nicht wundern, wenn der im Buch auftaucht, selbst Tarkowski ist ja erwähnt, überhaupt, das ganze Erwähnungsgeschäft allein bis Seite 345, man könnte glatt eine Konkordanz anfertigen, in zehnjähriger ehrenamtlicher Arbeit, gesponsert vom Jobcenter Berlin.
(Fortsetzung folgt.)
1996 erschien »Infinite Jest« in den USA und machte David Foster Wallace über Nacht zum Superstar der Literaturszene. Vor einem Jahr nahm sich David Foster Wallace das Leben. Sechs Jahre lang hat Ulrich Blumenbach an der Übersetzung von Wallaces Opus magnum gearbeitet, dem größten Übersetzungsprojekt in der Geschichte des Verlags Kiepenheuer & Witsch.
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5 Kommentare zu Viertes Seestück
ulrich blumenbach
3. September, 2009 um 08:32
„Dass ein Übersetzer verrät, wo er herkommt, nämlich nicht aus Berlin und Umgebung, weil er das Wort Krapfen benutzt, wo er doch Pfannkuchen sagen müsste, denn ein Berliner ist in Berlin weder ein Berliner, noch ein Krapfen, sondern immer ein Pfannkuchen, ob nun mit Senf oder Marmelade.“ — Zwölf Jahre Berlin, und das ist nun der Dank! ;-) Der sprachliche Heimatverlust ist leider das Schicksal des literarischen Übersetzers, liebe Frau Gröschner: Was glauben Sie, wie schwer es mir als Geburtshannoveraner, Kindheitslüneburger und Studiumsberliner gefallen ist, diesen süddeutschen „Krapfen“ hinzuschreiben! Aber der Dialektraub oder die sprachliche ‚Entortung‘ wird einem in der Regel schon vom Lektorat abverlangt; ich hab‘ vor Jahren mal versucht, eine Figur systematisch niedersächsisches Gedöns klönen zu lassen, aber das wurde mir alles wieder rausgestrichen mit dem expliziten Hinweis darauf, man wolle das Buch auch in Süddeutschland verkaufen.
Alban Nikolai Herbst
3. September, 2009 um 13:36
@Blumenbach. Gut, daß Sie es so offen darlegen.
In der Tat. D a s sind die „Dinge“, die in die Kunstausführung fahren, wie der besoffene Busfahrer in einen Konzertsaal wankt – doch anstelle, daß man ihm draußen bedeutet, er möge heimgehn, um sich seines Suffs zu entschlafen, macht man ihn danach zum Intendanten; aus ihm spricht immerhin WSDV (WirsinddasVolk). – Es sind nahezu immer solche Banalitäten von haarsträubender Grobheit. Ihr Wort von der „sprachlichen Entortung“… danke; Entdifferenzierung wird zur Losung, wo Lösung nicht mehr gefragt ist.
Martin Böhler
8. Juni, 2011 um 14:03
Nicht aus Berlin zu sein, ist wohl nur für Berliner (i S. v. Einwohner Berlins) eine relevante Information.
Im übrigen: Während der Rest der Republik einmütig „Berliner“ sagt, wo ein Berliner (i. S. v. „mit Süßem gefüllter, in Fett ausgebackener Hefekloß“, und nicht zu verwechseln mit dem Krapfen, bitteschön!) gemeint ist, weigern sich nur Berliner (Einwohner Berlins) stur, einen Berliner auch so zu bezeichnen.
VOCES INTIMAE
7. September, 2011 um 17:15
[…] aus Berlin zu sein, ist wohl nur für Berliner eine relevante Information. Like this:LikeSei der Erste, dem dieser post […]
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14. September, 2011 um 14:06
[…] aus Berlin zu sein, ist wohl nur für Berliner eine relevante Information. Like this:LikeSei der Erste, dem dieser post gefällt. Dieser Eintrag […]