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Der Mitbewohner backt Kuchen und ich lege meinen Kopf auf die Küchenwaage. ERROR, liest der Mitbewohner ab. Das wundert mich nicht. Mir war doch so.
Nicht dass das am unendlichen Spaß läge, den ich in der Tristesse meiner persönlichen Quadratmeter hätte. Aber es ergänzt sich ganz gut.
Marathe und Steeply gehen mir immens auf den Keks. Auch nach 700 sitzen die beiden noch auf dieser Felsnase, pflanzenartig, und nesteln entweder an der Decke über den Beinen oder der Perücke rum. Mittlerweile streiten sie sich um eine Dosensuppe, die ein politisches Gleichnis sein soll.
Aber Gately und die anderen tristschönen Gestalten in EnnetHouse machen es mir leicht, 300 Seiten aufzuholen, nachdem ich während der Buchmesse das Lesen verlernt habe, wie es sich gehört. Und wenn Gately „nervös wie eine junge Braut“ seinen klitschigen Hackbraten mit Reibekäse und Cornflakes „wegen der Knusprigkeit“ serviert, gibt es mal wieder diesen Fall: manche Szenen sind so schön, dass es ein echter Jammer ist, dass sie nicht real sind. Denn für ein Abendessen mit Gately würde ich jetzt sofort meinen Kokon aufbeißen, die Zähne putzen und furchtlos in diese seltsame Welt außerhalb meiner Wohnung reiten.
17.30. Badenweiler. Nieselregen. Nix zu sehen. Hochnebel hängt über Hang. Kein Hochmut gegenüber den Daheimgebliebenen. Eigentlich müsste man jetzt in die Sauna. Oder irgendwas anzünden. Das einzige, was ich habe ist der Spaß. Den geb ich nicht her. Hab ihn sogar hier im Fenster liegen sehen. „Unendlicher Spaß“ in Badenweiler – Kursangebot im Kurhaus „Gut vorbereitet stirbt sichs leichter“. Seltsam. Gerade Brutto-Netto-Guido im Fernsehen gesehen bei der Amtsübergabe. Sah aus wie Hanno Buddenbrook bei der Abiturfeier, wenn er sie erlebt hätte.
Orin hat so was ähnliches wie Sex. Die Hormone spielen verrückt im „Spaß“. Er hat in sen sexten Gang geschaltet (steht da wirklich, kein Kalauer von mir). Ein Sexgesicht schaut in ein anderes Sexgesicht. Es geht nicht um Hormone, Instinkte, steht da, es geht um Hoffnung, „die unermessliche Hoffnung, weit wie der Himmel, unter den flatternden Lidern eines jeden Subjekts etwas zu finden, das die Hoffnung günstig stimmen, ihr irgendwie Tribut zollen möge“. Schön. Aber Orin hat Angst vor der „alles auslöschenen Dreifaltigkeit von Dir und Mir zum Uns“.
Jetzt wird’s allmählich total finster hier. Und kalt. Fühlt sich an wie Hamburg. Was statistisch gesehen ziemlich gemein ist, weils in Hamburg auch nicht schlechter ist als in Berlin.
In der E. T. A. prallt eine augenbindoide Dame (wenn Idris ein weiblicher Vorname ist) namens Idris Arslanian auf Ted Schacht. Und der Kollege Blumenbach muss wieder mal ein kleines Kunstwerk vollbringen: eine verunfallende Sprache neu erfinden. Frau Arslanian radebrecht, dass es eine Art hat, ein armenischdeutscharabisches Wortmischmasch. Sie quatschen über einen weiteren behinderten Tennisspieler, der es geschafft hat, als Blinder in die Charts zu kommen – was um Himmels willen kommt noch, einen mit einem Tropf hatten wir schon, jetzt einen Blinden. Schaunwermal. Idris Arslanian: „Ich gebühre ihm mein Mitleid in toto“. Toll.
Es geht wieder um Müllentsorgung, um Kontamination. Und Idris nimmt mir die Worte aus dem Hirn: „Mein Kopf dreht sich auf seiner Achse.“ Atomarer Abfall. Ein Kapitel für Herrn Röttgen. Den hab ich heute auf der „Zeit“ gesehen. Mit Loddar und dem neuen Schweinegrippenbeauftragten. Wo war da Herr Niebel? Der Ich-mache-mein-Amt-überflüssig-Minister für Abwi…, pardon Entwicklungshilfe. Deutschland wird dunkel und kalt. Ich geh kochen. Die Kontamination kann warten.
Um wenigstens einigermaßen hier mithalten zu können, habe ich kurzerhand mehrere Hundert Seiten übersprungen und bin bei den nächtlichen Spaziergängen von Randy Lenz wieder eingestiegen, die bekanntlich diverse tierische Opfer kosten. Der verblüffende Effekt: Ich hatte beim Lesen nicht den Eindruck, etwas versäumt zu haben, es hat tatsächlich den Anschein, als könnte man das Buch in beliebiger Reihenfolge lesen.
Zu dem Bild vom fallenden Glas könnte man daher vielleicht das des Buches als Hologramm stellen. Hologramme haben ja die Eigenschaft, dass in einem Bruchteil immer noch das gesamte Bild enthalten ist, nur die Auflösung immer gröber wird, je kleiner die Teilchen sind. Was umgekehrt bedeutet, dass das Bild nicht linear zusammengesetzt ist. Diese besondere Verteilung der Information entspricht vielleicht der Struktur des Buches.
Die nächste Frage wäre dann: Wenn das Hologramm die Technik der Darstellung ist, was wird dann dargestellt, und wieso erfordert das Dargestellte gerade diese Technik? Eine fundamentale Lesart könnte sein, dass es auf das Dargestellte in dem Maße gar nicht ankommt, sondern dass vielmehr die Form den Inhalt stellt, dass hier also eine holographische Sicht der Welt per se vorgeführt und propagiert wird (ein Weltbild, das ja auch in der neueren Physik diskutiert wird).
Oder aber: Die sich durch das Modell der Familie ergebenden Bindungen, Zwänge und Traumata liegen immer schon außerhalb, sie sind schon da, ehe der einzelne ihnen unterworfen wird. Die Symbolische Ordnung wird nicht in jeder Familie aufs Neue errichtet, sondern nur immer wieder neu entdeckt, von daher gibt es kein Entkommen aus ihr. (Daher vielleicht der merkwürdige Mangel an Empathie, zumindest bei mir, wenn die verschiedenen Kindheits- und sonstigen Traumata referiert werden: sie wirken nicht wirklich wie erlebt, sondern wie eine fast schon allegorische Verdeutlichung viel abstrakterer Zusammenhänge.)
Die „Unendlichkeit“ des Titels wäre in diesem Zusammenhang keine unbeschränkte Dauer, sondern vielmehr die Suspension der Zeit: Das Buch stellt einen Raum ohne Zeit vor und wählt eine Form, die ihrerseits an den landläufigen Dimensionen kratzt, indem sie einen Raum erzeugt, wo nur Fläche ist.
23.30. Gack. Gackgackgack. Nein, mir geht’s gut. Cabernet mitos. Friedrich Gulda spielt das „Wohltemperierte Klavier“. Sonst alles still. Gegackert hat Andre Agassi. Aufgeklärt in seiner Autobiografie über Dichtung und Wahrheit. Ungefähr um die Zeit des Spaßes muss es gewesen sein, gestand er jetzt, da hat er Gack genommen. Chrystal Meth. Sein Kumpel soll ihn angestiftet haben, wers glaubt. Nehmen wir mal den Spaß und ziehen die Hälfte als Dichtung ab, bleibt eigentlich die Wahrheit, dass Steffis Gatte nicht der einzige auf der Tour gewesen sein kann. Der weiße Sport, das stellt sich jedenfalls allmählich heraus, sieht eher auch wie ein Dalmatiner.
Wir sind allerdings im Moment noch bei den offenen Drogisten von Ennet House. Randy Lenz ist immer noch unterwegs zum Schrecken der Haustiere von Boston. Er fragt sich, wie er Green loswird. So voller soziopathischer Verwirrung, dass er etwas Gackeskes einwirft um mutiger zu werden. Geht nicht gut. Bringt uns aber immerhin einen halluzinierende Metrofahrtserzählung ein. Sehr schön zerscheppern auch die Fremdwörter in seinem Kopf. Inderferent! Antennenzippert! Regenerigiert! Danke, Ulrich Blumenbach. Ein wiedergärender Traum. Lenz quasselt sich durch die Straßen, was die Sache nicht besser und das Verhältnis zu Green nicht klarer macht. Er quasselt sich um Kopf und Kragen. Lenz erzählt von einer meskalschwangere Halloweenfete, auf der ein freakshoweskes Kind ohne Schädel angebetet wurde.
Das kommt halt vom Drrrogenkonsum. Hal betreibt Photosynthese. Die Fieberkurve des ultralangen Kapitels schlingert weiter. Der Lenz ist wieder da und faselt was von einer gefährlichen Unterhaltungspatrone, eine virtuelle Kamasupra-Diskette. Lenz und Green diskutieren die Idee, dass die AAs vielleicht doch eine Sekte seien.
Weils noch nicht wild genug zuging in diesem Abschnitt, kommen jetzt „Ausgewählte Schnipsel aus den informellen Konnexionen einzelner Insassen mit D. W. Gately“. Es geht wieder mal vor allem um Mütter. Mütter vor allem, die inzwischen längst in der Wurmfutterbranche sind, sprich: tot. Gately, beim Versuch seinen Flohzirkus auf dem Boden des Kuckucksnests zu halten. Noch so ein schöner Wortverkleckerer: amonümes Programm.
Andre Agassi hätte auch besser amonüm bleiben sollen. Seine grässliche Matte, die bei uns damals reihenweise die Jungs mit Mühe hochgespritzt, -geklebt, -gesprayt hatten, gesteht er, die war gar nicht echt, das war eine Perücke. Elton John hat sie später aufgetragen. Scheiße sah sie auf beiden Köpfen aus.
14.30. Kurz vor Bürgeln. Deutscher Mischwald. Leichter Dunst. Blauer Himmel. Blätter rieseln. Mein Vater fällt mir ein, sobald sich das erste Blatt wagte, mit dem Herbstschrödern anzufangen, fing der mit Rilke an. Um mich vom Schläfer zum Killer zu machen, reicht „Herr, es ist…“ Langt. Das erklärt doch vieles. Wenn nicht alles. Millionen Berliner WohnSchlafEsszimmer sehen so aus, wie dieser Weg. Kitsch, schrecklicher Kitsch. Silbereisenmäßiger Kitsch.
Wie komm ich jetzt von fallenden Blättern zu brennenden Katzen. Gar nicht. Sie brennen halt, weswegen dieses Buch nichts für Lieblingskollegin G. ist. Die Katze brennt und beleuchtet Lenz in der Dunkelheit, was seiner Anonymität nicht gut tut. Lenz lernt aus dem Katzendesaster und wechselt zu den Hundeähnlichen und zum Messer. Und aus Lenzens psychologischem Selbsterfahrungs-Taschenbuch lernen wir: je machtloser sich jemand fühle, desto wahrscheinlicher entwickle er eine Vorliebe zu gewalttätigem Ausagieren. Lenz stimmt dem zu, ich nicht. Müsste demnach schon mehrfacher Mörder sein.
Und weiter geht’s mit dem Erzählstrangknüpfen von Erzählsträngen, die wir längst im Spaß-Museum / Abteilung unerledigte Geschichten vermutet hätten. Der Gesundheitsattaché taucht wieder auf. Als einer von vielen Opfern der Patronen. Auch auf Seite 790 kann man noch Expositionen nachholen, das sei zur Nachahmung aber nur bedingt zu empfehlen. Wir begegnen dem Geheimdienstchef Tine, der ohne metrisches Lineal kein ganzer Mensch wäre, weil er dann unsicher wäre, ob sein KleinerMann heute noch genauso lang ist wie gestern. Endlich erfährt man, was möglicherweise zu sehen ist im „Unendlichen Spaß“. Wenigstens die Exposition kann einer der Probanten gerade noch in Worte fassen. Eine Frau, eine verschleierte Frau, eine Drehtür, es gibt Zug, der Schleier bauscht sich. Und dann – wird alles im Hirn finster. JoellePsychosis – die unbeschreibliche, die komabringende Medusa der Unterhaltungsindustrie.
Was sonst noch geschah: Stice wird beschworen, seine Angst beim Namen zu nenen, und er schlägt vor, sie Horace zu nennen, der war Vorstehhund bei seinem Vater. Avril „Die Moms“ Incandenza führt mit dem fastbeinahe halbnackten John Wayne ein merkwürdiges Ballett mit Pfeife auf, das man als eine Art von Entfernungssex, oder besser: Nahsexerfahrung bezeichnen könnte. Schade. Es wäre der erste Beischlaf der Spaß-Geschichte geworden.
Lenz sieht den Mond aufgehen, der wiederum sieht aus, als gings ihm nicht gut. Wieder was, das den Mond von mir unterscheidet.
»Augenfaktor«
–
Die Gesichter sind »wie in einer Art Mitte gefangen. Zwischen zwei Dingen. In verschiedene Richtungen gezogen«
–
»Verlegt. Verloren.«
»Verlegt.«
»Verloren.«
»Verlegt.«
»Meinetwegen.«
…
…
…
(S. 932f.)
Zurück von einer Reise (und erst einmal in der spannenden Verstrickung unserer Blog-Beiträge-Kommentare haltlos – … was mich freut). Eine Reise mit US im Gepäck. Weniger Absicht, mehr eine subtile, sich quasi von selbst ergebende Notwendigkeit. Seltsamkeiten, die vielleicht nur (manche) Bücher vermögen. Vielleicht auch ein Versuch, die Lese-Perspektive zu wechseln oder – Experiment – zu ergründen, was passiert, wenn … – ich den Standort wechsele? Was auch immer diesen Stand-Ort als Lese-Verortung prägt. Auch darüber wäre gelegentlich zu reden.
Meine Seitenposition: 1084. Und während meiner Reise der Versuch, dieses „Dings, dieses Etwas“ (Zitat Aléa Torik, von mir sehr gerne aufgenommen) aus der in-finiten, für mich noch in-differenten Position des Unendlichen zu holen und zu systematisieren, (katalogisieren, poetologisieren, …) was mir im multilateralen ∞ Halt gewährt. Die »Nonchalance« des Netzes, das DFW spannt. Letzte Eindrücke davon: Die rückblendende „Bett(gestell)szene“ (S. 709ff.) , Randy Lenz´ „Katharsis der Lösung“ (S. 785), das „Opti-Spek“ (S. 893ff.), 133 Kinder und Jugendliche beim Abendessen (S. 903ff.).
Ich komme – bedingt durch meinen veränderten Lese-Stand-Ort? – zu einer ähnlichen Lesart wie Aléa Torik: eine polare Dichotomie als Movens der Literatur.
Verborgenes und Offensichtliches, organisiert als polare Impulse, scheinen die Parameter der Romanstruktur zu sein, oft sogar eher beiläufig:
„In der US-amerikanischen Wüste erwachte ein Leben, das größtenteils verborgen blieb“. (S. 763). – „Ein verborgener Vogel zwitscherte.“ (S. 764). – Die „L.A.R.V.E.“, bei Nietzsche bereits die Maskenfrage. – Die Maske als soziokultureller Offenbarungseid: Der Horror der Einsamkeit und dessentwillen wir „jede Maske anlegen, um zu passen“ (S. 997). – Physischer, die überirdischen und unterirdischen Gebäudeteile der E.T.A. – Die Schatten sind allseits gegenwärtig, kreatürlich beschreiben sie Ortho Stice, atmosphärisch die Situation in der Wüste, subtiler angelegt sind sie in der Feststellung „Falls die Schreie in Wahrheit nicht Gelächter sind.“ (S. 803).
Die Polarität setzt sich fort, wenn Mario sich „in Ennet House wohlfühlt, weil es ganz echt ist.“
Andere Quanten des »großen Ganzen« fallen mir auf, Orin bringt es auf den Punkt – „Letztlich geht es immer ums Funktionieren“, und Marlon Bain feilt es haarfein zu, auf das Spiel im Spiel des Überfunktionierens und die Frage des Missbrauchs. Orin ahmt die Moms nach: „ein Mensch, der immer näher kommt, die Arme weit geöffnet, lächelnd.“ (Anm. 269). Das Untergründige weist weit voraus (und gleichzeitig zurück) auf die Joelles Schauder bei der Beschreibung des Thanksgiving-Abendessens mit der Familie Incandenza.
Die Frage nach dem Durchhalten im Unaushaltbaren der eigenen Mittelmäßigkeit, folgenschwer ausgetragen. Das Funktionieren – die Familie Incandenza, Avril vs. James Incandenza, gesteigert in der „Über-Familie“ der E.T.A., Drogensucht und Alkoholismus als (Wahl-)Perspektive auf die Fragwürdigkeit einer äußeren Realität, in sich gesteigert in der »Funktions-Struktur« von Ennet-House, kulminiert in der Frage nach der Definition von Missbrauch, bei Orin, Mario und Hal nicht anders als bei Bruce Green und dem inzestuösen „Es“.
Dazwischen, zwischen Funktionieren und Nicht-Funktionieren, zwischen der Ambivalenz sozialer, psycho-physischer Motivationen, liegt immer wieder die Suizid-Frage: Er-Selbst, Kate Gompert, Joelle; gespeist aus der „Ein-Mann-Hölle“ (S. 999) diesseitiger Existenz.
Die Frage bleibt, was trägt diese polare Dichotomie? Paulhan scheidet die Schriftsteller (und Kritiker) in Rhetoriker und Terroristen. Und es fallen mir die eher abseitigen Bezüge auf. Da wird das »objet trouvé« als Idee der klassischen Moderne-Ästhetik unversehens zum »Drame-trouvé« in der Fußnote 234. Die Ambiguität der Ästhetik von Lautréamonts Maldoror schließt sich an – »Schön, wie …«. Und es geht um einen schönen Jüngling (die Nähmaschine, den Regenschirm und den Operationstisch …).
Woran ich mit all dem arbeite: Die letzte, (sui generis) unbeantwortete Frage der Schriftstellerposition. Erliegt der Autor (wie vielleicht jeder Autor; und der Leser) dem nietzeanisch illusionären Nichts des Balzac´schen Meisterwerkes? Unbekannt weil unmöglich? Und das Bekannte nur als sichtbar gemachte – zurück zum Seher Rimbauds – „Absenz“ (S. 1066). Was mich umtreibt, ist die Frage: Erliegen oder inneliegen wir der paradoxalen Ambivalenz des »Ceci n´est pas une pipe« Magrittes, die Foucault´sche „Auflösung der Affirmation“? Welchen DFW lesen wir? Welches Buch? Terroristen und Rhetoriker? DFW? Die beliebige Volatilität der Schnittmenge bildet er ganz sicher nicht. Die Komplexität der (einer) »Nonchalance«.
Unendlicher Spaß, Endnote 1:
1. Methamphetamin, auch bekannt als Crystal Meth.
heute, 28.10.2009, melden die Agenturen, dass der frühere Tennis-Profi André Agassi „zugegeben“ habe, 1997 regelmäßig Crystal genommen zu haben. Nur dann? Hat er dann vielleicht Infinite Jest gelesen?
Die Realität schlägt zurück:
http://www.spiegel.de/panorama/leute/0,1518,657795,00.html
Ich komme kaum vorwärts. Mittlerweile hat mich Herr Krekeler überholt. Ich kann wirklich nicht behaupten, dass US zu den zwanzig besten Büchern zählt, die ich gelesen habe. Ich gebe bislang vier von fünf Sternen. Es kommt also nicht an die Tagebücher von John Cheever (Schlagworte: Alkoholismus, Paranoia, Wahn, Ehe, Schriftstelleridentität) heran, denen ich dieses Jahr die volle Sternzahl gegeben habe, und auch nicht an die diversen Bücher, die 4 ½ Sterne bekamen. Ein schlechtes Resultat sind 4 von 5 aber nicht. Vielleicht schafft US noch eine Steigerung in der zweiten Hälfte, allein ich glaube nicht daran, ich weiß gar nicht, woher ich die Muße nehmen soll, es zu Ende zu schaffen. Ich lese jetzt Chotjewitz, und weiß nicht, warum der schlechter sein soll als DFW.
Die Randy-Lenz-Geschichte, auch die Episode mit Green, hat mich nicht überzeugt. Die Aufzählung der individuellen Symptome nach Kokain-Gebrauch fand ich gut. Ich habe in meinem Leben nur einmal K konsumiert, und das war so gut, dass ich Angst bekam und es bisher nicht ein zweites Mal probiert habe. Aber Kokain kommt immer mal herum, und so ist ein zweites Mal nicht ausgeschlossen. Ich habe Lidokain nachgeschlagen, es schreibt sich im Deutschen mit c. Es ist tatsächlich als „Zahnarztkokain“ und örtliches Betäubungsmittel bekannt. Wayne und die Moms haben ein lustig verdrehtes Stelldichein, bei dem sie von Pemulis (Namen musste ich nachschlagen) erwischt werden. Die Beschreibung der Fluchtbewegung Abhängiger zu Religiösitäten („Das Kind“!): toll. Jetzt bahnt sich wieder eine Versenkung in die Familiengeschichte an, vielleicht muss da jetzt etwas passieren, etwas mehr als einzelne Sätze, die Frau Torik aus der Ermüdung holen können, sonst verliert mich das Buch.
(Stand: S. 815)
S. 956 (Fußnote 269)
Erneut eine Fußnote, die bei vorübergehender Langatmigkeit aus der Bredouille hilft: Um die Wahrheit zu sagen, hat der phasenweise von Aubrey deLint kommentierte erste Satz der Partie zwischen Hal I. und Ortho Stice (stimmt das so?) nicht nur den tennismäßig ein wenig benachteiligten Ortho Stice mürbe gemacht (938-952). Wie viel erfrischender hingegen die erneut überlange Fußnote 269 (ich wollte sie mir zunächst, quasi als Belohnung, ersparen!), die uns Einblick in Marlon K. Bains Antworten auf Helen Steeplys Fragen bezüglich seiner, Marlons, Beziehung zu Orin I. gewährt. Ich denke fieberhaft darüber nach, welches Wort auf der beschlagenen Scheibe von Mrs. Incandenzas hellgelbem Volvo aufgetaucht sein mag (oder müsste man das bereits wissen?) und empfinde ein wohliges Gefühl beim Gedanken an die reiche Tradition der Wortsuche und Wortentschlüsselung in der Unterhaltungskultur (Ananke, Ro…). Wohlgemerkt auf der Scheibe des hellgelben Volvos jener Mrs. Incandenza, die durchschaute Lügen wie unlösbare kosmische Rätsel behandelt anstatt wie durchschaute Lügen. Und ich denke fieberhaft darüber nach, wie – verdammt noch mal – Marlon K. Bains unschuldige Verwandte auf eine Weise, die heterosexuellen Männern versagt ist, mit Orin I. konnektiert haben könnte. Aber wahrscheinlich ist es beschämend genug, darüber nachdenken zu müssen. Über das Schicksal des bedauernswerten S. Johnson möchte ich mich hier gar nicht weiter auslassen.
Vielleicht hat ja der Umstand mitgespielt, die 1500er Marke, wenn auch in einem Paralleltextuniversum, überwunden zu haben. Gemeinsam mit der mich immer noch beeindruckenden Filmographie James O. Incandenzas (Fußnote 24), den Gesprächsfetzen aus den informellen Insasse-Betreuer- usw. Protokollen (90), den Schneckenpostbriefen (110) von Mrs. Incandenza (na ja, teilweise), ein weiterer Fußnotenhöhepunkt, quasi als Belohnung für alle, wo sich das jedes Mal antun.
Da die Figuren von „Unendlicher Spaß“ so ungeheuer plastisch werden, spielt die amerikanische Wallace-Newsgroup alle Jahre wieder ein Spiel, das ich hier auch mal ausprobieren möchte: Wir erstellen die Besetzungsliste einer Verfilmung vom „Unendlichen Spaß“. Sehr weit bin ich noch nicht gekommen, aber für den Anfang …
Don Gately: das Gesicht vielleicht von Dominic West (der in „The Wire“ James McNulty spielt), aber die Statur müsste hünenhafter sein.
Hal Incandenza: Matt Damon?? die Physiognomie ist ganz passabel, weil von seltsamer Unattraktivität / Unemotionalität, aber ich stell’ mir Hal trotz seiner Sportlichkeit schlanker vor.
Joelle van Dyne: Nicole Kidman? – Joelle ist natürlich das größte Besetzungsproblem, weil sie, wie Elmar Krekeler heute zitierte, ‚dermaßen schön ist, dass sie jeden fühlenden Menschen ganz einfach um den Verstand bringt’ (S. 775). Eigentlich müsste man also zu mythischen Frauengestalten wie der schönen Helena der Antike oder Marilyn Monroe greifen.
James O. Incandenza: James Cromwell (der in „24“ Jack Bauers Vater Phillip Bauer spielt).
Randy Lenz: Steve Buscemi.
Mildred Bonk: so schön wie Cameron Diaz, aber hohler und unsympathischer.
Hugh Steeply: Gene Hackman, aber fülliger.
Johnny Gentle: Frank Sinatra.
1996 erschien »Infinite Jest« in den USA und machte David Foster Wallace über Nacht zum Superstar der Literaturszene. Vor einem Jahr nahm sich David Foster Wallace das Leben. Sechs Jahre lang hat Ulrich Blumenbach an der Übersetzung von Wallaces Opus magnum gearbeitet, dem größten Übersetzungsprojekt in der Geschichte des Verlags Kiepenheuer & Witsch.
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