Glossobuco 1

25. August 2009 |

Ich muss gestehen, dass es mir anders ging als Stefan Beuse: Den Anfang des Romans fand ich spröde. Klar, ich hab’ an den schrägen Wortfügungen („wood-walled, Remington-hung, double-windowed“) gemerkt, dass ich’s mit einem ambitionierten Stilisten zu tun habe, und doch, ja, zugegeben, verschränkte Finger mit dem Buchstaben X im Spiegelkabinett zu vergleichen, das ist ein hübsches Bild, aber wirklich die Lauscherchen aufgestellt hab’ ich erst, als ich zu dem Tonwechsel von Hals Kindheitserinnerung kam und als mir dann nur zehn Seiten weiter mit Erdedys Kifferprosa gleich wieder der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Von da an war ich so fasziniert, dass ich kaum das nächste Umblättern abwarten konnte: Na? Wieder ’ne Leerzeile? Mit was für einer Stimme überrascht er mich jetzt wohl?

Ulrich Blumenbach studierte Anglistik, Germanistik und Geschichte an den Universitäten in Münster, Sheffield und Berlin. Seit 1993 übersetzt er aus dem Englischen bzw. Amerikanischen. Blumenbach ist als Lehrbeauftragter im Studiengang Literarisches Übersetzen an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf tätig und leitet zusammen mit Fritz Senn das Zürcher Übersetzertreffen. Bevor er im November 2003 begann, Infinite Jest von David Foster Wallace zu übersetzen, hatte Blumenbach schon Werke von Paul Beatty, Agatha Christie, Giles Foden, Kinky Friedman, Stephen Fry, Arthur Miller, Raja Rao, Will Self, Tobias Wolff und James Joyce übersetzt. Für die Übersetzung von Unendlicher Spass wurde Ulrich Blumenbach mit dem Hieronymusring für besondere Leistungen in der literarischen Übersetzung der Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Stiftung sowie mit dem Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Preis ausgezeichnet, der bei der Frankfurter Buchmesse 2009 verliehen wird.

Danke,

25. August 2009 |

Kiepenheuer & Witsch, das ging jetzt aber ratzfatz! Beeindruckend auch das eigene Kiepenheuer-&-Witsch-Paketklebeband, das irgendwie an amerikanisches „scene-of-crime“-Absperrband erinnert, aber vielleicht passt das ja zum Buch. Zumindest über Bande.

Natürlich musste ich sofort die erste Seite lesen. Ich lese immer sofort die erste Seite, das ist wie ein Zwang und vollkommen unabhängig davon, wie viel Zeit ich gerade habe. Wenn die ersten Sätze mich nicht kriegen, kriegt mich auch der Rest nicht. Das ist das Ergebnis einer jahrzehntelangen empirischen Studie.
Klar klingt das vermessen. Aber ich habe das mit Klassikern der Weltliteratur probiert, die Sorte, die man gelesen haben MUSS; ich habe mich bis zur letzten Seite gequält, um zu begreifen, warum dies ein Werk der Weltliteratur ist, und es ist mir nicht gelungen, weil auf den restlichen Seiten genauso viel Mist stand wie auf den ersten, und natürlich kommen dann immer Leute, die einem erklären, WARUM das ein wichtiges Werk der Weltliteratur ist, und ich verstehe das auch immer, aber ich spüre es nicht, weil es nicht knallt, und ich glaube, darum geht es am Ende: Dass das Buch (der Film, die Musik, das Theaterstück, das Bild …) etwas mit einem macht, das einen jenseits rationaler Bewunderung mitnimmt.

Die erste Seite dieses Buches ist wie ein Kind, das einem unbedingt etwas zeigen möchte. Es nimmt deine Hand und zerrt an dir, weil es etwas zu sagen hat, das keinen Aufschub duldet. Ich mag dieses Kind.

Klotz

25. August 2009 |

22. August 09
Komisch, dass es immer diese holzklotzartigen Bücher sind, die ich aus der Büchner-Buchhandlung mitnehme, die eigentlich gar nicht meine Hausbuchhandlung ist. Letztes Jahr war es Havemann, im Augenblick des Verbots, dieses Jahr ein ähnlich schweres, wenn auch weitaus besser ausgestattetes und sündhaft teures Buch, von weitem einem weißen Holzkasten ähnlich. Ich erwarte, an der Kasse einen Schlüssel dafür zu bekommen. Stattdessen steckt der Verkäufer ein Beiheft mit in die Tüte, Ich liebe Beihefte, das erste, an das ich mich erinnere, lag in der Ulysses-Ausgabe von James Joyce, ein Begriffserklärungsbändchen, leider habe ich es bei einem der vielen Umzüge verloren.
Auch bin ich fasziniert von den zwei schwarzen Lesebändchen.

24. August 09
Vorerst packe ich das Buch ins Gepäck und fahre mit G. raus in sein Sommerhaus. Als wir am versifften Bahnhof Gesundbrunnen vorbeikommen, sagt G.: „David Foster Wallace ist auch ein Amherst-Absolvent.“ Er sagt das, als spräche er von einem Kollegen. G. hat nicht ganz unrecht, er hatte vor drei Jahren ein Stipendium dort. Geblieben ist eine e-mail-Adresse. Wir leben drei Häuser voneinander entfernt, aber G.s Post kommt immer aus Amherst (und wird dort wahrscheinlich nach terroristischen oder päderastischen Gedanken abgescannt). Und übrigens, sagt G., da sind wir schon an der Osloer Straße, hat auch Dan Brown in Amherst studiert.

Zwei Stunden und fünf Staus später
Auf den alten Sommermöbeln, Blick auf den See. Sie knarzen, es wird ihr letzter Sommer sein. Erhöhter Schwierigkeitsgrad für mich ist, dass sich das Buch nur im Ruhepool lesen lässt, es ist zu schwer, um mit ihm mobil zu sein, es sei denn, ich benutze einen Rollkoffer. Aus diesem Grund ist der letzte Pynchon noch nicht ausgelesen. Wie schwer wird eigentlich so ein Lesegerät sein, wie immer es auch heißen mag?
Von hinten werfen die hohen Kiefern bizarre Schatten auf die Seiten des ersten Kapitels. Ich hatte im Beiheft etwas über Möbiussche Sätze gelesen und auf der Fahrt hierher, es war in der Bernauer, versucht, sie G. mit meinen Worten zu erklären. Auf den ersten Seiten gibt es diese Sätze nicht. Es fängt an wie ein Entwicklungsroman, ein hochbegabtes Jüngelchen droht an der Mittelmäßigkeit des Unipersonals zu scheitern. Ich denke über die Wortverbindung digestiver Geruch nach. Das Lesebändchen bleibt zwischen S. 14 und 15 hängen, weil K., der Gast des Tages, gerade Schwimmen war, vom See heraufkommt und G. und ich mit K. darüber diskutieren, ob es nicht an der Zeit wäre, mal eine Genealogie des DDR-Adels aufzuzeichnen, ähnlich wie die des Herzogs Ernst I. von Coburg-Gotha, dem Schwiegervater Europas, der mit seiner feudalen Heiratspolitik seine Hausmacht aufrechterhielt. An der Genealogie könnte man so einiges erklären, aber K. kann der Idee nichts abgewinnen, vielleicht weil er sich irgendwo auf der Ahnentafel wiederfinden würde.

Annett Gröschner wurde 1964 in Magdeburg geboren. Sie veröffentlichte Gedichte, Romane, Reportagen, Dokumentarliteratur sowie Rundfunkfeatures und lebt als freie Autorin in Berlin. Sie wurde unter anderem ausgezeichnet mit dem Anna-Seghers-Stipendium der Akademie der Künste Berlin und dem Erwin-Strittmatter-Preis des Landes Brandenburg. 2000 erschien der Roman „Moskauer Eis“, zuletzt – zusammen mit Arwed Messmer der Band „Verlorene Wege“ (Verlag für moderne Kunst Nürnberg 2009).

Das Krankheitsbild ist bekannt: Rezensenten stellen zwanghaft Bezüge her. Auch „Unendlicher Spaß“ wird jetzt in den Feuilletons in erster Linie literaturgeschichtlich verortet („postmodern-komplex“), ästhetisch vermessen („monströser Chor für emotional schwer beschädigte Stimmen“) und auf seine politisch-gesellschaftliche Relevanz überprüft („ein moralisches, ja moralistisches Buch über den gegenwärtigen American way of life“). In Blogs, die sich mit Literatur beschäftigen, herrscht dagegen ein anderer, ausgesprochen bekenntnishafter Tonfall, der auf die emotionalen Aspekte einer Lektüre zielt: Der einzige Bezugspunkt bin ich selbst, das allerdings in aller Öffentlichkeit. Die Möglichkeiten, die sich damit eröffnen, sind mir immer noch unheimlich. Ich bekenne, dass es ein, zwei Sätze auf den ersten hundert Seiten von „Unendlicher Spaß“, die mein… also, die direkt… und ohne die… Aber würde ich nicht genau diese Sätze lieber für mich behalten?

24. August

24. August 2009 |

Ein samtgrüner Ohrensessel. Ein Glas Rosé. Keine Musik. 21.06 Uhr. Draußen brabbelt eine Abendgemeinde über zurück gegebene SPD-Parteibücher und homöopathische Heilmethoden. Es ist windstill überm See. Die Beine tun mir weh. Die Füße brennen. Fünf Stunden, gut 2000 Höhenmeter. Muss furchtbar ausgesehen haben am Ende. Neun Seiten schaff ich heute noch. Morgen komm ich dann in die Reihe. Und von da an jeden Tag, eigentlich jede Nacht, 16 Seiten. 100 Tage, 1600 Seiten lang. So lang hab ich noch nie an einem Buch gelesen. Eigentlich peinlich. Hab mich bewusst von allem ferngehalten, was leicht fiel, hier am See. Keinen Vorbericht gelesen, das schöne Materialbuch vergessen, die Rezensionen auch. Unvoreingenommen lesen, unvorgebildet. Spontan. Nur noch Krümel im Kopf von der letzten Foster-Wallace-Lektüre. Keine Ahnung, ob das geht. Und ob das was bringt. Hundert Tage im „Unendlichen Spaß“. Der liegt jetzt als Blätterstapel kniebankhoch neben dem Sessel. Muss das portionieren, sonst werde ich depressiv.
Gab schon langweiligere erste neun Seiten (kann sich noch jemand an den Einstieg der „Korrekturen“ erinnern? Genau!). Rätselhafte Titelei immerhin. „Jahr des Glad-Müllsacks“. Ein stolzer Müllsack. Nun gut. Ein junger Mann, augenscheinlich ein mittleres Tennisgenie, sozusagen Andre Agassi in hyperintelligent, sitzt einer Prüfungskommission gegenüber, die entscheiden soll, ob Harold „Hal“ Incandenza zur Tennisacademy zugelassen werden soll. Problem ist, dass Hal furchterregend intelligente Essays geschrieben hat mit Titeln wie „Die Implikationen von Post-Fournier-Transformationen für ein holographisches mimetisches Kino“ und „Ein Mann, der argwöhnte, er sei aus Glas“. Aber so recht glaubt ihm das keiner. Weil er leider subnormal kommuniziere, heißt es. Was man glaubt, ist, dass Onkel und Tante nachgeholfen haben. Man wittert Betrug. Und Hal sitzt da, kreuzt die Finger, beobachtet alles wie unter einem Mikroskop und versucht den richtigen Gesichtsausdruck zum richtigen Moment zu machen. Gelingt ihm aber nicht. Das liest sich flüssig, das ist sogar lustig ist es auch. Ein junger Mensch allein unter Bürokraten. Mit einem erschütternden Wortschatz. Potenziell, das ahnt man jetzt schon, weiß der alles. Hal, die allwissende Müllhalde, sieht Menschen „in der Defäkationshaltung aller ruhenden Sportler sitzen“. Und Sätze fallen ihm beständig ein wie: „Das Kohlesäureschweigen im Raum hat eine feindselige Note angenommen.“ Ein bisschen Angst bekomm ich schon. Zu kluge Literatur kann über 1600 Seiten ziemlich enervierend sein.

Elmar Krekeler studierte Musikwissenschaft in Mainz. Seine journalistische Laufbahn begann er als Musikkritiker, wechselte dann zur Literatur und arbeitete als Redakteur für die Tageszeitung “DIE WELT“. 1998 war er Mitbegründer der samstäglichen Beilage “DIE LITERARISCHE WELT“ und seit 2001 ist er ihr Leiter. Elmar Krekeler erhielt 2004 den Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik.

Santa Maria

24. August 2009 |

Heute, am offiziellen Tag der Veröffentlichung dieses Buchs, habe ich lange in der Sonne gesessen, mit hochgezogenen kurzen Ärmeln, also schulterfrei, und habe, da ich auf die Zeitungen warten musste, in einem anderen Buch gelesen, nämlich in Hans Fallada: In meinem fremden Land, übrigens auch eine gute Darstellung von Paranoia in einem paranoiden Land, um nur das geringste zu sagen. In U.S. habe ich erst später wieder gelesen. Am Wochenende hatte es zahlreiche Besprechungen des Buchs gegeben, ich habe nur zwei davon gelesen, und kann nur eine weiter empfehlen, nämlich die von Ekkehard Knörer. Ich hebe einen Absatz hervor: „Was dabei herauskommt, ist ein Gesellschaftsroman als monströser Chor für emotional schwer beschädigte Stimmen. Das Bild der Gesellschaft, das im komponierten Durcheinandersingen des Individuenchors entsteht, ist darum selbst psychotisch, Ergebnis einer unkontrollierbaren, unendlichen Sprachproduktion. Auch und gerade die Politik ist fantastisch deformiert, die Fortsetzung eines James-Incandenza-Films mit möglicherweise nicht einmal anderen Mitteln.“

I Want To Tell You, drittletztes Stück auf Revolver, 1966. Einen ähnlichen Dialog habe ich neulich auch geschrieben:
– Und, wie ist die so?
– Ein Kind der Sonne. Schön wie ein erwachender Morgen.

Viel ist von der angeblichen Zukünftigkeit die Rede, dem Science-Fiction-Element in U.S., das sich besonders in den gesponserten Jahreszahlen und den anderen, neuartigeren Medien und Mediengeräten zeigt. Hier fangen aber auch die Probleme an. Man merkt eben doch, dass der Roman in den USA zum genau richtigen Zeitpunkt erschienen ist, während er hier und jetzt schon wieder etwas Historisches hat. Er ist ein Roman der Neunziger. In seiner Wirrnis, seinem Wahn, seinem Nerdism: Der Roman eines Nerds. Für Nerds. Aus dem Jahrzehnt der Nerds. Die Geräte: Das Mobiltelefon ist noch nicht omnipräsent, und hat noch eine Antenne; von Internet und E-Mail ist kaum etwas zu ahnen (behaupte ich jetzt mal). Es gibt einen Teleputer – vielleicht die Zusammenführung von Computer und Fernsehen, aber sicher bin ich mir da nicht. Und es gibt Patronen mit Unterhaltung, wo es heutzutage bald schon keine DVDs mehr gibt. Das Schwierige am SF ist also immer der technische Fortschritt, den man mit berechnen muss.

Übrigens sind meine Freunde und Bekannte eher „wuschig“ als „kribbelig“, wenn sie die Ankunft beispielsweise lang erwünschter Drogen erwarten. Ansonsten bin ich natürlich weiterhin sehr zufrieden. Mit dem Buch, mit der Übersetzung, mit allem. Liest sich toll. Meine letzte Zigarette habe ich übrigens am Sonntagmorgen gegen sechs Uhr geraucht. Bislang wenigstens. (Stand: S.55)

Vielen Dank allen, die sich beteiligt haben (und noch beteiligen)! Alle fünfzehn Exemplare haben ihre Empfänger inzwischen gefunden. Sie werden das Buch in den nächsten Tagen erhalten.

Die ersten 15, die an diese Email-Adresse: orin@unendlicherspass.de die richtige Lösung auf die folgende Frage schreiben, erhalten eines der letzten Exemplare des Zusatzmaterials zu Unendlicher Spass zugeschickt.

Die Frage lautet:

Wie lautet im Buch auf Seite 100 der Buchtitel eines gewissen Jewtuschenko?

Die letzten Wochen habe ich damit verbracht, die Dinge meines Lebens zu ordnen, einen großen Teil davon verteilt auf Recyclinghöfe, Altpapiercontainer und Annahmestellen für gefährliche Güter sortenrein zu entsorgen und den anderen Teil in Koffern und Umzugskisten durch die Gegend zu tragen, in eine frisch gestrichene, abgeschliffene und versiegelte Umgebung, die nun frei von jeglicher DNA der Vorbesitzer ist.

Vermutlich fließen die Energien in einem derart entrümpelten Leben wieder frei und ungehindert, der Preis jedoch ist hoch: Setzen die Kinder ihr Glas zu heftig auf die neue Tischplatte, müssen sie drakonische Strafen befürchten; jeden Tag wird soviel gewischt, gesaugt und geputzt wie in den letzten zehn Jahren zusammen nicht, und warum? Um den Neuanfang zu konservieren? Um alles immer klar, sauber und aufgeräumt zu halten, in der Hoffnung, dass die Ordnung der Dinge automatisch ihre Entsprechung in der feinstofflichen Welt finden möge?

Kurz davor, zum Schuhe-ausziehen-Hysteriker zu werden, war ich jedenfalls froh, knapp vor Toreschluss (= Erscheinungstermin) doch noch die Einladung hierzu angenommen zu haben. Weil in solcher Situation niemand besser geeignet ist, einem den Kopf wieder zurechtzurücken als David Foster Wallace. Weil ich nach wochenlangem Umzugskistentraining das Buch nun nächtelang locker am ausgestreckten Arm in die Höhe werde halten können, ohne zu ermüden. Und weil sich kaum eine bessere erste Post an die neue Adresse denken lässt. Abgesehen von Verlagsschecks vielleicht.

Stefan Beuse, am 31. Januar 1967 in Münster geboren, lebt mit seiner Familie in Hamburg. Er arbeitete u.a. als Texter, Fotograf und Journalist (für DIE ZEIT, die Welt, Frankfurter Rundschau, etc.); er schreibt Erzählungen, Romane, Drehbücher sowie gelegentlich Buch- und Filmkritiken. Stefan Beuse gewann zahlreiche Preise und Stipendien. Im Frühjahr 2005 war er Poet in Residence an der Cornell University in Ithaca, New York, und Gastdozent für deutschsprachige Gegenwartsliteratur. 2006 gewann er zusammen mit Till Endemann den Magnolia Award in Shanghai für das beste Drehbuch (Verfilmung des Romans »Kometen«). 2009 ist Stefan Beuses jüngster Roman »Alles was du siehst« (C.H. Beck) erschienen.

Am Hotspot

24. August 2009 |

M. betreibt seit einigen Jahren zwei Häuser weiter ein kleines Café. Er ist ein engagierter Kleinunternehmer, der ständig neue Programme zur Kundenbindung auflegt. Unter anderem ist er eine Kooperation mit einem Frühstücksflocken-Hersteller eingegangen, der individuell zusammengestellte Müsli-Mischungen vertreibt. Wer im Internet bestellt, kann seine Lieferung versandkostenfrei in einem der so genannten „Hotspots“ abholen, zu denen auch M.s‘ Café gehört. Dort, so das Kalkül, nimmt man dann noch einen Espresso für den Weg und kommt im besten Fall gleich am nächsten Tag wieder, diesmal nur für den Kaffee.

Auch mich hat M. auf diesem Weg als Stammkunden rekrutiert. Ich hole allerdings kein Müsli bei ihm ab, sondern Bücher. Alles, was nicht durch meinen schmalen Briefkasten passt, landet in seinem Café, in einem kleinen Regal neben seinem Tresen. Ich verdiene mein Geld als Literaturkritiker, es kommen also verhältnismäßig viele Päckchen und Pakete. Inzwischen habe ich einfach meine Klingel abgestellt und hole bei M. einmal am Tag die Sendungen ab, die die notorisch unterbezahlten Zusteller von DHL, DPD, UPS, Hermes und GLS abgeliefert haben.

„Unendlicher Spaß“ kam am Freitag. Müsste ich diesen doch recht umfangreichen Roman für eine Zeitung rezensieren, würde ich mit Sicherheit einen schlechten Schnitt machen. Aufgrund der progressiv fallenden Honorare für freie Journalisten reichen mittlerweile jedoch schon weitaus dünnere Bücher, um bei einem Stundenlohn zu landen, der deutlich unter dem eines Paketzustellers liegt. Ich sollte auch bald über eine Kooperation nachdenken.

Kolja Mensing, geboren 1971, in Oldenburg. Er arbeitet als freier Kritiker für Faz, Taz und Deutschlandradio. Er hat 2002 das Buch „Wie komme ich hier raus? Aufwachsen in der Provinz“ (Kiepenheuer & Witsch) veröffentlicht. 2007 erschien „Minibar. Kurze Erzählungen“ (Verbrecher Verlag). Zusammen mit Florian Thalhofer die Dokumentarfilme „13ter Stock“ (2005) und „13ter Shop“ (2007).

Viel Spaß

24. August 2009 |

Dankbarerweise hat meine Nachbarin am Freitag die Post übernommen und mir das Paket vor die Wohnungstüre gelegt. Als ich nach Hause kam, klebte ein gelbes Post-it drauf, auf das sie „viel Spaß“ geschrieben hatte. Das bezog sich jedoch nicht auf den Inhalt des Pakets (meine Nachbarin hatte nicht nachgesehen), sondern auf einen Ausflug zum Wandern übers Wochenende (Leiser Berge im Weinviertel), von dem ich eben zurückgekommen bin. Mit Lesen beginne ich dann morgen/heute (8.30 Uhr).

Und übrigens: Ulrich, Mensch – zu blöd, erstmal kann ich mich nicht auf die Freuden der Jagd begeben; kommt aber dann gleich im Anschluss an dieses unendliche Lesevergnügen, sofern von mir dann überhaupt noch etwas gelesen werden kann. Glückwunsch jedenfalls!

Hanno Millesi, geboren 1966 in Wien. Studium an der Universität Wien sowie an der Universität für Angewandte Kunst in Wien – Texte, Essays, Hörspiele – Teilnahme am Ingeborg- Bachmann- Wettbewerb TDDL 06 – Mitbegründer des intermediären Internetprojektes www.ignorama.at (mit Heinz Cibulka und Norbert Math – seit 2002 online). Bücher: Disappearing | Rückzugsvarianten (Ritter Verlag 1998), Primavera (Ritter Verlag 2001), Traumatologie (gem. m. Klaus Mosettig) (Triton Verlag 2002), Im Museum der Augenblicke (Triton Verlag 2003), Kalte Ekstasen (gem. m. Max Boehme) (Sensationsverlag 2004), Ballverlust (gem. mit Stefan Lux ) (Schlebrügge Editor 2005), Mythenmacher (Literaturverlag Luftschacht 2005), Wände aus Papier (Literaturverlag Luftschacht 2006), Im Museum der Augenblicke (Neuauflage Literaturverlag Luftschacht 2007), Der Nachzügler (Literaturverlag Luftschacht 2008).

Über das Buch

1996 erschien »Infinite Jest« in den USA und machte David Foster Wallace über Nacht zum Superstar der Literaturszene. Vor einem Jahr nahm sich David Foster Wallace das Leben. Sechs Jahre lang hat Ulrich Blumenbach an der Übersetzung von Wallaces Opus magnum gearbeitet, dem größten Übersetzungsprojekt in der Geschichte des Verlags Kiepenheuer & Witsch.
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