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Redselig (wie schon bei manchen aktuellen U.S.-Autoren erlebt) bis verquasselt, was bei mir ein augenblickliches Bedürfnis nach dem amerikanischen Text weckt (wirkt das dort auch so?), sowie die Frage aufwirft: Ist das offensichtlich Hüftsteife der Übersetzung (räusper:) kongruent mit dem Original? Die vorgeführte Eloquenz womöglich gar nicht so manieriert, sondern bereits – suizidal?
(Seht mir bitte nach, daß ich hier als absoluter DFW-Neuling spreche.)
Thomas Meinecke wurde am 25.08.1955 in Hamburg geboren. Ab 1977 in München lebend, war er dort von 1978 bis 1986 Mitherausgeber und Redakteur der Avantgarde-Zeitschrift Mode & Verzweiflung.
In den 80er Jahren erschienen in unregelmäßigen Abständen in der ZEIT Kolumnen von ihm, 1986 der Kurzgeschichten-Band Mit der Kirche ums Dorf. Es folgten die Erzählung Holz (1988) und die Romane The Church of John F. Kennedy (1996), Tomboy (1998), Hellblau (2001) und Musik (2004). Zuletzt erschienen: der Roman Jungfrau (2008) und Lob der Kybernetik – Songtexte 1980–2007 (2007).
Thomas Meinecke ist außerdem Musiker in der 1980 von ihm mitgegründeten Band Freiwillige Selbstkontrolle (FSK) und Radio-DJ in seiner Sendung Zündfunk (BR 2).
29. August 2009, 3.44 Uhr
„Was, du bist erst auf Seite 150 und liest schon eine ganze Woche?“, fragt W., als ich wieder in Berlin bin und wir nachts um halb vier auf meinem Balkon sitzen, wo ich bis eben den Herren Marathe und Steeply dabei folgte, wie sie mit abendländischem Wissen nur so herumprotzten. W. sagt das natürlich, weil er schon darauf wartet, den Unendlichen Spaß selbst lesen zu können*, wir teilen uns die Lektüren. Diesmal war ich zuerst dran.
Unendlicher Spaß führt dazu, auch die wirkliche Welt genauer zu betrachten. Die beiden Russen z.B., mit den Türsteherfiguren (nicht vier-, sondern fünfschrötig), kurz vor Mitternacht im Eingang der Kaisers-Kaufhalle, die sich laut in ihrer Muttersprache über ihre Arbeit unterhalten, weil sie wohl annehmen, hier wohne eh niemand mehr, der sie versteht. Leider spezifizieren sie nicht, worin diese Arbeit besteht, es könnte aber auch sein, dass sie in der nächsten Sekunde aus ihren Einkauftaschen, auch sie haben kurz vor Mitternacht bei Kaisers eingekauft, schallgedämpfte Pistolen holen und die beiden türkischen Securitytypen am Eingang übern den Haufen knallen. Aber alles bleibt friedlich und ich bewundere die Tätowierung auf dem kräftigen rechten Oberarm der Grufti-Frau vor mir, die gerade fünf Dosen Hundefutter bezahlt: Ein nackter weiblicher Säugling wird von einem Totenkopf gekrallt, beide sehr kunstvoll in die Haut der barocken Frau gestochen, deren hänflinghafter Freund doch wirklich die Kaisers-Treueherzen von der Verkäuferin nimmt.
Jetzt aber, kurz vor vier, prescht eine silbergraue Limousine mit hoher Geschwindigkeit durch die schlafende Straße und bremst zwei Etagen unter uns, der Fahrer öffnet die Tür, lässt lässig die Beine aus dem Fenster heraushängen, irgendeiner schnarrt über Funk Unverständliches, der Beifahrer antwortet kryptisch. W. flüstert, das seien Terrorismusbekämpfer auf der Suche nach Brandstiftern, die mit Kohleanzünder und Feuerzeug bewaffnet, große Autos anzünden, die es hier reichlich gibt, aber ich, ganz in Unendlichem Spaß gefangen, halte sie für Drogenfahnder. Ehe wir herausbekommen haben, wer recht hat, kommt ein neuer Befehl und das silberne Auto verschwindet.
*Im Gegensatz zu mir hat W. das Buch zwar noch nicht gelesen, aber den Blog studiert und mir ist aufgefallen, dass ein Homonym ein Schnippchen geschlagen haben muss. Bei dem Bändchen ist nicht ein einzelnes Büchlein gemeint, in diesem Fall zwei, sondern es handelt sich um den schwarzen Gewebestreifen, der aus dem Buch hängt und zwar gleich zweimal, für den Text und für die Anmerkungen. Und dabei fällt mir auch ein, dass ich endlich mal sagen muss, wie anregend ich die Übersetzung finde. Soviele unterschiedliche, oft unbekannte und lange nicht oder noch nie gelesene Worte in einem Buch, das macht (unendlichen) Spaß. Thorakalsonne oder Lemon Pledge zum Beispiel. Bei letzterem hätte ich nicht mit Möbelpolitur gerechnet, sondern eher mit so etwas wie Lemon Curb. Süß und zitronig.
Zu Hause in K. 19.35 Uhr. Die Motorboote gleiten nach Hause. Überm Fluss singt Udo Jürgens, dass er noch niemals in New York war. Musik: Hypocondrie für sieben Konzertierende von Jan Dismas Zelenkas (großartiger Komponist!). Getränk: Schwarzer Tee.
Wird nicht viel helfen für die nächsten 16 Seiten. Die Augen klappen nach innen, wann immer sie wollen. Die Nacht durchstehen auf der Autobahn kann ich doch nicht mehr so ab. Bin – aber das erwähnte ich schon – halt alt.
Orin Incandenza ist das nicht. Der hat andere Probleme. Der spielt Football. Ein tolles Talent. Aber mit gigantischen Schaben in der Wohnung, die hässliche Spuren hinterlassen, wenn er sie zu erschlagen versucht. Das Buch hat eine ziemlich eklatante wie eklige Insektenschwäche. Darf ich die Kafka-Keule auspacken? Schaben sehen Dich an. Insekten fressen Kindern die Schleimhäute weg.
Gott bin ich müde. Orin versucht sich an das „Subjekt“ zu erinnern, mit dem er letzte Nacht unallein war. Bei der Familie muss wohl ein derartiger Sozialschaden heraus kommen. Ausführlich wird ein foltergleiches Experiment mit einem Schizophrenen erzählt, das ekliger ist, als Schaben zerschlagen. Woher hat der Mann das nur? Zweite Frage: Will ich das so genau wissen?
Noch mehr Tee. Hilft alles nichts. Wir sehen Hal (jetzt 17 – gibt es eigentlich irgendeine verlässliche Chronologie in diesem Roman, gibt es irgendwas Verlässliches?) beim heimlichen Kiffen. Hal kifft, ich krieg Halluzinationen. Seh mich im eschergleichen Tunnelbau der Tennis-Academy, in der Hal seine Jugend verbringt. Und begegne Mrs. Avril Incandenza, der gruselige Über-Moms-Mutter des ganzen. Kein netter Traum. Sollte es sich bei diesem Buch (irgendwas hat Wieland erzählt von DFWs Mutter, was sehr passt) auch um so eine Jugendverarbeitungsliteratur handeln, wie sie inzwischen leider wieder überhand nimmt? Früher gingen die Jungs zum Therapeuten und ließen da viel Geld. Heute gehen sie zum Literaturagenten und kriegen viel Geld. Paradigmenwechsel! Ich geh jetzt nirgendwo mehr hin. Gute Nacht, geliebtes K. Gute Nacht, Udo Jürgens.
Eben noch geschlafen. Da steht die Feuerwehr bei uns im Flur. Drei Mann jeweils gefühlte drei Meter groß (macht neun Meter in summa, mit Helmen, die sie niedriger Flurdecke wg. abgenommen haben, und wie kondolierend vor sich halten). Sie lugen in den Topf, wo noch vor zwei Stunden, etwa um halb fünf in der Frühe, Linsen angesetzt wurden; das, bevor ich den angestellten Herd vergessen hatte und wieder ins Bett² gegangen war.
Jetzt: Kraterlandschaft (kohläschern) im verschmolznen Topf. Rauch all over the place. Anti-Spaß. Das Jahr meiner Linsbrunst.
SPOTTREDE DER FEUERWEHRLEUTE
Einer: „Da hat wohl jemand zu kochen versucht!“
Zweiter: „Das hätte Sie auch töten können!“
Sie ist das übermüdete Ich. Auch mich hätte es also töten können. So wie alles hätte töten können. Alles tötet, so redet Wallace. Kämpfen Helden (John Wayne) auch gegen die tötungsgeile Umwelt an – Doktor House bspw. ist sogar alles Feind, was eine Membran hat und in der Milzebene nachts die weißen Zellsiedlungen überfällt – wird zuletzt doch jeder und jedes, man errät es, getötet. Das ist doch ein schönes Strukturprinzip!
Ansonsten:
[…] aus dem Prinzen spreche bloß die Hefe (S.52)
Sobald die Hefe aus einem spricht, ist man eigentlich schon im dämonologischen Weltbild angelangt. Sei es in der pharmazeutischen oder intelligenzdämonischen Abteilung. Einen Normalzustand, also dass ein Mensch mal nicht als besessen, getrieben, enthemmt beschrieben wird, habe ich bisher selten ausmachen können. Bin ja auch erst bei etwa 5% des Lesepensums Stand: S. 78. Dämonische Automaten. Das „Dämonat“ wird dabei wie so eine Patrone den Figuren auf den Kopf gelegt, damit die ihren hysterischen Film fahren können. Ich rätsele: Woher kommt denn Hals zuweilen aufblitzende Normalität?
Außerdem:
Wo sind eigentlich die richtigen Frauen? Kommen die noch oder bleibt das so herrenlastig?
Nochmal Riesen:
Nach dem Abzug der Feuerwehr und inmitten der Karzinogene die Erweiterung des „Rheingold“-Personals: Neben Fasolt und Fafner hieß der dritte und dümmste und wasserköpfigste Riese Hirnold. Beim Deal mit Wotan war er unterwegs. Schlechte Zeitplanung. Abends hat er zwar die beiden Geniebrüder noch genervt, aber nix half: Er durfte nicht mitbauen! Noch vor dem Vorspiel machte sich Hirnold aus dem Staub.
¹ Rückkehr der Tradition: Sollte die katholische Kirche jemals auf ihr Erfolgsmodell Inquisition zurückgreifen, werde ich mein Patent „Linsenhaufen“ gerne der heiligen Sache überschreiben.
² Schlafanrufung im Philoktet:
Schlaf, der Schmerzen vergaß,
Schlaf, der Leiden nicht weiß,
Nahe mit sanftem Hauch,
Labe, labe ihn, Mächtiger!
Banne des Tages Glanz,
Der sein Auge umfängt,
Komm, o komme zu heilen!
Kates Geschichte ist die erste, an der ich länger hängen geblieben bin. Seite 99ff.: Katharina A. Gompert, genannt Kate, ist 21 Jahre alt, stammt aus Newton, Massachusetts und arbeitet als „Datenbankangestellte“ in einer Immobilienfirma. Sie leidet an unipolaren Depressionen und hat bereits zwei Selbstmordversuche hinter sich. Diesmal hat sie es mit einer Überdosis Tabletten probiert.
Kate hat zwei Tage auf der Intensivstation verbracht und ist anschließend in die Psychiatrie verlegt worden. Ein junger Arzt besucht die Patientin in ihrem Zimmer und wird angenehm überrascht. Alles ist wie in einem Lehrbuch. Bereits die Haltung, in der Kate auf ihrem Bett liegt, „die Knie an den Leib gezogen und die Hände um die Knie gefaltet“, gleicht einer Illustration auf dem Titelblatt eines psychiatrischen Standardwerkes. Der Arzt macht sich Notizen zu ihrer fehlenden Mimik, er stellt befriedigt fest, dass die Zähne der Patientin „die von klinisch Depressiven traditionell vernachlässigte Dentalhygiene bekunden“ und dass er ihr vom professionellen Standpunkt aus nur zustimmen kann, als sie über ihre Gefühle während ihrer letzten Krise spricht: „Angst macht einen Großteil der Panikattacken aus.“
Kate ist also eine Musterpatientin, und vielleicht kann man diesen Abschnitt als raffinierte, selbstbezügliche Parodie auf das Verhältnis der Kritik zur Literatur lesen. Ein Literaturkritiker ist ja genau wie der junge Arzt in diesem Kapitel stets entzückt darüber, wenn das Buch, mit dem er sich gerade beschäftigt, seine Erwartungshaltungen erfüllt. „Unendlicher Spaß“ ist in diesem Sinne ein äußerst angenehmer Fall, da dieses Buch mit seiner fragmentierten Handlung, seiner Vielzahl von Stimmen und seinem pseudowissenschaftlichen Apparat auf den ersten Blick vieles von dem zu bestätigen scheint, was ein postmodernes Werk ausmacht.
Gleichzeitig ist dieser Roman einem Berufsleser beziehungsweise einem „literarischen Gutachter“ weit voraus. Gut möglich, dass dieser Text jede noch so gewagte literaturkritische Diagnose bestätigen wird, ohne dabei wirklich etwas von sich preiszugeben – genau wie Kate, die die Standardprozedur eines Erstgespräches auf der psychiatrischen Station gut genug kennt, um bei Bedarf die passenden Symptome zu jedem Krankheitsbild zu liefern: „Ich mach das ja schließlich nicht zum ersten Mal.“
Zuletzt bekommt sie im Übrigen, was sie will, nämlich eine Elektrokrampftherapie: „Ich möchte Schocks.“ Die Frage (die Georg Klein schon vor einigen Tagen angedeutet hat) ist die: Was wird dieses Buch irgendwann von uns verlangen?
Heute ist ein etwas lahmer Tag. Ich verhandele mit meinem Mitbewohner über die Lieferung Holz, die am 7. September kommen wird. Er ist Vorratskäufer, ich Aufbraucher. Im Keller ist noch Holz für mindestens drei Monate. Gut, der Winter wird wie immer hart, und wir werden länger als drei Monate heizen müssen. Er hat gewonnen.
Vorgestern habe ich wieder Zigaretten geraucht. Erst eine, dann zwei, dann drei, dann vier, am Ende waren es fünf, und gestern auch. Heute noch keine, aber der rechte Versuch aufzuhören ist, denke ich, vorerst gescheitert und wird auf das Wochenende, an dem ich zu meinem Vater fahre, verschoben.
Im U.S. habe ich mit gemischten Gefühlen gelesen. Eine Passage wie die über das Subjekt Orins, das sich eine Patrone über Schizophrenie anschaut, bzw. die Passage über diese Patrone, ist reine Angeberei, über die ich einfach hinweglese (S. 70). Das kommt öfter vor. Hochspezielles technisches Fachwissen, das selbstgenüsslich ausgebreitet wird, erfunden oder nicht, ödet mich eher an. Passagen rauschen vorbei. (Neulich hatte ich eine Diskussion mit dem Lyriker Jan W. darüber – es ging um Moby Dick. Was er an dem alten Wälzer sehr gut, nachgerade fantastisch fand, nämlich die kapitellangen Ergüsse über den Walfisch und den Walfang als solchen, war für mich Anlass, die Lektüre angeödet einzustellen.) Ähnlich, aber doch anders erging es mir mit den Drogenpassagen bei DFW und den entsprechenden Fußnoten. Vielleicht liegt mir da das Thema näher? Wiederum langweilig: Die Erklärung der unterirdischen Architektur der E.T.A., was nicht am Thema, sondern an der Umsetzung liegt, wie ich dachte: Das hätte Robbe-Grillet besser gekonnt. Verblüffend dann, dass DFW später zu einer Anekdote greift, die mir als „Urban Myth“ oder „Yucca-Palmen-Geschichte“ bekannt ist. Der Drogensüchtige Don Gately bricht im Haus des Richters ein, um sich zu rächen, hinterlässt aber nichts weiter Bemerkenswertes, bis er später die Bilder schicken lässt, auf denen er und sein Komplize die Zahnbürsten des Richters im Arsch stecken haben. Kommentatoren aufgepasst: Kann DFW als Erfinder dieser Geschichte gelten? Oder ist die Geschichte eben schon viel länger kurrent? Ich kann mich leider nicht erinnern, wann ich sie zum ersten Mal gehört habe, aber das ist bestimmt schon zehn Jahre her (in einer Schwestergeschichte ging es um Sperma in einem Döner Kebab).
Mein Mitbewohner arbeitet als Barkeeper. Gestern feierte jemand Geburtstag in seiner Bar. Und bekam u.a. U.S. geschenkt. Soll sich gefreut haben. (Stand: S. 97; muss aber noch die Fußnoten 24 und 25 lesen.)
Auf der A9. Seit drei Stunden stehen wir hier herum in ganz viel Gegend. Schweres Räumfahrzeug fährt orangelichternd durch die Nacht an uns vorbei. Es ist 3.30 Uhr. Kein Kilometer vor uns raucht es in der Nacht. Es ist still. Ein bestirnter Himmel. Halbmond. Tanz der roten Warnlampen von Windkraftanlagen im Dunkel. Musik: Charlie Hadens „Nocturne“. Getränk: Coke Zero.
Hals Familie wächst. Nach Bruder (Orin) und Vater („Er selbst“) und Mutter („die Moms“ im Familienschnack) nun ein bucklicht Männlein mit riesigem Schädel, mit dem Hal sich sein Zimmer teilt. Bruder Mario. Wenn das hier ein Familienroman werden soll, dann der komplette Gegenentwurf zu dem von Jonathan Franzen. Das ist Realismus auf Speed. Irgendwie.
Wann spielt das eigentlich? Und in welchem Land? Im Jahr der Inkontinenz-Unterwäsche taucht jetzt jedenfalls ein Gesundheitsattaché auf, der einen arabischen Prinzen behandelt. Der Prinz ernährt sich nur von Toblerone, was schlimme Folgen hat. Und endlich kommen wir dem Rätsel der seltsamen Jahresnamen näher. In dem Amerika des unendlichen Spaßes werden die Jahre kommerziell verwaltet, heißen nicht mehr langweilig 2009 oder so, sondern nach Sponsoren. Und jetzt ist eben die Inkontinenz-Unterwäsche dran, mit der fatalen, aber sehr lustigen Folge, dass auch die Freiheitsstatue mit einer leuchtenden Erwachsenenwindel angetan vor New York im Wasser steht. So viel muss man halt gar nicht an der Realität drehen, um ihre Fratzenhaftigkeit hervor zu holen. Der Gesundheitsattaché schläft langsam vor dem Teleputer ein, der „auch die spontanen Disseminationen der InterLace Impuls-Matrix auf Subskriptionsbasis“ empfängt. Klingt wiederum wie Premiere auf Speed, aber Premiere heißt ja jetzt auch anders. Twix. Nein, Sky. Blöder Scherz.
Der Gesundheitsattaché schläft ein. Das tät ich auch gern, aber ich muss noch zwei Stunden fahren, wenn die vorne das brennende Ding endlich gelöscht haben. Schluss mit lustig, das „Jahr der Dove-Probepackung“ beginnt. Der Roman irrlichtert weiter. Und DFW hat das Sprachgewand gewechselt, wie ich eben Jonny seine Windel. Sozialerbrennpunktdeutsch (ich verneige mich zum ersten und garantiert nicht letzten Mal vor Ulrich Blumenbach und seiner meisterhaften Übersetzung, der ich alle Preise wünsche, die Harry Rowohlt schon hat). Eine Ich-Erzählung von Wardine und Roy Tony. Gruselig. Blutig geprügelte Kinder, von Erwachsenen sexuell verfolgt. Und weiter geht’s bruchlos zu einem gewissen Bruce Green, von dem ich nicht weiß, was der hier soll, außer, dass wir wieder ganz unten sind in der Trailergesellschaft des amerikanischen Abschaums und bei einem, für den das Leben im Moment eine einzige große Party ist.
Zurück in die Inkontinenz-Unterwäsche. Hal und Mario. Unterhalten sich über Hals letzten Sieg und Gott und dessen eher lockeren Managementstil. Und einen Witz: „Was bekommt man, wenn man einen Menschen, der an Schlaflosigkeit leidet, einen widerwilligen Agnostiker und einen Legastheniker kreuzt?“ – „Man bekommt jemanden, der sich die ganze Nacht die Frage um die Ohren schlägt, ob es einen Nebel nach dem Tod gibt.“ – „Der war gut“, sagt Mario. Pause. „Du, Hal, was ist ein Stegaleniker.“ DFWs Licht gleitet noch kurz über den Gesundheitsattaché und dann hinüber zu Orin. Jetzt ist aber gut. Jetzt geht’s weiter. Nach vorne. Nach Haus.
S. 99 – am Tag der Manner Schnitte
als Belohnung für das fristgerechte Absolvieren des Wochenpensums. Was ich an Erfahrungen mitnehme? Der kommende Abschnitt wird in mir einen veränderten Leser vorfinden. Soviel steht fest. Die ersten paar Seiten trafen mich spröde an, die darauf folgenden als jemanden, der hin und wieder ein Schmunzeln hinbekommt, bis mich der Text dort hatte, wo ich vorübergehend glaubte, er wolle jeden und jede haben (ich begann mir Notizen zu machen, Namen, komische Worte herauszuschreiben, ich habe mich bei dem Gedanken ertappt, einen Überblick hinsichtlich der wechselnden Jahre zu erstellen). Zuletzt bin ich einmal eingenickt, was unzweifelhaft an mir lag.
Die kommenden Seiten werden in mir mit einem anderen Leser vorliebnehmen. Sämtliche Zusatzbemerkungen wurden ausradiert, Listen zerrissen und außertourliche Gedächtnisleistungen dem Vergessen überantwortet. Was davon übrig ist, möge während des Wochenendes verpuffen. Durch die verbleibenden 1.446 Seiten (Anmerkungen inkl.) werde ich driften; ohne Zusatzversicherung, ohne Netz, bestenfalls werfe ich mein eigenes aus, um es einzuholen, wann immer mir danach ist. Was sich darin verfangen hat, wird hängen geblieben sein. Früher oder später würde mich die geballte, miteinander verknüpfte Zusammenhanglosigkeit ohnedies vom Weg abbringen, warum mich dann nicht aus eigenem Antrieb in unvorhergesehenen Nischen verlieren.
27. August 2009
In der Nacht schlich Don Gately ums Sommerhaus. Ich sah mich schon geknebelt auf dem unbequemen Kirchenstuhl, den G.s Mutter vor einem halben Jahrhundert beim Trödler gekauft hat, als sie dieses Haus einrichtete und auf denen man nicht länger als die Dauer eines protestantischen Gottesdienstes sitzen kann, während Don Gately unsere Computer klaut, und ich wegen dem Klebeband, das sein Kompagnon in der zweiten Küchenschublade gefunden hat, nicht schreien kann: „Lass uns wenigstens die Datei mit den Ufa-Filmrecherchen und den Berichten der Hauptluftschutzstelle, damit wir diese Scheiß-Arbeit nicht noch mal machen müssen“, wir haben natürlich versäumt, die Dateien auf irgendwelchen USB-Sticks abzuspeichern. Es stellte sich dann aber heraus, dass die Taschenlampe, mit der er die Lage erkundete, nur ein Blinklicht des Laptops war, das anzeigte, dass der Akku lädt.
Ich hasse diese entsetzliche Stille in der Nacht hier.
Die Frage ist ja an dieser Stelle des Buches (und ich vermeide alles, was mir erzählen könnte, wie es weitergeht, lese keine Rezensionen, keine Lektüreerlebnisse der anderen, kenne die amerikanischen Fanseiten nicht und ich kann mich auch nicht selbst belügen, weil ich hier nur ein analoges Modem mit 45 Bit Übertragungsrate habe), wie James O. Incandenza seinen Film „Unendlicher Spaß“ I-V überhaupt fertig stellen konnte. Eigentlich hätte seine Todesart doch sein müssen, beim Directors Cut von seinem eigenen Film überwältigt zu werden, anstatt Selbstmord zu begehen.
In der schlaflosen Nacht bin ich gefangen in der Szene mit den Konsumenten von Unendlichem Spaß, die am mittleren Nachmittag des 2. April im J.d.I.-U. gefunden werden – in der Unendlichkeit einer Filmschleife. Die Geschichte ist ja nicht neu: Es ist die von dem Bauern, der den Jockel bittet, Hafer zu schneiden, der aber lieber zu Hause bleiben will und also der Herr den Knecht schickt, den Jockel zu holen und weil der nicht wiederkommt erst den Hund, dann den Knüppel, das Feuer, das Wasser, den Ochsen, den Fleischer, den Geier, die Hexe und den Henker. Und am Ende geht der Bauer selbst und findet allesamt vor dem Teleputer und wenn der Bauer schlau ist, kappt er den Strom, bevor er selbst einen Blick geworfen hat, sonst ließe sich die Geschichte ja auch gar nicht erzählen, weil keiner mehr da wäre, der Zeugnis ablegen könnte.
Heute habe ich nicht mehr geschafft als das Morgentraining der Enfield Tennis Academy. Es riecht nach alten Tennissocken.
1996 erschien »Infinite Jest« in den USA und machte David Foster Wallace über Nacht zum Superstar der Literaturszene. Vor einem Jahr nahm sich David Foster Wallace das Leben. Sechs Jahre lang hat Ulrich Blumenbach an der Übersetzung von Wallaces Opus magnum gearbeitet, dem größten Übersetzungsprojekt in der Geschichte des Verlags Kiepenheuer & Witsch.
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