Vorläufig hat mich der Abschnitt, in dem James Incandenzas Vater seinem Sohn (im Winter 1960) schildert, wie, aufgrund eines (offenbar nur zufällig) gewitzt platzierten Balls seines Gegners auf dem Tennisplatz, für ihn weder etwas aus einer viel versprechenden Karriere als Profispieler noch aus einem intakten Verhältnis zu seinem eigenen Vater, James’ Großvater, wurde, besonders beeindruckt. Vielleicht weil ich ihn zuletzt gelesen habe. Ebenso beeindruckt wie verwirrt, weswegen ich lange darüber nachgedacht habe, ob der Stopball auf Seite 238 wohl etwas anderes ist als der Stoppball auf Seite 239. Grundsätzlich wäre das ja vorstellbar. Dieser Gedanke, der ein wenig davon verrät, wozu dieses Buch imstande ist, brachte mich auf James Incandenzas 52. Filmarbeit (in der Übersetzung) „Wie Anno dazumal.“, der sich auf dieses Ereignis zu beziehen scheint und ihm 181. Minuten Film widmet. Als ich die Liste mit Incandenzas Filmen erstmals sah, habe ich mir kichernd vorgestellt, wie der eine oder andere Plot wohl von diesem oder jenem Regisseur inszeniert wirken würde. „Bei Anruf Wollust“?

2 Kommentare zu Meine Filme sind nicht ein Stück Leben, sie sind ein Stück Kuchen (Alfred Hitchcock)

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Stephan Bender

10. September, 2009 um 14:38

„Bei Anruf Wollust“ – ich grübele auch schon die ganze Zeit darüber nach, was uns DFW nun wirklich mit der Filmografie sagen wollte.

Ich persönlich glaube, dass es aus Sicht des Zuschauers (!) einige Stufen der Filmentwicklung gab.
1. Die frühe Stufe, in denen man Zuschauern etwas zeigte, was sie nie zuvor gesehen hatten (z.B. Löwen in der Serengeti, Wochenschau etc.)
2. Dann gab es den Spielfilm, der das Theater ersetzte. (z.B. „Die Katze auf dem heißen Blechdach“)
3. Dann kam der problematische Spielfilm, der den Zuschauern eine Menge Therapien ersparte. (z.B. Hitchkocks „Marnie“)
4. Dann gab es den Autorenfilm, der ausschließlich zeigte, was der Filmer sah (z.B. „Der Himmel über Berlin“ von Wim Wenders)
5. Blockbuster aller Art („Titanc“)
6. Filme, die offen Sex zeigen, und zwar also solchen (z.B. „Antichrist“)
Ist nicht vollständig, aber…

Die Menschen filmen sich mittlerweile selbst beim Sex, und damit ist der letzte Akt dessen, wo der Mensch zwangsläufig aktiv werden muss, zu einer passiven Genusshandlung degradiert. Wenn man sein eigenes Leben komplett verfilmt, wird man zum Objekt. Der objektive Mensch, der sich selbst am ‚Teleputer‘ beim Sex zuschaut, muss selbst keinen Sex mehr haben und wird damit zu jenem „menschlichen Gemüse“, der nichts mehr tut: „Infinite Jest“ eben…

Ich glaube, dass DFW uns mit dieser Filmografie, die ja letztlich ein Hauptbestandteil seines Wälzers ist, folgendes sagen wollte: Solange man im Film Menschen etwas zeigt, was sie vorher nicht kannten, ist die Sache informativ und damit produktiv. In dem Augenblick, in dem Menschen sich selbst (als Hauptdarsteller!) bei Dingen zusehen können, die ausschließlich von ihrem Unterbewusstsein gesteuert werden (Sex, Totschlag, etc.), hat der Mensch keinen Antrieb mehr, der ja vom Unterbewusstsein ausgeht. Das Gehirn wird „gelöscht“ (wie bei jener Elektrotherapie), der Antrieb des Menschen entfällt und er wird willenlos.

Ob der konkrete Betrachter seines eigenen Aktes damit allerdings im darwinistischen Sinne aus dem Lebenskreislauf zu Recht ausscheidet, wage ich nicht zu beurteilen… :-)

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Clemens Setz

11. September, 2009 um 17:01

Irgendwo habe ich die Behauptung gelesen, die Szene von S. 42-48 (Hal geht zum „professionellen Konversationalisten“, der sich am Ende als sein verkleideter – und wohl schon ziemlich weggetretener – Vater herausstellt) sei in Wahrheit keine Folge von Himselfs Wahnsinn, sondern eine echte Szene eines seiner Filme (Drame trouvé?) und in der Tat findet sich ein Film namens „Es war ein großes Wunder, dass er im Vater war, ohne ihn zu kennen“ gegen Ende der Filmographie in Fußnote 24. Aber dieser Film kann nicht gemeint sein, denn in der Filmographie stehen doch die Schauspielernamen in Klammern, Watt (Beckett-Zitat? – Honi soit qui symboles y voit!) und Smothergill.

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Über das Buch

1996 erschien »Infinite Jest« in den USA und machte David Foster Wallace über Nacht zum Superstar der Literaturszene. Vor einem Jahr nahm sich David Foster Wallace das Leben. Sechs Jahre lang hat Ulrich Blumenbach an der Übersetzung von Wallaces Opus magnum gearbeitet, dem größten Übersetzungsprojekt in der Geschichte des Verlags Kiepenheuer & Witsch.
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