Ich verbleibe bei der einmal festgestellten (oder von mir zugewiesenen) Form der Gegensätze als einer Bestimmung des Unendlichen. Dementsprechend habe ich mir, nach Chaos und Kosmos, die nächste Dichotomie vorgenommen: Konzentration und Zerstreuung.

Beide Begriffe lassen sich unter verschiedenen Aspekten betrachten. Zuerst natürlich in der Physik. James Incandenza war in seiner ersten Karriere „mehr oder weniger bester Mann für angewandte geometrische Optik“ (S.92), hat dann mit Straßenlaternen und Hologrammen Geld verdient und ist schließlich zum Filmemacher avanciert. Der Großteil seiner Produktionen scheint schierer Blödsinn. Die Filmographie in Fußnote 24 (S. 1420 ff.) verzeichnet Werke mit Titeln wie „Hennen rennen“, „Das Universum keilt aus“. Selbst der Erzähler ist nicht von der Qualität überzeugt: „allerdings war ein Großteil davon … zugegebenermaßen überheblich, abgeschmackt und grottenschlecht“. Nicht wenige Filme sind unbetitelt, unvollendet, unveröffentlicht und ungesehen (fehlt nur noch ungenießbar). Bis auf seinen letzten: „Unendlicher Spaß“. Der scheint sogar das genaue Gegenteil der anderen zu sein, so faszinierend, dass der Betrachter den Blick nicht mehr abzuwenden vermag.

Selbstverständlich kann man mit den Begriffen Konzentration und Zerstreuung auch Gesellschaftstheorie betreiben und Theorie des Individuums. Wir leben in einer Gesellschaft, so scheint es, in der Zerstreuung und Ablenkung so sehr an der Tagesordnung sind, dass wir manchmal gar nicht mehr wissen, wovon wir uns da ablenken. Gibt es, inmitten dieser unzähligen Möglichkeiten zur Ablenkung, überhaupt noch ein Zentrum? Wenn Genuss und Glück Formen von Konzentration sind, wenn es dabei also einen Kern gibt, dann ist der Spaß womöglich die Ablenkung von diesem Kern. Ist die Vorstellung eines Zentrums, sagen wir, dort, wo der Mensch in sich ruht (ich sage nicht, dass er dort mit sich identisch ist), überhaupt sinnvoll?

Eduard Kaeser beschreibt in einem schönen Artikel in der NZZ das gesellschaftliche Phänomen der Ablenkung oder Dezentralisierung. Technik, heißt es dort frei, aber nicht so frei, dass man ihn nicht noch durchhören könnte; frei nach Adorno heißt es dort „Technik ist das Problem, für dessen Lösung sie sich hält.“ Beispielhaft dafür sei die Arbeit am Computer, die scheinbare Fähigkeit der Nutzer moderner Medien zum Multitasking. Mit zwanzig offenen Fenstern sind wir überall gleichzeitig. Damit beschreibt Multitasking eine zerrissene und zerstückelte Konzentration, für die Eduard Kaeser den schönen Begriff des „cogitus interruptus“ hat. Die für mich zentrale Gedankenfigur dieses Artikels ist die Aufmerksamkeit, die als physisch verstandene Gegenwart beschrieben wird: „Die Erosion der Aufmerksamkeit […] ist im Grunde eine Erosion des erotischen Rumpfs unserer Kultur“. Die so verstandene Erotik ist vor allem Anwesenheit und Gegenwart. Zerstreuung verstehe ich in diesem Zusammenhang nicht etwa als die Unmöglichkeit, sich zu konzentrieren oder als Prokrastination. Sie ist vielmehr eine Art der Wirklichkeit zu begegnen, eine wirklichkeitsadäquate Methode.

Die Erwartung eines klassischen Plots in einer fiktiven Erzählung beschreibt bereits eine geordnete, zentralistische und konzentrische Vorstellung von Kosmos. Das chaotische und mobilierte Arrangement das DFW dem Leser präsentiert, ist dies gerade nicht. Wenn die Diagnose lautet, dass das Individuum zerstreut ist, müsste dann nicht die Behandlung lauten: mehr Konzentration. Aber ich glaube nicht, dass DFW beabsichtigt, der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten. Auch wenn die sich vielleicht in seinem Werk spiegeln möchte. Er ist kein Arzt, der eine Diagnose braucht, um dann die entsprechende Therapie einzuleiten. Wozu auch? Die einen, die Skeptiker, würden nach medusischer Manier erstarren, die anderen, die Hedonisten, nach narzisstischer ertrinken. DFW ist kein Arzt, sondern Künstler. Die Aufgabe des Künstlers ist nicht die Verbesserung eines Zustandes, sondern seine Gestaltung.

Ich möchte die Begriffe Konzentration und Zerstreuung im Folgenden vor allem als Stilmittel und Technik betrachten, als Kompositionsmerkmal dieses Romans. Dazu habe ich mir zwei Beispiele herausgesucht, an denen ich das Gesagte meine herauslesen zu können.

Das erste Beispiel dient der Illustration des allzu frühen Erreichens eines Ziels. Ein Junge kommt nach einem erfolgreichen Tennisturnier nach Hause, trinkt in der Küche Nesquick mit Natriumzyanid versetzt und kippt tot um. Sein Papi hört wie der Junge „aus den Latschen kippt“, rennt in Bademantel und Lederschlappen in die Küche, beatmet ihn und bekommt dabei etwas von dem zyanierten Nesquick in den Mund, kippt ebenfalls aus den Latschen und stirbt. Dann kommt die Mami in Schlammpackung und Flauschpuschen angerannt, beatmet den Papi, bekommt auch etwas von dem Nesquick ab und kippt natürlich auch tot aus den Latschen. Jeder andere Autor würde es vermutlich dabei belassen, nicht jedoch DFW, der fängt hier erst richtig an: „Und da die Familie sechs weitere Kinder in verschiedenen Altersstufen hat, die im Lauf der Nacht von Knutschterminen nach Hause kommen oder in kleinen Pyjamas mit süßen kleinen Stofffüßen unten dran die Treppe herabtappen, angezogen von den Geräuschen des kumulativen Aus-den-Latschen-Kippens, sowie, sollte ich hinzufügen, gelegentlichen qualvollen Gurgellauten, und aber da alle sechs Kinder vierstündige, vom Rotary-Club gesponserte Erste-Hilfe-Kurse im YMCA von Fresno absolviert haben, liegt am frühen Morgen die ganze Familie da, blau angelaufen, und steif wie die Zaunpfähle, die im Todeskrampf verzerrten Münder mit inkrementell kleineren Mengen des tödlichen Nesquick verschmiert“.

Das Komische ist, dass alle neun Familienmitglieder nacheinander „aus den Latschen kippen“, blau anlaufen – außer der Mami, die nur da blau anläuft, wo sie nicht schlammfarben ist – und sterben wie auf einer Theaterbühne, kleine Kinder, die kaum laufen können, aber bereits die Mund-zu-Mund-Beatmung im Erste-Hilfe-Kurs erlernt haben, die immer kleiner werdenden Kinder, die sich nacheinander in der Küche beatmen und dabei immer kleinere Mengen des tödlichen Nesquick an den nächsten weitergeben (orale Tradition im besten Sinne), die dann ebenfalls tot aus den Latschen kippen; das Beschreiben dieser Latschen, von väterlichen Lederschlappen, über die mütterlichen Flauschpuschen zu den Kinderpyjamas mit den kleinen Füßchen unten dran, eine halbe Seite, wo man vor Lachen kaum noch Luft bekommt und genau das Röcheln und Ersticken spürt, das diese Familie ausgerottet hat. Dieses ausufernd Komische wird kontrastiert von kleinen Parzellen, „inkrementell“ kleinen Mengen von tödlichem Ernst: da ist die Rede von „gelegentlich qualvollen Gurgellauten“ und von „im Todeskrampf verzerrten Münder“.

Das zweite Beispiel bilden die Lebensgeschichten zweier Frauen, die anlässlich einer Versammlung der Anonymen Alkoholiker vorgetragen werden. Eine Frau erzählt, dass sie als Kind adoptiert und in der Familie mit einer schwerstbehinderten Schwester konfrontiert wurde. Die „wirbellose Katatonikerin“ (S. 535, ff.) wurde nur „Es“ genannt und war offenbar zu keiner menschlichen Regung fähig. Die Adoptivtochter wurde dennoch gezwungen, die Behinderte bisweilen mitzuschleifen. Wenn die Geschwister, die Sprecherin und ihre „submammale Eskorte“ (Mammalogie ist ein Teilgebiet der Zoologie, das sich mit Säugetieren beschäftigt), dann abends nach Hause kamen, wurde „Es“ vom Vater mit einer Raquel-Welch-Perücke verkleidet – der solchermaßen die bereits Entstellte noch einmal ent-stellte – und Nacht für Nacht vergewaltigte. Sowie er fertig war und lächelnd aus dem Kinderschlafzimmer verschwand, ging das Mädchen ans Bett ihrer missbrauchten Stiefschwester, nahm ihr die Maske ab und schloss ihr „liebevoll“ die gespreizten Beine. So grausam diese Geschichte ist, wird sie von der nächsten noch einmal übertroffen (543 ff). Hier berichtet eine Frau von ihrer Drogensucht und davon, dass sie Geld verdiente, indem sie anschaffen ging. Sie wurde schwanger, nahm weiterhin Drogen und verdiente weiter Geld. Bei der Geburt kam sie dann „mit der Spitze des Eisbergs der Verantwortung in Berührung“. Sie schleppte die Totgeburt, dieses „gesichtslose Etwas“, im brütendheißen August mit sich herum. Sie ging weiter anschaffen „denn alleinerziehende Mutterschaft hin oder her, sie musste trotzdem high werden und sie musste trotzdem tun, was sie tun musste, um high werden zu können, also hielt sie das in Decken gewickelte Baby in den Armen, wenn sie in ihren fuchsienfarbenen Samtminipants und dem passenden rückenfreien Oberteil sowie grünen Pfennigabsätzen auf den Strich ging“.

Beide Male haben wir Momente, die aus dem Fluss der Geschichten herausstehen, auf eine (zumindest mich) absolut verstörende Weise. Im ersten Fall wird das Geschehen von DFW lediglich mit dem Adjektiv „dysfunktional“ bedacht, eine dysfunktionale Familie nennt er das. Im zweiten Fall ist von „alleinerziehende[r] Mutterschaft“ die Rede und dann heißt es lediglich, dass die Frau auf „unglaublich schmutzige und entwürdigende Weise“ anschaffen ging. Gerade so, als wäre Prostitution nicht erniedrigend, sondern eine alltägliche und normale Art der Geldbeschaffung. Das Erniedrigende wird hier nicht einmal genannt: Es entzieht sich, vielmehr DFW entzieht es unserer Vorstellung. Und das bei einem Autor, der sich ansonsten alles vorstellen kann und auch alles benennt – der sogar die Kleidung der Frau beschreibt – und der höchst detailliert das Sterben von Lucien Antitoi schildert, dem ein angespitzter Besenstiel in den Mund gerammt und dann durch seinen ganzen Körper hindurch geschoben wird bis er am Anus wieder austritt.

(Obwohl mir in der Regel gefällt, was Herr Niemann sagt, aber in dieser Situation kann ich das Ironische nicht erkennen, möglicherweise ist das auch, wie soll ich’s nennen?, ein Gewöhnungseffekt. Ich habe nie zuvor eine derartige Szene gelesen. Liest man so etwas häufiger, könnte es als Zitat oder als Übertreibung verstanden werden, was dann möglicherweise ironisch wirkt.)

Mit den Worten „dysfunktional“ und „entwürdigend“ hier und mit „qualvollen Gurgellauten“ und „Todeskrampf“ dort, baut DFW einen deutlichen Kontrast zwischen dem Textfluss und einzelnen herausragenden Worten auf. Diese herausstehenden, verstörenden Worte möchte ich als Inseln der Konzentration bezeichnen. Das ist nicht nur eine kontrastierende Technik. In diesen Worten verdichtet sich etwas, eine Vorstellung die wir haben. In den genannten Fällen hält der Leser kurz irritiert inne. Er wäre kaum irritierter, wenn diese Szenen ausführlich beschrieben würden. Im Gegenteil, die Irritation erreicht durch diese winzigen Parzellen eine erhebliche Dichte. Durch den Kontrast entsteht beim Leser etwas wie ein Schock. In dem komischen Sterben der neunköpfigen Familie sind die Todesqualen der einzelnen Individuen ausgesprochen präsent. Die Knutschtermine und die Pyjamas mit den kleinen Stofffüßen der die Treppe herabkommenden Kinder gehen einem nicht aus dem Kopf.

Eine ähnliche Technik, anders akzentuiert, doch mit demselben Ziel, nutzt DFW in jenem Textstück, das beginnt mit den Worten „Folgende Dinge im Raum waren blau“ (S. 734 ff.). Das lässt er auf den nächsten dreißig Seiten einfach mitlaufen. Bisweilen wird etwas Blaues erwähnt. Es scheint nicht weiter wichtig und dennoch strukturiert er durch diese Beiläufigkeit den gesamten Abschnitt. Hier findet die Konzentration durch ein einzelnen Wort statt: Blau. Beliebt ist auch der Kontrast von elaboriertem Idiom mit Umgangssprache oder Dialekt. Auch das Abbrechen von Sätzen dient diesem Kontrast, usw. etc. pp.

In solchen Kontrasten entsteht eine besondere Qualität. Zerstreuung ist hier nicht als gesellschaftliche oder individuelle Krankheit verstanden und auch nicht als literarische. Die Weitläufigkeit seiner Erzählungen und Geschichten und die Detailliertheit – das Zerstreuende – das hat noch eine andere Ebene. All diese Leute haben eine Geschichte. Nach jedem, dem wir hier begegnen, dreht sich der Autor kurz um. Alles und jedes ist ihm ein Wort wert. Jeder Krüppel, der durch dieses Buch kriecht, und da wird viel gekrochen, hat seine Geschichte. Und diese Geschichten sind erzählenswert. Selbst dann, wenn der Erzähler hinterher kriechen muss. Dies empfinde ich als sehr human. Das mag durchaus einen manischen Zug haben. Aber so wenig wie ich glaube, dass es Aufgabe des Künstlers ist eine Therapie der Gesellschaft einzuleiten, so wenig glaube ich, dass es die Aufgabe des Lesers ist, eine des Autors vorzunehmen.

Auch darin steckt wieder dieser Zug ins Unendliche, ins Unfassbare und Unvorstellbare. Und das hat DFW ja oft, dass er alles steigert, bis ans Unvorstellbare heran, bis an die Grenzen des Erträglichen („unglaublich schmutzig und entwürdigend“) von dem ich in meinem ersten Beitrag gesprochen habe. Das ist vielleicht genau jenes „Zuviel“ von dem Herr Wedler in seinem Beitrag „Nach 800 Seiten …“ spricht. DFW brauche immer dieses „zu viel der splitternden Knochen, der blitzenden Messer, der Augenhöhlen perforierenden Pfennigabsätze. Das Zuviel, das den ganzen Roman durchzieht und immer etwas Distanz schafft zur fiktiven Realität, als ließe sich diese, vielleicht vor allem für den Autor, so besser ertragen: als Groteske, als ein Lächeln bei aller Betroffenheit.“ Möglicherweise reden wir vom selben Phänomen. Das Lächeln in der Betroffenheit, der Ernst im Gelächter oder das Unverstandene und Rätselhafte, das aus der Grausamkeit herausholt. Eine Distanz zum Fluss der Geschichte, in die man gut eintauchen kann. Man kann sich mitreißen lassen von dieser Zerstreuung, es liest sich fast alles sehr locker. Und immer wieder stößt DFW uns dann vor den Kopf. Er rüttelt an seinem Leser, dass der ihm bloß nicht verloren gehe in all der Zerstreuung. Und er verdirbt ihn uns auch immer wieder, diesen nahezu unendlichen Spaß.

(Konzentration, Verdichtung, Zerstreuung: Diese Diskussion wird möglicherweise gerade von Herrn Wedler und Herrn Hamann angefangen; ich hoffe, sie wird angefangen, dann komme ich auch noch dazu. In diesem Zusammenhang ist eine Bemerkung Steeplys interessant, im Zusammenhang mit dem Film „Unendlicher Spaß“. Er vermutet, „dass Dichte plus Realismus zu viel sein könnte“ (S. 709). Eben dies sind, wenn ich richtig verstehe, die Einwände gegen die Maßlosigkeit des Textes.)

„Der erotische Rumpf unserer Kultur“, das waren die Worte von Eduard Kaeser aus dem eingangs zitierten Artikel. Permanente Höhepunkte hält niemand aus. Der größere Teil ist eben Zerstreuung. Das bedeutet aber noch keine Dezentrierung, solange wir uns bisweilen dieser erotischen Konzentration erinnern (und befleißigen). Der Film „Unendlicher Spaß“ ist im Grunde pervers: unendliche Schönheit, unendliche Lust, permanent witzig, permanent brutal oder lustvoll, ununterbrochene Dichte und Intensität: das hält kein Mensch aus. Unendlichkeit übersteigt unser Fassungsvermögen. Unendlichkeit übersteigt, was ein Mensch begreifen kann: wir können nicht unendlich Lust empfinden, kontinuierlich Höhepunkte aneinander reihen, sondern nur bisweilen, als kleine, konzentrierte Punkte in einem ansonsten eher weitläufigen, lustfernen und oft auch lustlosen Raum. Wir halten es nur aus, wenn wir das als kleine Inseln und Parzellen betrachten, in einem allgemeinen Strom der Zerstreuung. Aufmerksamkeit ist von Natur aus selektiv, nicht permanent. Die als Erotik verstandene Anwesenheit ist keine ununterbrochene Aufmerksamkeit, sondern ein Verhältnis von Konzentration und Zerstreuung. Diese Verhältnisse können sich verschieben. Es gibt sicherlich Grund zur Klage, aber geklagt wurde schon immer. Wer sagt denn, dass wir uns von einem guten Zustand wegbewegen, hin zu einem schlechten? Wie ist denn der gute Zustand von gestern entstanden, der ja vorgestern auch schon beklagt wurde? Wenn Wirklichkeit nicht länger als ein Kontinuum erlebt wird, muss sich die Wahrnehmung, um diese Wirklichkeit zu erleben, den veränderten Verhältnissen anpassen. Aber war unser Verhältnis zur Wirklichkeit vor dem Computer und dem Multitasking tatsächlich ein besseres, will heißen, wirklichkeitsadäquateres? Und wer sagt, dass die Übereinstimmung von Wirklichkeit und Erleben gut ist? Vielleicht wäre eine größere Differenz sogar aufregender. Erotischer wäre sie allemal.

Ich habe das vor nicht langer Zeit an anderer Stelle zitiert und ich zitiere es jetzt noch einmal, weil es mir gut gefällt und weil es die Sache, die ich hier verhandele, den Versuch die Unendlichkeit durch zwei Gegensätze zu bestimmen, sehr schön trifft, ein Zitat von John Locke: „Glück und Unglück sind zwei Zustände, deren äußerste Grenzen wir nicht kennen.“

40 Kommentare zu Konzentration und Zerstreuung

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Aléa Torik

22. Oktober, 2009 um 08:51

Guten Morgen Herr Jerkoff!

Ich hoffe, Sie haben gut geschlafen und Sie haben sich von den Strapazen Ihres letzten Kommentars einigermaßen erholen können!

Ich will Ihnen im Folgenden kurz Ihre Situation vor Augen führen. Ich habe den letzten Ball, den Sie mir zugeschlagen haben, mit der Rückhand retourniert, aber wenn ich das richtig gesehen habe, hatten Sie zu dem Zeitpunkt das Spielfeld bereits verlassen. Während Sie schliefen, haben wir den Court gewechselt. Das neue Spielfeld liegt vor uns, wie von mir oben skizziert.

Vielmehr liegt es nicht vor uns, sondern wir sind mittendrin. Wir stehen uns auf dem Court gegenüber, die Tribüne ist gut besetzt. Wir beide sehen uns auf die Entfernung in die Augen. Und wir begreifen beide, dass wir auf uns gestellt sind. Jetzt können uns nur noch Ehrgeiz und Talent helfen. Die beiden Spielhälften liegen einander gegenüber – das ist ja meine These, die ich auch in meinen kommenden Beiträge verteidige, die gegenüberliegenden Seiten als Bestimmung des Unendlichen – folglich ist da eine Unendlichkeit zwischen uns, ein im weitestes Sinne cantorianisches Kontinuum – „cantorianisch und schön“ – eingegrenzt lediglich „von Talent und Imagination bei Ich und Gegner, auf sich selbst zurückgekrümmt durch die inkludierenden Grenzen von Geschick und Imagination, die den einen Spieler schließlich zu Fall brachten, beide vom Siegen abhielten und schließlich ein Spiel schufen, diese Grenzen des Ichs.“ (S. 119)

Sie können sich gerne Hilfe holen! Den Herren Wedler, Hamann und Niemann habe ich auch bereits Bälle zugespielt. Und die rechts auf der Seite auflisteten, arrivierten Schriftsteller und Schriftstellerinnen sind ja auch noch da.

Ich stehe auf meiner Seite, auf der Höhe der Grundlinie, in leicht vornüber gebeugter, angespannter Haltung. In meiner Rechten halte ich den Schläger. Ich federe elastisch in den Knien. Ich verlagere mein Gewicht rhythmisch von einer auf die andere Seite, den Schwerpunkt meines Körpers hin und her wiegend, jederzeit bereit.

Sie sind dran mit Aufschlag!

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Christian Wiegold

22. Oktober, 2009 um 17:48

Liebe Frau Torik,

ich danke Ihnen herzlich für diesen einprägsamen Beitrag. Schon im Titel zeigt sich ja vielmehr die Ambivalenz dessen, was sie später dann erst erläutern. Denn zerstreuen oder ausstreuen kann man schließlich nur das, was zunächst einmal in der Hand (oder unter der Hand?) gebündelt war. Ziemlich subtil spielen sie dabei auf einen zentralen Gedanken Kristevas an, bzw. die Lacansche Teilung von außen und innen, was nicht zuletzt deshalb nicht der Ironie entbehrt, da sie selbst ja hier schon einmal bekräftigen mussten, welchem Geschlecht Sie (wenn man so sagen darf) angehören und dass Sie sich also konzentrieren können. Kristeva hat ja dem Gleichen, wenn man es in einer Krafthülse versteht, eine Absage erteilt, zumindest in jenem Sinne, den Sie hier nicht ohne Duldsamkeit anbringen. Ich möchte aber hier nicht die Frage aufwerfen: ist Duldsamkeit etwas Weibliches/Inneres/Zerstreutes? Die Pointe liegt jedoch nahe: die Zerstreuung der Frau besteht (klischeehaft freilich) in der Konzentration des Mannes. Meine Deutschlehrerin hat uns früher, aufgrund ihrer schweizerischen Herkunft, immer, anstatt »konzentrieren Sie sich«, die Ermahnung erteilt, »festigen Sie sich«, eine Aufforderung, die mich zwar damals begeistert, aber nun schon lange assoziativ in a-mich-amourösen Klastenika, eher quält. Besonders gefallen hat mir ihre Beschreibung des »kumulativen« Aus-den-Latschen-Kippens. Stellen Sie sich das ruhig nochmal vor: Menschen kippen übereinander gestapelt, einer vom anderen angefeuert, aus den Latschen, bzw. ihr Aus-den-Latschen-Kippen wird gleichermassen zu einer Existenzform, die nur einen Haken hat: ihre Nichtexistenz. Hier klingt nun, weniger subtil, das hier schon häufiger diskutierte »pantomorphe Klauton« an, dessen Clou, als ein Klaton, eben in der Weise zu verstehen wäre, dass Herauskippen gleichzeitig Hereinlassen bedeutet, weniger allerdings der eigenen Latschen, als von einem genaueren »Nein« des Symbolischen, das eben schon Kristeva kenntnisreich benannte. Unbenommen klingt hier natürlich die Zisterne (cyanidd/cistern) mit, deren Grube ja auch nicht nur (semiotisch) das Trinkwasser, sondern eben auch Abwässer enthalten kann, die als Männlich zu entlarven eben nur noch solchen Kalebassen (semiotisch) gelingt, die sich solche Existenz tatsächlich ausgesucht hatten, bzw. in der Klärgrube heimisch waren. Semiotisch verstehe ich dabei lacansch die Latschen, die natürlich auch Laschen sein können (jedenfalls in der deutschen Übersetzung), also Haken, Öffner und Ohren. Semiotisch wäre also jene Zeichnung eines neuen, ausgekippten Fußes, den keine Latsche mehr hält, und demnach m.U. auch als Latschengebräu auf eine Klippe zurast, welche genau jenes LEBEN ist, dem man außer der blinden Tatsache (denken Sie an ihren »blinden Fotografen«) von der Klippe wieder herunterzuwollen, kaum etwas nachsehen kann. Semiose also als Blindheit vor einer Zerstreuung, die sich erst in dem Moment des Identitäts-Erreichens einer bloßen Auster, mit Kristeva »schürfen« läßt. Nichts anderes meint DFW mit dem »pantomorphen Klauton«.

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JesusJerkoff

22. Oktober, 2009 um 23:34

Überschneidungskomplikationen

Kalt erwischt, im Dart verloren und den Court nicht gefunden. Vielleicht sollte ich nicht soviel in diesem Buch rumlesen. Hatte aber ein excellentementetentontes Erlebnis in der zweiten Runde, bei einem „brauchenurnochdreibullundmachdasdannmitzweipfeilenwurf“, was mich aber nicht über die vier üblichen Dartrunden gebracht hat. Was Männer beim Darten machen ist hoffentlich selbsterklärend und vielleicht löscht ja ein gnädiger Webmaster diese Zeilen. Hicks!

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Aléa Torik

23. Oktober, 2009 um 11:25

Sehr geehrter Herr Wiegold!

Vielen Dank für Ihren abgründigen, assoziierenden, witzigen und belesenen Kommentar. Das ist sehr gut geschrieben, mein Kompliment.

Zu meinem letzten Artikel haben Sie bereits einen Kommentar verfasst, den ich etwas flapsig beantwortet habe. Ich konnte mit den beiden Sachen, die Sie mir vor die Füße geworfen haben, Heidegger und Nietzsche, nicht viel anfangen; mit Heidegger generell nicht und bei Nietzsche wusste ich nicht genau, worauf Sie anspielen. Jetzt werfen Sie mir erneut zwei Brocken hin und dieses Mal kann ich antworten.

Meine Muttersprache ist Rumänisch, das Deutsch stammt vom Vater. Ich habe also eine ödipale Bindung an die deutsche Sprache. Und da bin ich immer auf der Suche nach einem Ausdruck meiner selbst. Bei mir zu Hause (in meinem Blog meine ich) mache ich das so wie ich das will. Da rede ich wie mir das Maul gewachsen ist. Hier kann ich das nicht, oder ich meine jedenfalls, es nicht zu können. Ich bin nicht sehr zufrieden mit dem, was ich produziere. Das ist mir schon zu akademisch und zu intellektuell. Ich finde momentan jedoch keinen anderen Zugang. Ich will aber weitermachen. Ich will wissen, wie es weitergeht und ich will ebenfalls wissen wie das weitergeht, was da weitergeht.

Ich promoviere in einer geisteswissenschaftlichen Disziplin. Aber was ich wirklich will, ist Schriftstellerin werden (schön, dass Sie mich noch mal dran erinnern mit ihren Worten: denken Sie an ihren blinden Fotografen; glauben Sie mir, ich denke dran!). Und mit so einem Wunsch sollte ich auf die Worte achten, die ich wähle. Kriegen zum Beispiel ist kein schönes Wort. Dennoch benutze ich das Wort und sogar gleich doppelt, in meinem zentralen Antwortsatz auf Ihren Kommentar: Sie kriegen mich mit Kristeva nicht von hinten, weil Sie mich nicht einmal mit Lacan von vorne kriegen.

Die sexuelle Implikation dieser Äußerung werden Sie nicht überlesen. Man kann vielleicht noch mit Freud über Psychoanalyse reden ohne über Sexualität zu reden, aber mit Lacan kann man das nicht mehr. Sie haben sehr aufmerksam zugehört, als ich die Äußerung Lacans über die Nichtexistenz der Frau zu erklären versucht habe und das sogleich auf meinen obigen Artikel angewandt. Ich habe tatsächlich Lacan gelesen (es gab da ein wildes Seminar in Bukarest, wo die Fetzten geflogen sind, ich glaube kein einziger der damaligen Teilnehmer redet heute noch mit irgendeinem der anderen), aber ich bin keine Lacanianerin. Den kenne ich vom Angucken, das ist wahr. Julia Kristeva muss ich fürs Kolloquium lesen. Davon verstehe ich bis dato nahezu nichts, ich kenne sie also nicht einmal vom Sehen. Sie können mir da keine (ob produktive oder bloß adaptierende) Anwendung Kristevas vorhalten. Das heißt natürlich nicht, dass ich mich gegen Gedanken Lacans oder Kristevas wehre. So gesehen kriegen sie mich vielleicht doch, durch Auslegung dessen, was ich so von mir gebe. Aber das ist dann Ihre Aktivität. Ich bitte zu beachten, dass ich dann schon weg bin. Das ist dann nicht mehr als ein Akt der Gemeinsamkeit zu verstehen.

„Die Zerstreuung der Frau besteht in der Konzentration des Mannes“, so lauteten Ihre Worte. Beim Auseinandernehmen der Frau durch den Mann, beim Besteigen oder Beschlafen: Sie sollten versuchen, wenn Sie Lacan oder Kristeva mitbringen wollen, sich anderweitig zu konzentrieren. Sie krächten oder kröchten mich vielleicht mit Rilke und Celan, mit Proust und mit Jahnn. Aber das ist wohl nicht Ihre Art, Frauen rumzukriegen, oder?

Ich hoffe, Sie empfinden das jetzt so wie es von mir gemeint ist. Als Versuch einer Selbstvergewisserung meiner Person und als Anerkennung dessen, was Sie in Ihrem Kommentar vorgebracht haben. Denn das gefällt mir gut, was Sie schreiben! Es ist nur nicht meine Handschrift, sondern Ihre. Das müssen wir auseinanderhalten. Ich gehe mir jetzt, in Erwartung, dass Sie noch die eine oder andere spitze Bemerkung werden fallen lassen, schon mal die Fingernägel feilen!

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Aléa Torik

23. Oktober, 2009 um 11:26

Lieber Herr Jerkoff,

es scheint, als könnten Sie nicht auf Gnade hoffen. Gnade wäre der Versuch, sich aus der Verantwortung für seine Taten zu schleichen, ja, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Auf diesem Tenniscourt hier wird weder geschlichen noch gestohlen, Herr Jerkoff. Hier wird gerannt!

(was immer Männer untereinander/oder übereinander so machen)

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Iffland

23. Oktober, 2009 um 18:31

Liebe Aléa Torik,

an dieser Stelle ein großes Lob für Ihre wirklich schönen Beiträge, freue mich schon auf den nächsten! Und ein schnelles Dankeschön für Ihre Bender-Replik, tiefer, witziger und schneller als mein kurzes Gebell!

Beste Grüße

Iffland

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JesusJerkoff

23. Oktober, 2009 um 21:10

Liebe Frau Torik,

dann werde ich mich mal konzentrieren.

James Incadenza hat ja für sein filmisches Schaffen einiges einstecken müssen („Dem Gras beim Wachsen zusehen , während einem mehrmals ein stumpfer Gegenstand über den Schädel gezogen wird“ (Endnote 144)), glaubt aber immer noch, daß er es besser könnte, als andere und dieser Glaube, scheint mir, treibt ihn um. Alles streben nach Zerstreuung, er fordert die Konzentration, das Nachhaken, Hineindenken. Das will aber keiner „Normalo“, der Filme sieht. Auch kein Kritiker, der lieber (gewagte Vermutung) sich selber reflektiert, als das was er sieht. Da sitzen sie dann im „Witz“, sind intellektuell und avantgarde und bekommen dann, huch wie Lacan, einen Spiegel vorgehalten (gut, eine Leinwand). Nichts mehr mit jubilieren ob Selbsterkennung, nur noch Langeweile, weil man sich selber schon langweilt. Da schreibt auch der espressoblasendruckvertriebene Fachmann nichts Gutes. Aber immerhin findet er im „Drame trouvé“ den Ausweg. Nichts schön aufblasen, entsprechen platzieren und sich die Hände reiben, wenn alle darauf reinfallen.

„Cogitus interrupus“ für Multitasking. Ein glattes Ass.
Die Erosion der Aufmerksamkeit läßt sich allerdings auf soviele Lebensbereichte erweitern, daß ich es nicht auf die Erotik reduzieren würde, auch wenn mir klar ist, daß es schöner ist, über Erotik zu reden als meinetwegen den Tod.

Die Nesquick Geschichte wirft die Frage auf, wieso sich dieser unbenamte Junge die Karte umdekorieren will und wird dann slapstickartig überzogen, weil keine Antworten zu finden sind. Auf jeden Fall nicht auf die Frage wieso Mr. Wallace „inkrementell“ statt „dekrementell“ schreibt und mit dem „kleineren“ dann ein Oxymoron bildet. (Ja, der war drin!)

Die beiden kleinen Nebengeschichten sind deswegen so schrecklich ironiefrei, weil sie wahr sind, oder zumindest so weit an die Wahrheit rankommen, wie es möglich ist.
Ob Prostitution jetzt erniedringend ist oder nicht, kann immer nur die Person entscheiden, die sich prostituiert (wenn sie es frei entscheiden kann, das sei hier vorausgesetzt). Da empfehle ich Ihnen das persönliche Gespräch, Sie werden viel lernen.

Mit der „blauen Episode“ ist natürlich wieder die Zerstreuung da, die Alternative wäre ja, sich zu konzentrieren, Konsequenzen zu erdenken, an die man nicht denken möchte (insb. Pemulis) und abzuwarten, was sich ergibt.

Das mit der Übereinstimmung von Wirklichkeit und Erleben ist für mich nicht immer das vollauf Befriedigende (sh. Dart), aber immer noch besser, als eine vorherige Anspruchsüberfrachtung, die jegliches Erleben unmöglich macht.

John Locke? Ist das nicht der haararme Nichtmehrrollstuhlfahrer aus der Fernsehserie „Lost“, der so viele Messer mit sich rumschleift? Das dieser Ball ins Netz geht, war beabsichtigt, weil ich Ihnen doch noch sagen wollte, daß ich meinen Fernseher vor vier Jahren weggeschmissen habe und es mir seitdem viel besser geht. Leider werde ich jetzt von einer Institution verfolgt, die ähnlich der FLQ oder den AFR auch drei Buchstaben hat und aus rechtlichen Gründen hier unerwähnt bleibt.

Halten Sie mich auf Trab!

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Aléa Torik

25. Oktober, 2009 um 11:38

Lieber Herr Jerkoff,

ich danke Ihnen für den ausführlichen Kommentar, den Sie mir da hinterlassen haben und den ich eigentlich heute beantworten wollte. Aber jetzt ist mir bedauerlicherweise etwas dazwischen gekommen das ich vorziehen muss. Bei mir zu Hause, in meinem eigenen Blog, hat jemand zu meinem letzten Eintrag eine Bombe geworfen und damit mir nicht die Bude abbrennt, muss ich ja jetzt schnellstens reagieren. Da ich aber drüber nachdenken muss und da ich nicht schnell denken kann, dauert das vielleicht zwei, drei Tage.

Ich muss Sie also um ein wenig Geduld bitten. Sie bekommen selbstverständlich eine ausführliche Antwort. Unterdessen, damit Sie mich nicht zu sehr vermissen, habe ich eine kleine Aufgabe für Sie vorbereitet. Ich habe Ihren Kommentar gelesen, erfreut festgestellt, dann Sie inzwischen in Ihrer Wortwahl ganz auf die sportliche Art eingeschwenkt sind. Sie schreiben da zu einer meiner Äußerungen: „der war drin“. Wir sind hier nicht beim Fußball, wo ein Ball „drin“ ist. Wir sind beim Tennis. Und wenn da einer einen Punkt macht, dann weil der andere seinen Ball nicht im Spielfeld hat platzieren können. Der Ball ist nicht drin, sondern draußen (ich bin mir sicher, Sie werden irgendetwas finden, womit Sie mich noch belehren können: ich freue mich schon drauf!). Aufgabe ist also: Regelwerk auswendig lernen. Sie können sich da gerne an den Administrator dieses Blogs wenden, Herr Graf schickt Ihnen vielleicht den einen oder anderen Link zu. Ich frag das beim nächsten Mal ab.

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René Hamann

25. Oktober, 2009 um 14:31

Liebe Frau Torik, man müsste noch viel weiter denken, und noch viel mehr ausformulieren, aber irgendwie wird die Zeit knapp und ich habe schon wieder vier, fünf Tage GAR NICHT in das Buch geschaut. Dafür in andere. Aber egal. Ich wollte jetzt nur melden, dass ich auch diesmal von ihrer Analyse angetan war. Sie ist im Grunde richtig. Nur: So komisch konnte ich die besagte Nesquick-Szene zum Beispiel nicht finden. Das liegt unter anderem daran, dass mir Drastik im Humor eben schon durch unendlich oft geschaute Monty-Python-Patronen bekannt sind. Zum anderen hat man mit dem dritten Familienopfer das Prinzip dieser Steigerung kapiert: Und es gibt eben keine Verengung, keine Wendung, keine Verdrehung, sondern in der Folge einfach nur eine Wiederholung des bereits geschilderten Prozederes, womit dann diese Komik, dieses Zuviel, diese Übertreibung erreicht wird. Tarantino bspw. arbeitet da zuweilen ähnlich, aber tatsächlich geschickter: Mit der Armee der 88 rechnet man dann doch nicht, auch mit den Abgründen dieses Elektrofachgeschäfts, in das Bruce Willis reintorkelt, rechnet man nicht. Das ist wirklich drastische Komik. Finde ich jetzt. In der Literatur hat es Übersteigerungen beispielsweise bei Thomas Bernhard gegeben. Mich hat die Beschreibung auch nicht weiter verstört, schon gar nicht mittels der Vokabel „dysfunktional“. Gefallen hat sie mir, weil sie schön das Stereotyp treffend war und mit hübschen Wörtern wie „Knutschtermine“ daherkam. So weit einmal. Viele liebe Grüße,
René Hamann

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Aléa Torik

25. Oktober, 2009 um 19:46

Lieber Herr Hamann,

an dem, was Sie sagen kann man erkennen, wie sehr das Erleben kontextabhängig ist. Ich kenne weder Monty-Python-Patronen, noch Tarantino noch Bruce Willis. Ich kann dem Kino überhaut gar nichts abgewinnen, ich kann mit so vielen Bildern nichts anfangen. Das ist mir alles viel zu viel und viel zu schnell und vor allem viel zu schnell wieder weg. Ich mag es lieber, wenn ich noch mal zurückblättern kann. Ich war zwei Jahre mit einem Blinden zusammen, und das hat mich auf eine nachhaltige und irreversible Weise geprägt. Da gehen die Dinge ganz langsam, vor allem wenn ein Blinder vor dem Spiegel steht, das dauert. Wenn man solche lustigen oder brutalen Szenen schon oft gesehen und gelesen hat, dann reagiert man vielleicht eher übersättigt als ich, die ich bei der Nesquick Geschichte auf dem Boden gelegen habe vor Lachen. Und mir gefällt gerade diese Übersteigerung, dieses Absurde kleiner Kinder, die bereits die Wiederbelebung beherrschen, und die genau deswegen sterben müssen (zu viel Leben ist tödlich!?). Mir gefallen diese Extreme –ist ja auch meine These, irgendwann muss ich mich wohl entscheiden, ob ich nur noch diese These beweisen will, oder ob das noch die Beschreibung dessen ist, was Wallace wollte – weil ich meine in diesem enormen Zwischenraum, wie oben beschrieben diese kleinen Irritationen und Konzentrationen ansiedeln zu können.

Mir geht es gar nicht um die Person Wallace. Ich habe keinen Personenkult. Mit dem Wort Genie bin ich vorsichtig. Der Mann hat sich umgebracht, das ist keine sonderlich geniale Tat (zu viel Leben ist tödlich!?). Genies sind die, die das Leben aushalten. Ich weiß nicht wie es sein wird wenn ich alt bin, wenn ich Schmerzen habe etc. Und ich weiß auch nicht wie klinische Depressionen sich anfühlen, sicher anders als die Melancholie die jeder manchmal spürt. Mir geht es nur um die Literatur. Und da macht dieser Wallace großartige Sachen. Einer der Herren auf der rechten Seite hat mal ganz zu Anfang gesagt, dass er das Buch viele Jahre zuvor im Original gelesen hat, nun aber enttäuscht sei. Dann hat er sich nicht mehr zu Wort gemeldet. Das würde mich interessieren: worüber war er enttäuscht. Was hat ihm damals gefallen was ihm heute nicht mehr gefällt?

Mein vorletztes Leseerlebnis beispielsweise, die Beschreibung des Kampfes, die zu Gatelys Verletzung (und späterem Tod wahrscheinlich) führt: Bevor es richtig zur Sache geht, sagt Wallace „Die Taxierung der Lage dauert nur Sekunden; Zeit braucht nur ihre Auflistung“ (S. 877). Und dann listet er auf, wer wen anblickt, wer was sagt und tut und unterlässt und man ist einfach mittendrin. Oder das letzte Erlebnis, wie der WYYY-Techniker von einem Rollstuhlfahrer am Hang aufgegabelt wird, aufgespießt und auf die Hörner genommen wird. Ich finde diese Beschreibungen höchst gelungen. Es gibt auch Dinge, die mir nicht so gefallen. Da kann ich jedoch locker drüber lesen.

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Aléa Torik

25. Oktober, 2009 um 19:46

LHJ (Lieber Herr Jerkoff) !

Ich wollte eigentlich jetzt etwas zu Ihnen schreiben, aber ich bin heute nicht so spaßig drauf (Staropramen, gestern, leider). Ich komme gerade nicht in die Stimmung, eine Antwort zu schreiben. Aber das kommt nicht, glauben Sie es mir. Ich komme wieder in die Stimmung, wo Sie nicht glauben können, dass Ihnen eine Frau gegenübersteht. Da pfeifen Ihnen die Kugeln, Bälle meine ich, nur so um die Ohren. Aber heute habe ich den Kater. Katzenjammer, meine ich. Katzenjammer und Kater. Das verträgt sich nicht. Bis bald.

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NO

26. Oktober, 2009 um 17:28

Liebe Alea Torik,

antworten Sie doch bitte auf den Jesus Onan (ONAN ist übrigens, wie Sie sicher wissen, eine biblische Figur)! Von Ihrem Zwiegespräch kann ich nur lernen. Wir sind ja alle kleine Lyles.

Nur weil in Ihrer ETA eine Bombe hochgegangen ist, wollen Sie hier rumtrauern? Es gibt Wichtigeres. Ihr rumänisches Dinner zum Beispiel. Wie ich Sie lese, war das sicher Chaos, Kosmos, Zerstreuung und Konzentration in einem. Das ist wichtig, nicht Ranglistenprobleme.

Ich war übrigens vor ungefähr 10 Jahren in Bukarest. Verwildert, schwül, romanisch, umtriebig, und einzelne Gesprächspartner dann manchmal in der Tat hütchenspielerhaft, wenn Sie mir das verzeihen. Ihre Universität habe ich damals nicht gesehen, umso lieber aber Ihre Beiträge hier.

Also bitte einige kleine Schweißtropfen! Und man könnte sich dann wieder einmal dem obigen Iffland-Beitrag vom 23. 10. anschließen.

Beste Grüße

NO

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Aléa Torik

26. Oktober, 2009 um 23:59

Lieber Herr Jerkoff!

Ich bin wieder da. Wie Sie vielleicht haben feststellen können, scharwenzeln (dieses Wort, das ist ein ASS!) inzwischen noch andere Männer um mich herum, vielleicht müssen die da mal einen Gang höher schalten. Kleine Aufmerksamkeiten, Sie wissen schon, Geschenke, solche Sachen, nicht nur immer Kommentare, Kommentare, Kommentare. Haben sie sich mal überlegt, wer das alles beantworten soll?

Also aus Ihnen werde ich nicht schlau. Erst machen Sie hier auf klein und doof, dann kommen Sie mir mit solchem Spezialwortschatz wie Binnenmajuskel – Sie können mir doch nicht erzählen, dass das in Deutschland als Abiturwissen gilt (ich habe meine Sprachkenntnisse von den Eltern, beide Lehrer, mein Vater für Deutsch, ich habe in Hermannstadt in der Schule in seinem Unterricht gesessen, bis zur 10. Klasse, dann bin ich auf das Brukenthal-Lyzeum, eine der renommiertesten Schulen Rumäniens, gegangen, dort wird Deutsch nicht, wie in der vorherigen Schule, als Fremdsprache unterrichtet, sondern da ist Deutsch Unterrichtssprache. Und das Abitur, das man da absolviert, ist ein von deutschen Universitäten anerkanntes Abitur und Binnenmajuskel, lassen Sie sich das von der Absolventin einer Eliteschule sagen, Binnenmajuskel kam da nicht vor!) – wer zum Teufel sind Sie eigentlich? – und jetzt kommen Sie mir mit Lacan und der Anspielung auf ein Zitat aus dem Spiegelstadium, wo er von „jubilatorischer Geschäftigkeit“ spricht, mit der das Baby sein eigenes Abbild erkennt. Und ich versuche Ihnen noch liebevoll (drei Mal unterstrichen) die Bedeutung von Lacans Äußerung über die Frau zu erklären!

Treiben Sie mich etwa hier über den Tennisplatz, benehmen sich die ganze Zeit so als wären Sie ein blutiger Anfänger, sind aber in Wirklichkeit ein Roger Federer? Dann schalten wir jetzt mal vor einem lockeren Training zum Leistungssport um, in dem Roman ist auch von einer Elite die Rede, wie heißt denn das? ich kann jetzt keinen mehr anrufen, es ist fast Mitternacht, irgendwas mit Schmiede oder Kader.

Bei der Nesquick Geschichte geht der Punkt zweifelsfrei an Sie (das ist mir nicht einmal aufgefallen, dass es dekrementell heißen müsste; oder ist das einer von Ihren Scherzen die Sie da neuerdings mit mir treiben?)

Zur Prostitution und Ihrer Formulierung: „wenn Sie es frei entscheiden kann“. Geben Sie mir mal bitte ein einziges Beispiel, wo irgendeiner irgendetwas frei entscheiden kann. Und dann bitte unter Berücksichtigung der Differenz, die Herr Niemann in seiner Erwiderung auf den Kommentar zu Herrn Wiegold gemacht hat, nämlich Freiheit von und Freiheit zu (ist auch nicht unbedingt Abiturwissen). Davon abgesehen, glaube ich eher nicht, dass ich in diesem Fall viel lernen möchte. Was ich aber durchaus lernen möchte, ist: woher kommt Ihr Wissen an dieser Stelle? (Falls Ihnen das entgangen sein sollte: da waren gleich zwei Bälle drin, Herr Jerkoff). Jawohl! Jaaaa!

Das ein überhöhter Anspruch oder eine überzogene Erwartung an die Wirklichkeit das Erleben derselben verhindern kann: dafür gibt es einen dicken Punkt! Zwei Punkte hätten Sie erreichen können, wenn Sie kurz skizziert hätten, wie man den überhöhten Anspruch vermeidet. So geht der zweite Punkt hier bedauerlicherweise wieder an mich!

Auf eher mittelmäßige Äußerung zu Locke gehe ich nicht ein. Nachdem Sie mich bereits mit Lacan um den Platz getrieben haben, lasse ich mich hier auf nichts mehr ein.

Die Gesellschaft die Ihnen da auf die Pelle rückt und deren Namen ich auch nicht kenne, die kenne ich auch. Da stand, kaum dass ich in meine Wohnung eingezogen war, ein Mann vor mir, wollte in diese Wohnung, in der ich selbst noch nicht richtig drin war – manchmal bin ich noch ein bisschen dumm, oder war es zu Anfang – und ich habe den auch rein gelassen und der hat mir die ganze Wohnung durchsucht (obwohl da fast nichts drin war außer mir und ihm) und nach einem Fernseher gesucht und nach einem Radio. Ich war ziemlich fassungslos. Jeder Volltrottel hätte einen Fernseher in drei Sekunden gefunden. Jetzt habe ich‘s: GEZ. Ich kann das jetzt sagen. Ich habe nämlich jetzt einen Anwalt. Und zu dem gehe ich heute Abend auch noch. Wenn ich nicht vorher umfalle. Ich sehe schon gar nicht mehr durch, wem ich noch alles antworten muss. Überlegen Sie sich das mit den Geschenken, das kann Freundschaften festigen (der nächste Punkt an mich!). Und denselben Satz sage ich gleich auch zum meinem Anwalt (und wieder ein Punkt!). Hat Spaß gemacht mit Ihnen heute Abend!

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Aléa Torik

27. Oktober, 2009 um 00:15

Lieber Herr Hamann,

ich werde Ihnen jetzt sicher nicht vor-lesen, weil ich wohl schon ein bisschen weiter im Text bin als Sie. Aber mir hat das jetzt noch auf der Zunge gebrannt. Wallace beschreibt doch Seite um Seite eine Mahlzeit in der Kantine der E.T.A., in altbekannter Ausführlichkeit, wer was isst, wer was sagt, wie die Stimmung ist und was auf den Tellern liegt und wer sein Essen wie behandelt. Ich finde er kann das. Er kann Personen im Raum anordnen. Er kann Sätze anfangen und beenden (aber das ist ein anderes Thema). Und dann sagt er doch, völlig unvermittelt, mitten in dieser endlosen Schilderung der Essensvorgänge: „Struck, Permulis, Schacht und Freer hatten alle schon Geschlechtsverkehr.“ (S. 914) Ich bin sofort wieder hundert Prozent Aufmerksamkeit! In dieser langen Schilderung des Essens hatte ich die Neigung als Leserin, obwohl ich es sehr gut gemacht, gut gearbeitet fande, meine Aufmerksamkeit zu streuen, herunterzufahren. Und dann macht‘s Klick! Und ich bin wieder hundert Prozent wach und dabei und mittendrin im Text. Mitten unter diesen Leuten. Wie in dem obigen Artikel beschrieben: durch dieses Stilmittel des Kontrastes erscheint mir das inmitten einer langen Beschreibung recht banaler Ereignisse, als eine höchst konzentrierte kleine Aktion.

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achim szepanski

27. Oktober, 2009 um 01:07

wer bitte kann sätze nicht anfangen und beenden? ich weiß nich so recht, hier schreibt allenfalls herr stefan bender ( ich glaube so heißt er) etwas interessantes, die riege der deucshen
schriftsteller von meinecke bis herbst hat sich schnell verabschiedet(…), sonst wärs übel geworden…so ist es noch nicht einmal knallkörperfabrik, leider ohne die knallkörper

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Aléa Torik

27. Oktober, 2009 um 10:16

Guten Morgen Herr Szepanski!

Eigentlich wollte ich der Reihe nach die Kommentare beantworten, aber jetzt bekommen Sie nach Ihrem letzten Eintrag doch den Vorzug.

Ich hoffe, dass das, was Ihnen da über die Leber gelaufen ist, keine Laus war, sondern ein Bier zu viel. Passiert manchmal, Sie sind entschuldigt. Aber falls Sie das in nüchternem Zustand auch noch meinen, was Sie da geschrieben haben, gehen wir beide in Zukunft lieber getrennte Wege. Aber vorher setzen wir uns wie erwachsene Menschen hin und reden drüber (fragen Sie den Herrn Bender, wenn Sie den Satz nicht verstehen).

Ich habe geschrieben, dass Wallace Sätze anfangen und beenden kann. Und nicht das Gegenteil. Wenn ich konstatiere, dass er da etwas kann, dann ist das ein Kompliment erstes Ranges und stammt aus der Erkenntnis, dass es nun einmal schwierig ist, Gedanken zu formulieren, Einschübe zu formulieren, Dinge zu Ende zu bringen und andere anzufangen und manches offen zu lassen, neu anzusetzen, dabei in diese und nicht in jene Richtung zu gehen. Dass ich von dieser Schwierigkeit weiß, kommt aus einer intensiven Auseinandersetzung mit Sprache und eigenem Schreiben.

Und wenn Sie jetzt daherkommen, das Gegenteil von dem verstehen wollen was da wirklich steht, und behaupten, dass wir alle, mit einer einzigen Ausnahme, (und natürlich Ihnen, der diese Erkenntnis formuliert) keine intelligenten Sätze formulieren können, dann breche ich ab, was ich gestern Nacht um halb zwei noch gemacht habe, nämlich eine Auseinandersetzung mit ihrem Beitrag zu Serres. Ich habe keine Lust mir mit Ihnen und Ihren Gedanken die Nacht um die Ohren zu schlagen, wenn Sie mir dann am nächsten Morgen sagen, dass wir hier sowieso nur dummes Zeug reden. Dann muss ich leider konstatieren, dass Sie nicht an einer Auseinandersetzung interessiert waren als Sie mir Ihren (zugegeben ausgesprochen interessanten Beitrag) hierhergestellt haben, sondern einfach an einem Monolog. Und Monologe interessieren mich nur auf der Theaterbühne.

Sie sind dran mit reden!

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Alfred Vail

27. Oktober, 2009 um 14:39

… ich glaube ich habe genug.
Die Beiträge auf dieser Seite werden mir jetzt zu selbstverliebt.
Das Buch spielt eine immer kleinere Rolle.

Auf wiedersehen und Danke für den Fisch.

P.S.: habe das Buch durchgelesen, ist das beste Buch das ich gelesen habe.

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Aléa Torik

27. Oktober, 2009 um 15:32

Das Buch gehört auch zu den besten (zwanzig) die ich gelesen habe.

Ich weiß nicht wie das mit den Geliebten ist, aber ein blog besteht aus dem MITMACHEN. Wie SEX. Ein Blog ist keine Zeitung die man konsumiert und wegwirft wenn man genug hat. Die Zeitung haben Sie bezahlt und da haben Sie auch das Recht sie wegzuwerfen. Das hier bekommen Sie umsonst. Ich investiere duzende Stunden meines Privatlebens, um Leute wie Sie zu unterhalten. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie diese Mühen anerkennen. Das ist der Preis den Sie bezahlen müssen, für meine Leistung. Alles andere ist gratis. Aber Sie haben nichts Besseres zu tun, als sich umzudrehen irgendwas von Fischen (ja, vielen Dank, ich kenne das Buch woraus Sie zitieren) zu murmeln und anderen Selbstverliebtheit vorzuwerfen. Das was viele Leute hier tun (in der Tat nicht mehr so viele wie anfangs) ist der Versuch über ein Buch zu reden.

Das was Sie, Herr Vail, offenbar nicht verstanden haben ist die Funktion eines Gegenübers. Miteinander reden. Nicht ohne einander. Nicht monologisieren. Nicht gekränktes Gehen. Sondern den anderen in seiner Funktion wahrnehmen, als gegenüber mit dem man sich auseinandersetzen muss. Das nennt man ein erwachsenes Verhalten. Und das, Herr Vail, was Sie da vor sich haben, ist ein Buch für Erwachsene!

Also kommen Sie gefälligst zurück, machen das Maul auf, sagen, was Ihnen nicht passt und dann reden wir miteinander. Vielleicht können Sie erkennen, dass ich mir eine ungeheure Mühe gebe, mit Leuten ins Gespräch zu kommen. Und ich fordere sie sogar noch explizit dazu auf.

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NO

27. Oktober, 2009 um 18:35

Lieber Alfred Vail,

mich zum Beispiel interessiert ernsthaft und wirklich, warum Sie dieses starke und (anders als bei Alea Torik) uneingeschränkte Bekenntnis abgeben konnten. Und zwar gerade, weil Sie es schon durchgelesen haben (und ich noch lange nicht). Warum ist es das beste Buch?

– Mögen Sie das Buch, oder einzelne Figuren? Oder sind Sie (nur) intellektuell beeindruckt?
– Teilen Sie Alea Toriks Auffassung von der chaotischen Erzählweise und finden das spannend (und wenn ja, warum? weil die Welt ein Chaos ist?), oder finden Sie das völlig abwegig und sehen eine ganz andere Einordnung (welche?) und sind deswegen so begeistert?
– Oder sind Sie begeistert von Tarantino und Monty Python (wie anscheinend Rene Hamann) und sehen deren schwarzhumorige Weltsicht umgesetzt in Buchseiten?
– Ich wünschte mir Sie kennten auch den „Turm“, die „Wohlgesinnten“, „Moby Dick“, „Ulysses“, „2666“, „Heimsuchung“ und was hier im Blog alles schon genannt wurde und könnten mir erklären, ob und warum Sie die Bücher schlechter fanden, und ob Sie Alban Nikolai Herbsts Fassungslosigkeit (7. 9.), Elmar Krekelers „Dreck“-Wutanfall (7. 9.) oder Guido Grafs Lob von Jenny Erpenbeck teilen?
– Was ist mit Daniela Sickerts Einwurf vom 16. 9., (gute) Literatur ist erregend, wenn und gerade weil der Text irritiert? Und sind Sie wohlmöglich irritiert und deswegen so begeistert? Ich bin nämlich schon irritiert, weil mir verschiedene Beschreibungen aus der Drogenszenerie den Atem nehmen, so ungehuerlich sind die, aber mich Vieles von Hal und Steeply nicht so beeindruckt, und ich weiss nicht warum, und was diese Einseitigkeit bedeutet?
– Und diese französischen Philosophen (und Sloterdeijk), die der streitbare achim szepanski ins Spiel brachte: Kennen Sie die und verstehen Sie ihn? Waren deren Gedanken auch ein Grund, das Buch toll zu finden? Waren das die Franzosen, die auch dieser Stefan Zweifel in der Radisch-Sendung angesprochen hatte?
– Außerdem: Ich als Hobbyleser erkenne Ihren Fisch-Buch-Vergleich natürlich nicht, gleichwohl würde es mich interessieren, was es damit auf sich hat und ob das etwas mit Ihrem Urteil über US zu tun hat?
UndUndUnd…

Ich hätte 1000 Fragen; an Sie, an die eben Genannten.

Beste Grüße

NO

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Aléa Torik

27. Oktober, 2009 um 20:49

Lieber Herr NO!

Jetzt bin ich Ihnen sehr zu Dank verpflichtet!

Als ich heute Nachmittag den Kommentar von Herrn Vail gelesen habe, musste ich dringend zur Uni und ich hasse es, wenn ich zu spät komme. Aber dem Mann musste ich noch schnell etwas hinterher rufen. Auch wenn es mir jetzt von der Form her nicht gefällt, aber von der Sache her trifft es das. Ein Blog besteht, wie ich das immer etwas unzulässig formuliere, aus Oben und Unten, aus Text und Kommentar. Beide Dimensionen müssen gleichermaßen befüllt werden. Ein Blog ist kein Restaurant, wo man sich beim Kellner beschwert, wenn es einem nicht schmeckt. Das ist nicht einmal ein SB-Restaurant. Hier muss man selbst kochen. Es gibt lediglich Rezeptvorschläge von denen die Oben schreiben, Lektürehinsichten, Vorschläge wie man das Essen garnieren könnte. Aber mitmachen müssen beide Seiten.

Und mitmachen kann man hier auf vielerlei Weise. Ich suche in meinen Texten keinen intellektuellen Zugang, sondern einen allgemein verständlichen. Ich weiß nicht, inwieweit mir das gelingt. Dem einen geht es nicht tief genug, anderen ist es zu kühl. Ich bin auch nicht ganz glücklich. Herr Wiegold ist in seinen Kommentaren sehr viel philosophischer, mit Herrn Jerkoff flachse ich immer herum und er mit mir und wir beide haben unseren Spaß dabei. Sie stellen mir Fragen, die ich zu beantworten versuche. All das sind Möglichkeiten, sich mit dem Text, zumal mit einem solchen Text, auseinanderzusetzen. Auch die Ansatzpunkte von Herrn Szepanski finde ich interessant. Wiewohl ich nicht verstanden habe, warum er so eine pauschale Kritik macht. Vielleicht meldet er sich darauf ja noch. Ich kritisiere auch, aber ich lasse, wie ich meine, jedem immer auch eine Türe offen, durch die er wieder hereinkommen kann. Es ist nicht so, dass hier alle Unsinn reden. Wie haben nur alle verschiedene Zugangsweisen. Jede Weisen ist aber berechtigt. Vielleicht kommt Morgen einer, der was auspendelt und uns erzählt, zu welchen Ergebnissen er dabei kommt. Von mir aus gerne. Die einzige nicht erlaubte Verhaltensweise – ich spreche nur für mich, nicht für dieses Blog oder für Herrn Graf, der das Ganze arrangiert und dirigiert – ist, irgendwelche Flüche ablassen, sich umdrehen und weggehen.

Das ist eine Mentalität, die erwartet, dass es alles umsonst geben muss. Das Internet trägt seinen Teil dazu bei. Es ist immer alles verfügbar und wenn man nicht so ist, wird eine flapsige Mail geschrieben und sich beschwert. In meinem letzten Beitrag stecken sicher zwanzig bis dreißig Stunden Arbeit (ich bin nicht so schnell im Schreiben und im Denken). Und dann kommt dieser Typ, sagt mir, das sei alles zu selbstverliebt und haut ab. Ich sollte dem eine Rechnung stellen. Sehr gute Idee (sagen Sie mir mal bitte Ihren Stundensatz). Ihren Beruf habe ich übrigens aufgrund Ihrer Mailadresse vermutet, ich hoffe es ist in Ordnung für Sie, dass ich das ausgeplaudert habe. Ich habe ja Ihren Namen nicht genannt.

Sie stellen ausgezeichnete Fragen. Mein Kompliment. Vor allem – und das müssen Sie jetzt wirklich als Kompliment nehmen – weil Sie ja kein ausgebildeter Literaturwissenschaftler sind. Ich meinerseits bin sicher nicht in der Lage, mich in Ihrem Fach auf ähnlich hohem Niveau einzumischen. Mein ganzes Wissen in Ihrem Fach lässt sich in zwei Sätzen darstellen. Ich kann in der Regel zwischen Recht und Unrecht unterscheiden. Und wenn ich es mal nicht mehr kann, dann weiß ich, wen ich fragen könnte.

„Macht‘s gut und Danke für den Fisch“: Per Anhalter durch die Galaxis von Douglas Adams (schauen Sie, wenn es Sie interessiert, mal in mein Blog am 17. und 18. September, da habe ich etwas zu Kultbüchern geschrieben und dazu gehört auch das Genannte). Sie müssen den Ratschlag beherzigen, sich die Serie von BBC anzuschauen, es ist zum Todlachen, aber es ist ein großes Stück weit weg von dem, was in US verhandelt wird.

Eigentlich bekommen Sie noch mindesten zwei Antworten von mir. Das wollte ich schon gestern Nacht machen, nachdem ich den Herrn Jerkoff über den Platz gejagt habe, aber dann habe ich feststellen müssen, dass zuerst noch jemand anders dran war. Und heute Abend will ich einfach noch die Gelegenheit nutzen an meinem nächsten Beitrag zu arbeiten.

Danke, dass Sie mir – oder der Sache hier – beigesprungen sind.

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NO

27. Oktober, 2009 um 23:57

Pleasure!

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JesusJerkoff

28. Oktober, 2009 um 16:58

Liebe Frau Torik,

da bin ich wieder, erfreut, Sie in scharwenzelnden Mengen zu sehen, auch wenn die Textmenge immer schwerer zu erfassen wird. Hoffentlich ist Ihnen die häusliche Entbombung gelungen.

Da Sie so auf der Binnenmajuskel rumrutschen, streue ich mal etwas Sand unter Ihre Füße, auch wenn ich jetzt die Seite nicht finde. Das ist aus US von Mr. Wallace. Eine Prorektorin der ETA(weiß‘ aber nicht welche) legt Wert auf die. Ich kannte nur Majuskeln.

Das Wort Kaderschmiede werden Sie ja nicht gesucht haben und ich treibe keine Scherze mit Ihnen. Auch wenn es schwer ist, versuche ich absolut ironiefrei zu schreiben, was ich denke, täte ich es nicht, würde ja keiner verstehen, was ich sagen will.

Bei der Handlungs- und Entscheidungsfreiheit bleibe ich außen vor, jahrtausende alte Debatten lassen sich durch mich nicht bereichern, aber die von Mr. Wallace kritisierte Ursachenzuschreibung teile ich vollauf: „trotzdem wenden sich die Gesichter im Saal ab, fassen sich an die Köpfe oder rutschen in mitfühlender Verzweiflung […] unbehaglich hin und her. […] (S. 540, nachdem die jungen Frau ihre Geschichte erzählt hatte, warum sie geworden ist, was sie jetzt ist).
Meine Erkenntnisse über Prostituierte habe ich beruflich gewonnen (nein, nicht als Siemens-Manager) und da Sie geschrieben hatten, sie wollten Schriftstellerin werden, wollte Ihnen eine Horizonterweiterung anbieten, die nichts mit der Verfeinerung sexueller Dienstleistungen zu tun hat, sondern lediglich damit, daß Huren ganz normale Menschen sind, mit denen man sich, je nach intellektuellem Feintuning, wunderbar unterhalten kann und die Geschichten erzählen können, die man sich nie im Leben ausdenken könnte.

Damit läßt sich auch die Anpruchsüberhöhung vermeiden, bleiben Sie offen und vorurteilsfrei, bis Sie nicht mehr können. Oder machen Sie es wie Don Gately und betrachten es als Prüfung für Ihre Geduld und Toleranz. Aber auf diesem Weg gehen Sie ja schon.

Als kleines Geschenk ein Satz aus einem Telefongespräch, daß ich vor drei Tagen führte und der mich zum Bodenkugeln brachte: „Gerade hatte ich einen Gedanken. Aber jetzt ist der Gedanke weg, ohne daß er einen Haufen hinterlassen hat.“

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Alfred Vail

28. Oktober, 2009 um 19:53

Liebe Frau Torik, lieber Herr NO
da bin ich, reumütig, wieder zurück.
Nachdem ich in der Mittagspause doch wieder auf den immer noch als Favoriten gespeicherten Link gedrückt habe und Ihre energischen als auch offensichtlich nett gemeinten Aufforderung gelesen habe mich zurück zu melden, muss und möchte ich mich auch zurückmelden.

Frau Torik, ich habe mir während der Arbeitszeit Gedanken über Ihre Ansichten zum Internetblog gemacht und muss gestehen, Sie haben einfach Recht. Ich habe tatsächlich die Ernsthaftigkeit Ihrer Beiträge missachtet. Und der Vorwurf der Selbstverliebtheit trifft mich mit meinem lakonischen Kommentar wahrscheinlich selbst. Tatsächlich hasse ich selber allzu flapsige oder zu kurz gedachte Mails in anderen Blogs. Entschuldigung.

Herr NO, ich gebe Ihnen gerne ein paar Antworten auf Ihre Fragen:
Ich bin auch nur ein Hobbyleser, oder im wahrsten und ursprünglichen Sinne des Wortes ein Dilettant, also eher ein Liebhaber als ein Experte.
Das Buch hat mich nicht intellektuell beeindruckt, dafür fehlt mir das Wissen (und wahrscheinlich auch der Intellekt) siehe oben. Das Buch hat mich beeindruckt weil der Autor es schafft die Eindrücke seiner unendlich feinen Antennen mit denen er seine Umwelt aufnimmt in einer Form niederschreiben kann die mich fesselt. An einer Stelle des Buches schreibt er es gibt Menschen die können ihre Umwelt sehr wohl sehr fein aufnehmen und erfahren, aber sie können diese Eindrücke nicht weitergeben. Er sagt, glaube ich, sie seinen stumm. Ich bin so ein Mensch, der seine Umgebung schon sehr genau und feinfühlig erlebt, dies Erlebte aber nicht beschreiben kann. Das machen David Foster Wallace oder andere Menschen für mich.

Die meisten Ihrer aufgezählten Bücher kenne ich leider nicht, aber ich habe auch die Wohlgesinnten von Littell gelesen. Ich habe zwischen diese beiden Bücher (US und die Wohlgesinnten) auch sofort einen Zusammenhang gesehen, hätte mich aber nicht getraut das hier öffentlich zu erklären. Beide Bücher haben es geschafft mich in die Gedankenwelt von Menschentypen zu versetzen die für mich vorher außerhalb dessen waren was ich überhaupt nachvollziehen konnte. Das ist der 2. Grund warum ich das Buch (US) so gerne mag. Beim Lesen dieses Buches (sowie anderer Bücher dieser Klasse) habe ich das Gefühl tatsächlich etwas zu erfahren, das heißt auch wirklich etwas lernen zu können (Ganz konkret hilf mir dieses Buch beim Umgang eines Menschen in meinem nahen Umfeld). Es ist fast so, als hätte man das Beschriebe selber erlebt, und kann so (sehr bequem) von den Erfahrungen eines anderen profitieren.

Ja, die Beschreibungen aus der Drogenszene haben mich genauso beeindruckt wie Sie. Hilft mir im echten Leben aber weiter (siehe oben).

Das mit den Fisch hat Alea bereits für mich beantwortet (Danke). Der „Anhalter durch die Galaxis“ ist seit Jahrzehnten das Standardwerk für alle Informatiker.

Einen schönen Abend, und noch einmal vielen Dank an Ihnen beiden für Ihre Anteilnahme
Alfred Vail

P.S.: Alfred Vail ist mein Pseudonym das ich im Internet aus Angst vor Spammails usw. verwende. Alfred Vail, weil die Morsetelegrafie eine Leidenschaft von mir ist (er hat sie erfunden).

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achim szepanski

28. Oktober, 2009 um 20:45

Hallo Frau Torik,
Ihre Einfühlungsgabe trügt sie nicht ganz. Es war ungefähr wie bei US auf S.31, nur musste ich mir keine Vorräte anlegen, sondern musste Vorräte loswerden, einige Abfälle von Aneignungen entsorgen, Unrat entrümpeln, was unvorhergesehenerweise irgendwann bis zum Weichen überging und im Zeichensein zu merkwürdigen Einkreisungen führte, aus denen nur mit diffusen Querschlägern wieder herauszukommen war, sozusagen mit dem Überspannen des Bogens bzw. mit diffundierender Zielorientierung oder so ähnlich.

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NO

28. Oktober, 2009 um 21:22

Lieber achin szepanski,

zufällig gerade heute bin ich in einer Buchhandlung auf dem Weg ins Büro Ihrem Hinweis (zu meiner Tohuwabohu-Frage in der Chaos oder Kosmos-Diskussion) nachgegangen und habe in dem „Du musst Dich ändern“ die Feuerwerkskörperfabrikbeschreibung nachgelesen. Sehr erhellend, vielen Dank!

Ich profitiere sehr von diesem Blog. Es tut mir leid, dass dies bei Ihnen anders ist. Aber warum gehen Sie die vermissten Herbst und (Winter, hätte ich beinahe geschrieben) Meinecke nicht direkt an und motivieren weitere Kommentare? Insbesondere die klugen Beiträge von ANH vermisse ich auch.

Beste Grüße

NO

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JesusJerkoff

28. Oktober, 2009 um 22:12

Ein P. S. für alle Frau Torik Fans: „Schon komisch, wenn man das Gefühl hat, jemand fehlt einem, den man vielleicht gar nicht kannte.“ (S. 849).
Schlafen Sie gut.

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Aléa Torik

28. Oktober, 2009 um 23:16

An die Herren Szepanski und Vail,

dann hat sich die Mühe ja gelohnt. Ich freue mich, dass Sie wieder dabei sind. Mehr bin ich nämlich auch nicht, einfach nur dabei. Es freut mich vor allem, dass Sie den Charakter hatten, Ihre Rückkehr öffentlich zu artikulieren. Dann machen wir jetzt einfach da weiter, wo wir gestern aufgehört haben. Ich freue mich wirklich!

Lieber Herr NO!

Ich finde es ebenfalls schade, dass offenbar viele nicht mehr dabei sind, aber es ist, auch wenn es sich oft leicht liest, ein schwieriges Buch. Es sind allerdings nicht nur Autoren abgesprungen (da muss man allerdings wohl auch die Buchmesse mitverantwortlich machen), sondern auch Kommentatoren. Das ist aber bei so einem dicken Buch auch nicht anders zu erwarten. Das finde ich an dem René Hamann schön, der sagt jedes Mal, dass ihn andere (Frauen) reizen, aber er ist immer noch der Alten treu. Der kultiviert seinen erhofften Seitensprung. Aber er traut sich dann nicht. Ich habe mir vorgenommen, da ich so hundert Seiten Vorsprung habe, ihm dann und wann mal was Schönes vorzuwerfen.

Den letzten Kommentar von Herrn Szepanski (soweit ich ihn verstehe) würde ich gerne in aller Ausführlichkeit diskutieren: aber das ist etwas für ein Oberseminar oder Doktorandenseminar. Damit vertreibe ich wahrscheinlich mehr Leute als ich anlocke. In meinen eigenen Beiträgen möchte ich einen Ton finden, der möglichst viele Leute zum Lesen anhält, wiewohl ich finde, dass es in den Kommentaren nicht notwendig ist: da soll jeder so Reden und Schreiben wie er will, der Herr Vail, der sich als Hobbyleser beschreibt und der Herr Szepanski mit einem intellektuellen Zugang. Die Heterogenität solcher Beiträge macht für mich die Sache erst richtig spannend. Ich könnte mich totlachen darüber, dass die da jetzt stundenlang über die mögliche Besetzung der Rollen in dem Buch spekulieren. Das ist überhaupt gar nicht meine Sache. Ich habe kein einziges Gesicht von einer Schauspielerin oder einem Schauspieler präsent (das interessiert mich einfach nicht so). Aber ich habe mich trotzdem beteiligt.

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NO

28. Oktober, 2009 um 23:26

DAS, lieber JesusJerkoff,
war nicht so unübel.
Ob ich vor Schmunzeln noch in den Schlaf komme?
Beste Grüße
NO

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Aléa Torik

28. Oktober, 2009 um 23:29

Lieber Herr Jerkoff!

Das musste ich zweimal lesen. Was Sie da schreiben ist weltweit der erste Fall, in dem ein Tennisspieler sein Gegenüber dopt und dann selbst gewinnt. Da geht ja nicht nur der Ball, der Satz, sondern das Spiel an Sie. Sie gewinnen das ganze Turnier. Da haben Sie mich ja richtig außer Gefecht gesetzt!

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Iffland

29. Oktober, 2009 um 03:23

An Alfred Vail, Achim Szepanski, den Herrn Jesus, No und natürlich Aléa Torik
,
mein Gott, mit dieser Ansprache habe ich mir beinahe den Weg verbaut, aber ich werd´s versuchen:

Zunächst: Herr Vail, wie schön, dass Sie wieder dabei sind! Und da haben Sie doch genau das gemacht, wovon Sie denken, dass sei nicht Ihre Sache: zu beschreiben, wie Sie Ihre Umwelt wahrnehmen. Dieser Blog (und ich bin auch neu hier, ein „Hobbyleser“ und bislang auch eher durch „flapsige“, oder „zu kurz gedachte“ Kommentare aufgefallen), gehört jetzt zu Ihrer Umwelt und Sie beschreiben das, sind nicht stumm und beweisen, dass Sie die „Antennen“ haben und auch die Zunge das Empfangene weiter zu geben. Das finde ich wirklich schön (und wenn das jetzt den Ruch des Pädagogischen hat, bitte, dann ist das eben so.)!

Lieber Achim Szepanski,
jetzt will ich (Alfred Vail sei Dank!) nicht wieder in die Flapsigkeitsfalle tappen und versuchen, eine ernste Antwort auf eine für mich kryptische Einlassung zu geben: Ich habe mir Seite 31 noch einmal durchgelesen und, soweit es mir möglich war, aus dem Gedächtnis den Kontext rekonstruiert. Es handelt sich hier um Erdedy, der auf die Frau wartet, die gesagt hat sie würde liefern (Grass in diesem Fall). So.
Jetzt liefert Frau Torik nicht, oder Herr Herbst, oder Herr Meinecke, oder wer? Mussten Sie Sich Vorräte an „gutem Stoff“ anlegen um über die Runden zu kommen, oder auf den Herrn Bender warten und sind Sie grundsätzlich auf Entzug und der Ersatzstoff hat nicht die erhoffte Wirkung? „Im Zeichensein zu merkwürdigen Einkreisungen“ klingt eher danach, als hätte doch etwas gewirkt…
Ziel verfehlt, tschuldigung, weder sonderlich ernst noch Antwort, aber ich versuchs´s weiter…

Jetzt aber der HERR Jesus und Frau Torik: Das ist ja geradezu romantisch, ja, ich möchte sagen, das romantischste Tennismatch, das ich bislang verfolgt habe. Diese Eleganz, Stopbälle, Lobs, Longline, hart cross geschlagene Rückhände und immer wieder raffinierte Aufschläge! Vielen Dank an Euch beide (jetzt bin ich schon beim Du, bei uns im Rheinland ist man da schnell…)!

Leider ist die Ansprachenreihenfolge jetzt durcheinander geraten, so dass Sie, lieber NO jetzt am Ende stehen:

Auch ich bin ein „Hobbyleser“, wobei ich zugeben muss, dass ich das gute alte Wort „Hobby“ schon lange nicht mehr im aktiven Wortschatz führe (aber das soll nur heißen, dass wir vermutlich nicht genau der selben Generation angehören). Gerade in Ihrer Antwort an Herrn Vail haben Sie Fragen formuliert, die mich (auch) interessieren. Herzlichen Dank dafür!

So, jetzt ist es verdammt spät geworden und Frau Torik wird verstehen, dass Uhrzeit + Stratopamen, oder auch Saft aus vergorenen Trauben, eine noch längere Antwort unmöglich machen.

Auf bald!

Iffland

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NO

29. Oktober, 2009 um 14:27

@ Alfred Vail @ Guido Graf

Lieber Alfred Vail,

Ihre und des ACHIM SZEPANSKIS Erwiderung hatten Größe, meinen Respekt. Ihre Beschreibung des Hobbylesers als Dilettanten, das ist eine gelungene Begriffsverbindung, obwohl jetzt zu befürchten ist, dass Herr IFFLAND uns nun beide einer (zumindest sprachlichen) Vergreisung bezichtigen wird.

Ich danke für Ihre aus meiner Sicht gelungene Beschreibung der Wirkung dieser Wallace-Prosa (und der des „Drecks von Littell“) auf die Nichtlietraturbetriebsbeteiligten (Antennen und so). Ja ja, ich kann mir vorstellen, dass Sie Hemmungen hatten, den Vergleich zwischen Wallace und Littell hier öffentlich zu ziehen. Die an diesem Blog beteiligten Profis schießen manchmal recht scharfe Returns (zum Glück zumeist nur untereinander). Und man möchte ja nicht unnötig gesteinigt (Krekeler-Formulierung) werden, wie Ingersoll am Ende von Eschaton (S.490). Ich glaube übrigens, dass diese Befürchtungen eine Vielzahl von Lesern (die in der Mehrzahl ehrbare Dilettanten sein dürften) dieses Blogs davon abhält, sich überhaupt zu Wort zu melden, was sehr schade ist.

Zudem sind wir in der Sache vermutlich sehr in der Minderheit: ELMAR KREKELER hat diese grandiose Dreck-Formulierung erfunden, ALBAN NIKOLAI HERBST findet sogar den „Turm“ nicht im Ansatz vergleichbar. Vielleicht hängt das damit zusammen, dass die Wirkung eines Romans auf viele (Hobby-) Leser nicht immer etwas mit den Versäumnissen zu tun hat, die zu benennen Aufgabe der Literaturkritik (also die hier versammelten Profis) ist, wie Herr Graf das für mich nachvollziehbar am 7. 9. 09 formuliert hatte.

Allein GUIDO GRAF hat eine gewisse Sympathie bekundet und dabei am 18. 9. die für mich außerordentlich interessante Frage gestellt, welchen Sinn und Zweck die Darstellung der Drogenexzesse aus ästhetischer Sicht hier bei US habe.

Das würde mich interessieren, auch wenn diese Kolumne hier „Konzentration und Zerstreuung“ von Alea Torik inhaltlich nicht die richtige dafür sein dürfte und daher vielleicht eine neue aufgemacht werden könnte. Vielleicht könnten wir beide, lieber Alfred Vail, den Herrn GUIDO GRAF mit seiner eigenen Frage ins Boot bringen:

Lieber Guido Graf:

Was ist die Dath’sche Drastik und kommen wir hier damit weiter oder nicht?

Beste Grüße

NO

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Christian Wiegold

29. Oktober, 2009 um 15:14

Lieber Iffland,

vielleicht kann es mir gelingen, die weihenen Pforten des in ihrem Beitrag leicht anklingenden Unverständnisses der Szepanskischen Gedanken ein wenig zur Seite zu schieben. Nicht leichtfertig spricht er von Vorräten. Nun heißt es bei Deleux an einer Stelle: »vorrätig ist demnach diejenige Lebensauffassung, die sich selbst, in einem Augenblick des unbereiten Lebens, als Mimesis einer Kleinigkeit entlarvt, die man sich abends dann doch aus dem Schrank holt.« (Ich zitiere hier aus dem Gedächtnis.) Und Eredy versucht ja, diesen Vorrat anzulegen, allerdings ist es der Vorrat, der ihm keinen weiteren Lebensvorrat mehr erlaubt, bzw. symptotisch als solcher eben schon aufgebraucht ist. Eredy erscheint damit als Prototyp einer Konsumhaltung auf, der jenes zu Beißen haben will, was ihm den Magen vorher verätzte und also zwar Schokoladen-Tiefkühlkuchen als Vorrat anlegt, dann aber gewissermaßen vor der Ratte seiner Eigenlust kapituliert. (Vergleichen Sie dazu eine Bemerkung Schopenhauers: »ich nenne all diejenigen eine Ratte, die sich selbst so nennen.«) Szepanski nennt Fühlung ein Zeichen, meint aber, meinem Verständnis nach, dass kein Vorrat einer Anlegung bedürfe, der schon kapitalistisch (mit Deleuze: rhinozeromatisch) mit krummem Rücken auf einem tausendfüßigen Hügel sitzt, aber den Horizont seiner Befriedigung noch immer nicht erkennen kann. Ich will das hier gar nicht antitulieren. Aber haben Sie schon einmal erlebt, dass jemand aus einer Vorratskammer ein Feuerwerk zündet? Dies kann auch nicht sein, denn das Feuerwerk ist ja schon der Idee nach eine Plötzlichkeit und erschöpft sich also demnach in seiner Erklärungskraft. Ein Feuerwerk hilft zwar, in den Himmel zu schauen, bzw. die Kuppel (fast möchte ich Lapislazuli-Kuppel schreiben, mit der DFW an anderer Stelle ja auch den Blauhimmel als erkennisstrebende, einengende Wirkkraft eines korrupten Berufsschriftstellers verhöhnt) gehörig vor einem gehobenem Auge aufzublähen, sie reicht jedoch nicht dahin, für Zerstreuung als Ganzes zu sorgen. Darin erkenne ich übrigens eine tiefere Bedeutung des aléatorischen Titels, denn Zerstreuung als solche läßt sich ja gerade nicht als einen Vorrat anlegen, Zerstreuung ist nicht »herbeirufbar« oder »käuflich«, sie ist einfach nur da und benötigt einen Rhinorahmen, den Kapitalismus eben nicht schaffen kann, der sich verzweigt, verästelt, verädert, erneuert und wieder und wieder gegen den Baum fährt, dessen Wurzel er war. Hoffentlich verstehen Sie jetzt. Herr Szepanski versuchte also, und damit ganz im Einklang mit dem Titel dieses Beitrags, das Diffundens einer Haltung in sich zu finden, welche er zwar semiotisch verlassen hatte, mit der er jedoch bislang keine konzentrative Begleitung verband. Eredy, könnte man vielleicht sagen, möchte genau, was er will. Er will es. Aber nur das.

Liebe Frau Torik,

da ich Sie in meiner ersten Bemerkung schon mit dem lateinischen Namen ansprach, möchte ich nun wieder etwas konkreter auf ihren Beitrag eingehen. Sie schrieben mir, vor einiger Zeit in ihrer, darf ich das sagen?, aléatorischen Kryptoflapsigkeit, die mir gleich als ein Merkmal ihres außerordentlich weitfahrenden Stiles aufgefallen war. Ihre zentrale Bemerkung war die: »Sie kriegen mich mit Kristeva nicht von hinten, weil Sie mich nicht einmal mit Lacan von vorne kriegen.« Das hat mich zunächst betroffen, aber nicht als Kristeva, ja, es schien mir zunächst wie eine klassische Paralipse, also wie eine enthüllende Verschleierung, eine rhetorische Figur, die genau jenes übergehen oder als unmöglich hinstellen will, was sie gerade deshalb nochmal in erschreckender Weise verdeutlicht, also als ein diminutives Paralipomenon, das mir schon fast eine Angst vor künftiger Paralipophobie einflößt, also Furcht macht, jene Unterlassung, die sie eben so paraliptisch hervorheben, nicht mehr übergehen zu können, bzw. in der Verschleierung ihrer Deutlichkeit eines Anstandes, wenn auch nur gedanklich, fehlen zu lassen, den Sie mir erst, durch den Willen, Sie nicht mehr zu übergehen, vor den Blog legten. Ich versuche, wie Sie merken, diesem Dilemma durch Konzentration zu entkommen, erliege dabei jedoch wieder dem Wünschen, dass diese vielleicht in ihrer Zerstreuung bestehen könnte, was Sie mir dann ja aber nicht mehr sagen könnten, denn nur Konzentration wäre schriftlich und das ist schließlich der einzig mögliche Weg, durch den ich Sie hier erreichen kann, und ich möchte Sie sprachlich am Liebsten »ungewaschen, unbemalt in der Jenseitskaue«, aber das führt nun zu weit, sage ich, und konzentriere mich auf die Wörter, die mir gleichwohl als solche, morphine Klaten oder morpheme Klauten entgleiten, denn ich bekam, sage ich, wie eine Art von Majuskelshirt, eine Ernste Regalung Einer Klautomorphemen, Theatralisch Im Ordentlichen Nein sich abspielende Reaktion. Was bei DFW der Kapitalismus ist, also die jenseitige Neuerung eines Spaßabklatsches, der gleichwohl immer fühlbar bleibt, ist ja dennoch eine Art und Weise der kosmonautischen Zerstreuung. Wer also Zerstreuung sucht, kann gar nicht auf dem richtigen Wege sein, jedenfalls nicht nach den herrschenden Normen einer Klarheit, die immer noch eindeutige Wesensmerkmale verlangt um dadurch genau jenes zu beschreiben, was sie eben nicht durchhalten kann. Was sie eben nicht duchmogeln, so die Ummogelung schon im Kapitalismus immer die Mitgedachte, Mitgekaufte, Mitbeschlafene ist.

Ich verbleibe zunächst mit einem Zitat von Lacan: »Das Ich, Nein. Wir sprechen nicht Es. Ja.«

Ihr Christian Wiegold

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achim szepanski

29. Oktober, 2009 um 20:41

Hallo Herr Wiegold,
Um noch einmal auf Serres zu kommen: Wer in einer Verschließung bzw. Einschließung lebt,verzehrt den Vorrat und schmarotzt an dem, was die Schließung des Systems rechtfertigt. Es ist der Parasit, der das System schließt und für den es geschlossen ist. Nun ist für Erdedy das Anlegen und der Verzehr der Vorräte längst kein Spaß mehr, deshalb muss er die letzte, genauer die vorletzte Erfahrung, so unangenehm wie möglich machen, d.h., er muss sich durch Maßlosigkeit kurieren, ja von was kurieren? Von der Sucht durch Maßlosigkeit kurieren, durch eine letzte strapaziöse Orgie, die die Verknotung von Wunschproduktion, die keinen Ausdruck findet, und »Entfremdung« – zusammengehalten durch die Sucht – trennt? Durch die Supplementarität zwischen Impulsen und Sich-Gehen-Lassen angespannt, befindet Erdedy sich wie das Insekt in einem Loch,und genau das ist sein Problem, von dem er eine dunkle Ahnung hat. In seinem Mehr-Genießen ist Erdedy in der Tat der Abhängige bzw. das Projekt des Konsums, ein wahrlich suizidärer Akt, in dem er als verantwortliches Subjekt schwindet, wobei er wiederum dunkel ahnt, dass er nicht alleine ist, denn er sehnt ja z.B. die Frau herbei, die er nicht sehen will. Diese Möglichkeit, Dinge nach eigener Geschwindigkkeit zu verrichten bzw. Vorräte zu verzehren, wobei man weiß, dass die Autarkie nicht durchgehalten werden kann, trägt die ideologische Figur der Abhängigkeit, die scheinbar negiert wird.
Nun galt es bei meiner Person, die die Figur eines Textes ist, die aktuellen Vorräte zu entrümpeln und nicht zu verzehren, die Vorräte werden damit zu Unrat. Es handelt sich um Aneignungen, die einem Akt des Verschmutzens gleichkommen, sei es durch das Weiche (Zeichen), sei es durch das Harte, die einen Raum unterteilen bzw.einschließen. Das Eigentumsrecht hängt immer von einem Gefüge sich überkreuzender Verschließungen ab, und wer in priviligierter Position diese Ensembles verlässt, der riskiert und für den wird die Produktion ( auch der Querschläger) ein Spiel auf Leben und Tod. Allenfalls liegen die Vorräte an Möglichkeiten und strukturierenden Vorbedingungen ( man denke an den Film als Medialität) offen, die Zeichen einer Virtualisierung, ein Voraussetzungs- bzw. Kraft-Verhältnis, eine generative Kraft, deren Wirkung mit dem Ausdruck »Sublimierung« nur unzureichend umschrieben ist; sie sind ständig zur Aktualisierung gezwungen. Es sind ständige Verschmutzungen, oder wie Serres sagt, wer den Raum mit Plakaten verschmutzt, auf denen Sätze und Bilder stehen, storniert die Wahrnehmung der umliegenden Landschaft. Weder Rhizom, Verteilung,Interferenz, Dissemination oder Zettelkästen ist die gewöhnliche, die Aktualisierung begleitende Zerstreuung eine Form der Langeweile, die sich, wird sie nicht ausgehalten, gegen sich selbst richtet, will man es psychoanalytisch ausdrücken; siehe wiederum Erdedy, dem die Ablenkung durch die Patrone nicht gelingt, weil er fürchtet, dass eine andere Patrone ein unterhaltsamerer Film sein könnte. Haben wir hier nicht erneut das Phänomen eines bestimmten Mehr-Genießens vor uns, und ist es nicht ein wenig wie beim Pornofilm:Denn keiner schaut sich mehrere Male den gleichen Porno an, wenn er das Eine sehen will, um das es geht, von dem er ausgeht, dass es das Eine ist, von dem er erregt werden will. Nie und nimmer kann man das Eine auf dieselbe Weise immer und immer wieder erleben, egal, welche Vorlieben man für das Eine hegt, welche Vorlieben es in einem erzeugt, nein, will man einen Porno sehen, muss man alle sehen, um die erste und eine Erregung zu wiederholen. Und ist Erdedy nicht in jenem Labyrinth gefangen, von dem Luhmann sagt, dass wir keine Theorie haben, um es zu erforschen, wie darin die Ratte läuft? Wir selbst sind die Ratten und können bestenfalls versuchen, im Labyrinth eine Position zu finden, die vergleichsweise gute Beobachtermöglichkeiten bietet. Ob wir mit Serres aus dieser Parasitenrolle schlüpfen können?

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Aléa Torik

29. Oktober, 2009 um 21:17

Hallo Herr Wiegold,

ich sehe, Sie ziehen die Schwierigkeitsschraube noch mal an. Ich habe, was Sie da formuliert haben, aufmerksam gelesen. Ich habe nicht alles verstanden, aber das war damals bei „Alice im Wunderland“ nicht anders. Was mir sehr gut gefällt, ist das „Majuskelshirt“. Dafür bekommen Sie mein uneingeschränktes Lob. Dann bin ich allerdings über eine Formulierung gestolpert. Und da muss ich jetzt noch mal nachfragen, weil mir das sonst keine Ruhe lässt. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, ich bin weder spießig noch zimperlich und ich bin durchaus der Meinung, dass Sex mehr ist als bloß Kuscheln. Wenn Sie jedoch schreiben, dass Sie mich »ungewaschen, unbemalt in der Jenseitskaue« wollen, danke ich Ihnen für Ihren Mut, das so in aller Öffentlichkeit zu formulieren, möchte aber dennoch, aufgrund eigener Hygienestandards, nachfragen dürfen: wie lange ungewaschen?

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Aléa Torik

29. Oktober, 2009 um 21:27

Hallo Herr Wiegold,

Ich glaube, Sie müssen einmal mit dem Herrn Szepanski reden (nicht über Ihre sexuellen Phantasien, sondern über die Texte). Sie beide passen da besser zusammen als Sie mit mir oder ich mit ihm. Sie wären ein ideales Paar. Ob gewaschen oder ungewaschen, lasse ich dahingestellt. Das können Sie dann unter sich ausmachen.

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JesusJerkoff

29. Oktober, 2009 um 22:39

Liebe Frau Torik,

verloren stehe ich da, starre wortlos in den leeren Court und weiß nicht einmal, ob ich jetzt den Kopf schütteln soll. Die Grenze der Verzweiflung. Das Netz sendet von Steinen geschriebene Schatten in die nördliche Zukunft. Sie können doch nicht aufgeben und jemandem mit einem dermaßen lächerlichen Avatar das Feld überlassen. Bitte.

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Christian Wiegold

30. Oktober, 2009 um 10:24

Liebe Frau Torik,
Sie schrieben doch, sie hätten lieber Celan als Lacan,und das mit mit dem „ungewaschen“ ist eine meiner Lieblingsstellen aus „Schneepart“ (von Celan). Darin ist außerdem noch von der „schwebenden Stein-Ikone“ die Rede. Sind das die Steine, die Jesus meint? Ihr weiterer Kommentar klingt dann ein wenig nach einem Platzverweis, aber ich dachte, das Schöne an einem Blog wäre gerade, dass einfache Zwiegespräche und somit Ausschließungen oder direkte Wendungen an jemanden gar nicht möglich sind. Naja.
Lieber JesusJerkoff,
ihre Empörung macht mich etwas betroffen. Ich glaube sie mißverstehen da etwas: Frau Torik hat doch nicht uns (meinen Sie damit die Schwurbler mich und Szepanski?) das Feld überlassen, sondern lediglich unser in den Raum gestelltes Feld VERassen. Wir sprechen doch hier nicht die ganze Zeit auf dem gleichen Feld, von dem wir uns dann noch verjagen, sondern erfinden ständig neue Spiefelder, auf denen wir gleichzeitig andere Spiele spielen. Sie sagen“lächerlicher Avatar“. Finden Sie jetzt einfach nur meinen Avatar lächerlich und haben Sie einen besseren? Oder ist es vielleicht schon lächerlich, überhaupt mit einem Avatar zu operieren? Aber anders geht es hier schließlich nicht, und im Gegensatz zu Ihnen heiße ich wirklich Christian Wiegold. Vielleicht ist Ihnen auch diese Tennisanalogie zu Kopf gestiegen (die erscheint mir überhaupt für ein Gespräch zwischen verschiedenen Leuten sehr schädlich) – das Feld ist doch vollkommen offen, niemand muß fragen, ob er mitspielen darf, niemand muß den Ball holen, es gibt nur eine Bedingung: der Ball sollte den Unendlichen Spaß irgendwie streifen. Und zugegeben, vielleicht habe ich da auch schon etwas zu hoch gespielt.
Also zurück zu DFW: ich überlege zum Beispiel immer noch, was es mit der Horde Wildhamster von 134-135 auf sich hat. Und das scheint mir auch im Zusammenhang mit er Idee von Zerstreuung zu stehen. Denn das ist doch andererseits ein sehr konzentrierter Moment.

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Iffland

30. Oktober, 2009 um 12:27

Lieber Christian Wiegold,

nachdem mich das von Ihnen gesattelte Deleuzesche Rhino gestern leider abgeworfen hat, heute nun eine kurze Rückmeldung. Zugegeben, Sie spielen hoch, sehr hoch sogar und einen gut gespielten Lob kann man nur schwer wieder zurück ins andere Feld spielen, wenn man in die Sonne sehen muss (ich finde die Tennis-Analogie übrigens nicht so schlecht, auch wenn es um Gegnerschaft, Gewinnen und Rankings etc. geht, außerdem hat es ja nun auch nicht unwesentlich mit dem Buch zu tun und immerhin bleibt es ein „Spiel“).
Ihr Beitrag und Ihr Bemühen um eine Erklärung der Aussagen von Szepanski haben mir gut gefallen, auch wenn Sie mich da über den Platz jagen… Äußerst amüsant und in Zukunft häufiger mit mir!
Ball knetend, Schläger bespannend, Gewichte stämmend aber Freizeitdrogenabstinent:

Iffland

Ach so, die Hamster: Gehören ja zur Spezies der Nager und da ich mich gerade in die Deleuzesche Zoologie einarbeite und an der ETA ein paar junge Tenniscracks einmal in den Tunneln der Akademie nach Ratten oder auch jenen mutierten Hamstern suchen, vielleicht steckt da was drin. Die „rhinozeroatische“ Struktur der Akademietunnel,
der „Rattenbau“, …. Schwurbeln wir also munter weiter!

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achim szepanski

30. Oktober, 2009 um 14:46

@ Christian Wiegold
Offensichtlich hat die Herde Wildhamster etwas mit der Mannigfaltigkeit der Meute zu tun, obwohl die Quantität, die Richtung und der Ausdruck der Herde, ja selbst der Lärm, für ein Massenphänomen stehen. Auch das Zerstreut-Sein, eine Eigennschaft der Meute ist auf den ersten Augenblick nicht sichtbar, aber vielleicht bietet die organisierte Matrix bzw. die somatische Form, die da aufgewirbelt wird, einen Anhaltspunkt. Diese ist nun bis nach Boston und Montreal interpretabel, aber die exakte Erkenntnis dieser Mannigfaltigkeit Wolke würde frei nach Brilliouns Theorem ein unendliches Quantum Negentropie kosten, will sagen, man bräuchte ein unendliches Vermögen, um die Transformation der Wolke in eine berechenbare Menge zu übersetzen, mit anderen Worten, die Erkenntnis eines abgegrenzten Abschnitts der Vergangenheit, der experialistischen Migration (deren historische Schuld abzutragen wäre), würde die Unendlichkeit einer zukünftigen Zeit kosten. So hinterlässt die Herde, die alles niedermäht, eine Spur, die jenseits jeder Exaktheit und Präzision, rein willkürlich ist und bleibt. Es ist nun dasselbe zu sagen, dass die experialistische Migration ein historisches Gesetz ist, wie zu behaupten, diese Geschichte wäre abgeschlossen. Daher die Wiederkehr des Transformierten (der Herde) und seiner zersetzenden Kraft?

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JesusJerkoff

30. Oktober, 2009 um 22:49

Sehr geehrter Herr Wiegold,

da sind aber einige Mißverständnisse entstanden.

Es geht mir nicht um Empörung, ich empfinde nicht einmal ansatzweise welche. Was meinen Kopf zum Rauchen brachte, war die Steigerungstrias von Ball, Satz und Spiel, die unerwartet in einen Turniersieg mündete.

Mein Anliegen ist nicht, jemanden zu besiegen, sondern meinen Horizont in Bezug auf das Buch zu erweitern. Frau Torik bringt mich da, wie alle anderen, die sich hier äußern, weiter. Aber eben auf ihre Weise.

Der lächerliche Avatar bin ich, sonst niemand.

Die „Grenze der Verzweiflung“ ist ein Gedicht von Erich Fried, der nächste Satz aus Paul Celan zusammengestückelt.

Tut mir leid, daß ich mich da unverständlich ausgedrückt habe. Haben Sie weiterhin Spaß.

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Über das Buch

1996 erschien »Infinite Jest« in den USA und machte David Foster Wallace über Nacht zum Superstar der Literaturszene. Vor einem Jahr nahm sich David Foster Wallace das Leben. Sechs Jahre lang hat Ulrich Blumenbach an der Übersetzung von Wallaces Opus magnum gearbeitet, dem größten Übersetzungsprojekt in der Geschichte des Verlags Kiepenheuer & Witsch.
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