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Während ich gestern im Zug von Emmerich via Duisburg nach Berlin saß und mir das Abteil mit zwei anderen Lesern teilen musste – einem jungen Mann mit Brille und Koteletten, der einen Trashroman las, erschienen bei Bastei Lübbe, der interessanterweise ein Frank-Schirrmacher-F.A.Z.-Zitat auf dem Rücken stehen hatte, und einer circa 45 Jahre alten Frau, die irgendetwas bei dtv Erschienenes in den Händen hielt – überlegte ich, ob ich überhaupt der richtige Leser für U.S. bin.
Während ich mich heute durch eine Passage quälte, die ein einziges Auf und Ab war, nämlich die Passage über Madame Psychosis und ihre Radiosendung, in der sich sehr gute mit absolut lähmenden Beschreibungen abwechselten, fragte ich mich, wie oft DFW eigentlich selbst sein Buch gelesen hat. Und wie oft in einem durch.
Ich stelle mir einen amerikanischen Leser vor, männlich, Anfang 20, der na klar schon mit 14 “Herr der Ringe” gelesen hat, dann irgendwann vielleicht auf Philip K. Dick kam, den aber irgendwann mit 18 das ganze SF-und Fantasyzeug zu langweilen begann und daraufhin auf Empfehlung eines älteren Studienkameraden was von Thomas Pynchon in die Finger bekam und jetzt eben DFW liest.
Ich erinnere mich an mich selbst, wie ich zum ersten Mal ein amerikanisches Modebuch gekauft hatte, in der Bahnhofsbuchhandlung Ludwig, und mit dem Buch unterm Arm auf meine Freundin wartete, die ich ausrufen ließ, weil ich auf dem falschen Gleis gewartet hatte. Das Buch war ein Weihnachtsgeschenk an mich selbst, es kostete 40 DM, so viel hatte ich noch nie für ein Buch ausgegeben und sollte es bis zur Währungsreform auch nicht mehr tun, noch heute gebe ich ungern mehr als 25 Euro für ein Buch aus, und es war das erste amerikanische Modebuch, das ich lesen sollte, nachdem ich bereits einige kolumbianische, deutsche, tschechische und italienische Modebücher gelesen hatte, weil meine Mutter Mitglied in einem Buchclub war und einiges aus der Modebücherrangliste für mich bestellt hatte. Das amerikanische Modebuch gefiel mir, weil es so kalt und durchkonstruiert war, weil es was von Musik verstand und einen Psychopathen zur Hauptfigur hatte, und weil der amerikanische Modeschriftsteller mir auf den Fotos gefallen hatte und in dem Interview, das glaube ich damals in der Modezeitung Tempo gestanden hatte.
Es ist selten, dass man jemanden mit einem guten Buch in der Bahn sieht, alle lesen diese Bastei-Lübbe-Heyne-Schmöker, Biss zu Mittag, Der Abzug, sind ja immer erstaunlich dick, diese Parallelweltbücher, die Trashbestseller. Kann man so weglesen, wird dann auch oft gesagt, das gilt dann als Qualitätsmerkmal.
Zuhause lief während der Lektüre tatsächlich der Fernseher. Tennis auf Eurosport, Federer ließ Hewitt ziemlich alt aussehen. Ich habe noch nie selbst Tennis gespielt. Im Hintergrund lief eine CD mit MP3s, eine Art Mix-CD in Überlänge, was im Vergleich zu einer normalen CD dem quantitativen Verhältnis von U.S. zu sagen wir “Jedermann” entspricht. Das Niveau des heutigen Pensums kommt dem Federers ziemlich nahe, dachte ich zwischen Buch und Bildschirm den Blick changierend, allein die Abhandlung zum Thema Tätowierungen ist ziemlich gut. Dass “Tät” als Kurzform von Tätowierung (statt Tattoo) verwendet wird, hat mich irritiert; denn das habe ich so noch nie gehört und auch noch nie gelesen. Die folgende sich anbahnende Einnahme des Monsterzeugs DMZ ist auch recht großartig; ich kann es kaum erwarten, hier endlich eine Drogengeschichte von innen zu lesen; darauf warte ich wie auf die Beschreibung eines Tennismatchs. Ansonsten bin ich, es ist inzwischen Sonntag, jetzt ziemlich müde gelesen. (Stand: S. 315)
1996 erschien »Infinite Jest« in den USA und machte David Foster Wallace über Nacht zum Superstar der Literaturszene. Vor einem Jahr nahm sich David Foster Wallace das Leben. Sechs Jahre lang hat Ulrich Blumenbach an der Übersetzung von Wallaces Opus magnum gearbeitet, dem größten Übersetzungsprojekt in der Geschichte des Verlags Kiepenheuer & Witsch.
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2 Kommentare zu Federer in vier
Guido Graf
6. September, 2009 um 18:17
morgen im SPIEGEL, Bestsellerliste: „Unendlicher Spass“ auf Platz 8, gleich hinter Sarah Kuttner…
Daniela Sickert
6. September, 2009 um 19:38
Haha. Hätte mich wirklich gefreut, wenn in diesem Fall einmal meine Erwartungen nicht eingelöst worden wären. Andererseits ist Platz 8 ja richtig gut.
An dieser Stelle möchte ich auf die Trilogie „November 1918“ von Alfred Döblin hinweisen. Das mehrbändige Werk erinnert sowohl in Umfang als auch Textstruktur an UE. Eine Untersuchung hat darin etwa 50 Erzählstränge gezählt. Die Fußnoten fallen natürlich weg. Aber auch so hat das Werk nicht die ihm zustehenden Leser gefunden.
Interessant auch der immer wieder aufkehrende Kommentar, die wenigsten, die UE/IJ in den USA gekauft haben, hätten es auch zu Ende gelesen….