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(gestern nacht geschrieben; dann sah ich, >>>> daß Niemann sich gemeldet hat und stellte den Beitrag noch nicht ein, um ihm den Raum zu lassen. Jetzt stehen aber bereits Krekeler und Gröschner dazwischen, also „darf“ ich.)
Zur >>>> Lesung hin, von der Lesung zurück. Auf der Hinfahrt, ich hatte doch lesen wollen, nur vor mich hingedämmert, dann sogar eingeschlafen, aufgewacht, weitergedämmert. Vor mir der Laptop, der je nach Landstrich, mal ins Netz ging, mal wieder rausflog; dadrauf US, sogar aufgeschlagen, aber wenn ich’s versuchte, verschwammen die Zeilen. Man wird a) älter, b) sind längerdauernde Zahnbehandlungen, auch wenn man viel dabei lacht, offenbar kraftzehrend. Abends den Roman neben mich gelegt, aber über Magenattacke und Wallander eingeschlafen (den ich eigentlich nie mehr ansehen wollte, weil ich auf Mankell sauer bin und seine Urherberrechtlerei; er bleibt aber gut); egal. Doch die Rückfahrt… ich gehör zu den Leuten, die nix überspringen können, also auch keine Fußnoten, und vergnüglich, doch auch schluckend, ließ ich mich von der Note 45 zur Note 304 weiterleiten, die indirekt und (als Dissoziation gemeint:) ausschweifend Marathes Vorgeschichte erzählt. Sie ist von einer solch absurden, nein: bizarren – bizarr wie Reißnägel sind, wie die winzigen Tausende Widerhaken sind auf Haihaut – Wahrheit, daß das Buch hier, bislang aber wirklich n u r hier, pynchonsches Format erreicht – nämlich weil das Geschehen zugleich konkret und metaphorisch, gleichzeitig amoralisch, aber unbedingt ist, unbedingt wie die Wahrheit einer mathematischen Formel; ich will Lesern nichts verpetzen, lesen Sie das selbst, bitte; es hat den ( hier freilich nicht-sexuellen) Ästhetizismus der cronenbergschen Interpretation von Crash (Ballard)… Was dabei auffällig wird und viel, glaube ich, über die nicht Beweg-, sondern Bewegungsgründe des Romans aussagt, ist nicht etwa, wie haarsträubend das erzählte Spiel an sich ist (es bleibt dabei immer jugendrealistisch, auch das ist hier wichtig, dreht also nicht ab), sondern daß per Hals quasimoralischem Kopfschütteln erzählt wird, er wundere sich darüber, daß manche Leute mehr Energie auf ein Plagiat anwendeten, als es sie kosten würde, einfach selbst zu erzählen. Diese Art der vorgeführten Uneigentlichkeit gegenüber einem Skandalon, dieses Überhaupt nicht mehr an ein „Eigentliches“ rückgebundenzu sein, ja imgrunde weder Kenntnis noch auch Ahnung davon zu haben, was das denn sein könne… – das beschäftigt mich. Es geht, merke ich, um eine Entfremdung, von der nicht mehr gefühlt wird, w a s fremdgeworden ist.
Unterdessen stört mich auch gar nicht mehr die vorgebliche Disparatheit, auf diesem Blog von ein paar Mitschreibern „Geschwätzigkeit“ genannt; da ist nichts Geschwätziges, und zwar, je mehr Wallace „einfach“ durcherzählt. Dazu kommen Sinn-Verleser, zu denen W’s Stil verführt (etwa bei „aber vom Sonnenuntergang (war) nur noch ein Schnäuzchen über Newton übrig“; ich las nämlich erst nicht Newton-als-Stadt, sondern Newton-als-Figur-als Symbol; die Stadt folgt dann sofort, so daß ich auflachen mußte; dazu ist die doppelte Umlaut-Anlautung entzückend; das geht jetzt an Herrn Blumenbach.), und im Zusammenhang einer Semi-SF ziemlich geglü(!)ckte Verballhornungen: Imperiale Müll-Entsorgung; irgendwie paart das Spielbergs Star Wars mit Adams‘ Erdsprengung für eine interstellare Durchgangsstraße. Danach dann die ziemlich notwendigerweise scheiternde Verführungsszene im Wald. Ein bißchen schade nur, daß Wallace seinen Wayne des Chus „Plato“ in „Plateau“ korrigieren läßt; wir haben’s doch selbst gemerkt, sogar sofort; jetzt nimmt uns das den Doppelsinn. Aber das sind Kritikchen. Fein auch, davor, die Passionsbilder als Notdurft, 148 ff., vielleicht um die Leute im Fell um zwei Sätze überzogen. Weiters habe ich gar nichts dagegen, daß „Magenausheberung“ (101) ein Druckfehler sein könnte; er könnte es nämlich auch nicht sein, und ich möchte darüber bitte keine Aufklärung haben. Das Konzept des Romans, soweit ich es bisher beurteilen kann (ich will gar nicht beurteilen, so’n Quatsch… soweit mir mein Instinkt das sagt, das ist besser), w i l l solche Ungeklärtheiten erzeugen, vielleicht einfangen, sie jedenfalls n i c h t festschreiben.
Über etwas anderes dachte ich noch nach, nämlich über die von Bender >>>> dort fortgesetzte theoretische Interpretation. Viele Beiträge klingen oft so, als hätte Wallace all das tatsächlich gewollt. Ich bin mir da unsicher. Er mag einiges davon gewollt haben, aber vieles schreibt sich unter dem Willen des Autors hindurch, nicht selten sogar gegen seinen Willen. Jeder, der in künstlerischen Prozessen steckt, kann ein Lied davon singen, daß sich Figuren, Figurenkonstellationen, ja sogar die „Botschaften“ nicht selten verselbständigen, daß aus einem Buch etwas ganz anderes hervorgeht, als man hineingesteckt zu haben meinte usw., und das sogar in politischen Belangen. Man verfügt als Dichter auch über die eigene Dichtung nicht – das „Dritte“, von dem Adorno schrieb, steht auch außerhalb u n s e r e r Disposition -; wo dennoch verfügt, also funktional geschrieben wird, wird Dichtung pädagogisch und dient entweder der Selbstbestätigung für eine ohnedies dasselbe meinende Gruppe, oder aber, man spürt’s und will’s sofort wieder lossein. Es kann richtig sein, was gesagt wird über ein Buch, aber das muß nicht das sein, was der Autor wollte. Es kann sogar das Gegenteil dessen sein, was er beabsichtigt hat, ohne daß das die Qualität irgend beeinträchtigte.
1996 erschien »Infinite Jest« in den USA und machte David Foster Wallace über Nacht zum Superstar der Literaturszene. Vor einem Jahr nahm sich David Foster Wallace das Leben. Sechs Jahre lang hat Ulrich Blumenbach an der Übersetzung von Wallaces Opus magnum gearbeitet, dem größten Übersetzungsprojekt in der Geschichte des Verlags Kiepenheuer & Witsch.
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4 Kommentare zu Das Spiel des nächsten Zuges.
sinedi
7. September, 2009 um 07:35
„Nicht denken, nur schauen, nicht wissen, nur fließen“. (S.159) und „Man stellt das Denken ein, lässt es fließen und macht kabumm, kabumm.“ (S. 248).
Das sind in meinem ersten Teil-Resümee zwei für mich wichtige Schlüssel-Zitate aus dem von mir bisher bewältigten Teil des 1547 S. starken „Romans“ DFW: U.S.
Da bleibt der Spaß bzw. das „Spiel des nächsten Zuges“ inzwischen ein wenig „im Halse stecken“, da bekomm ich wenigstens einen schalen Geschmack im Mund, und meine Zunge fährt dauernd über die kleine Zahnfleischschwellung an der Zahnwurzel eines linken oberen Backenzahnes. Da endet der unendliche Spaß ein wenig bzw. unterbricht sich in seiner Unendlichkeit…
Ein guter Guru, den ich kannte, würde jetzt dignostizieren: „Au – Zähne – das ist das Wurzelchakra…“, wenn ich ihm das erzählen würde. „Also etwas Grundlegendes, etwas total Basales – auch bei dir. Da spricht dich etwas an. Vielleicht deine eigene Leere manchmal. Aber sei getrost, dass ist eine Leere, unter der wir, alle Zeitgenossen mit dir, bei diesen kulturellen und gesellschaftlichen Verhältnissen leiden – wenn ich so sagen darf.“
So ungefähr, würde es dieser Guru zusammenfassen, was sich da in meinem Munde abspielt, beim Lesen vom U.S.. Und ich suche dann meine Leere in mir. Aber was soll man denn als Leere tatsächlich real vorfinden?
Es fühlt sich auch nicht hohl an, nur flau, nur metallen-kalt und nicht nur zahnfleischschwellend, sondern auch vom Sonnengeflecht grummelnd aufsteigend. Ich weiß nicht, ob es so etwas gibt, eine substantiell gefüllte Leere.
Der „JETZT-TV“-Guru SAMARPAN (OSHO-gestählt) sagt auch: „Stell dieses unaufhörliche Denken ein, integriere Dein Unwohlsein. Begrüße es als Teil von Dir selbst. Heiß es Willkommen.“ Und der olle Gestalt-Freak Fritze Perls hätte so etwas alles ebenfalls schlicht „Mindfuck“ genannt.
Was man also diesen Tennis-Eleven im Roman U.S. beibringen wollte, ist auch Bestandteil einiger landläufigen therapeutischen Ratschläge einschlägiger Psycho-Schulen, um zu überleben – bzw. überhaupt zu leben, soweit man sich dazu aufraffen mag.
Und trotzdem ist auch diese Ausweglosigkeit und dieses Riesen- Mikado (früher „Beamten-Mikado“ genannt) „Wer sich bewegt, hat verloren…“, was überall – jawoll überall vorherrscht (besonders jetzt auch in diesem hochspannenden Bundestagswahlkampf aller Parteien – um „jede – auch Deine – Stimme“ – gähn…), – in diesen Sätzen spürbar.
Und damit wird jedoch auch das Gegenteil davon, nämlich dieser völlig unbegründete und überbordende Aktionalismus unserer Eltern bzw. auch unseres Elternseins entlarvt: Die Kinder müssen zur Musikschule, zum Reiten, ins Freibad – damit sie nicht auf dumme Gedanken kommen und saufen und rumkiffen – und damit man selbst seine Leere und Langeweile irgendwie füllt, „sich beschäftigt“. Die eigene Wachheit soll abgefüllt und damit „beruhigt“ werden – mit Aktionen – damit die Zeit vergeht und damit (Selbst-)Sicherheit geschafft und beibehalten wird … – Und wer übernimmt eigentlich noch für irgendwas VER-ANTWORT-UNG … eben als Antwort auf diese Fragen in all der Sinnlosigkeit …
WARUM SOLL ICH – SOLL MAN – NOCH KABUMM-KABUMM MACHEN ????
Alban Nikolai Herbst
7. September, 2009 um 09:42
@sinedie zu In all der Sinnlosigkeit.
Das kommt mir nun echt nach Luxus-Weltschmerzerln vor. Ich kann Ihnen als Vater eines neunjährigen Jungen und als Papa eines zweieinhalbjährigen Zwillingspärchens versichern, daß meine Kinder nicht auf die Musikschule gehen, damit sie nicht auf dumme Gedanken kommen, sondern weil es lustvoll ist, ein Instrument spielen und, wenn man es früh genug erlernt, das auch meisterhaft zu können – so daß sich einem Stücke, die man spielen möchte, nicht einfach aus technischen Gründen versagt bleiben müssen. Zum anderen, weil besonders mein Junge zur Musikschule w o l l t e und auch Instrumente erlernen wollte und weiterhin will; ich würde ihn nicht zwingen. Darüber hinaus bekomme ich bei bejammerter „Sinnlosigkeit“ sowieso die Krätze: Ein einziger Blick einer Frau, die begehrt, füllt einen doch komplett an mit Erregung, mit Lebenwollen, mit riechen, schmecken, sich verschießen Wollen, egal ob man zwanzig oder fünfzig ist; der Blick ist immer der gleiche. Wenn Sie überm Oliphants River zum Sundowner sitzen und nach unten sehen, wenn Sie an Vulkanen, die speien, stehen, direkt daneben, ja wenn Sie auch nur eine große Aufführung von Mahler IV gehört haben oder Zimmermanns Ekklesiastische Aktion, wenn Sie vor Installationen Iannis Kounellis‘ stehen, wenn Kapoor Ihnen die Raumempfindung umdreht … meine Güte, wo ist denn da die Sinnlosigkeit? Ich finde das ein ziemlich abstraktes Gejammer. Wenn Sie gerne kochen, und das Essen gelingt… und manchmal liegt so ein Licht, ein ganz ungefähres, über der Straße, daß einem das Herz, ja: bangt, wenn Sie Gastfreundschaft ausgerechnet in Slums erleben, nicht nur Gastfreundschaft, auch Freundschaft, wenn Sie Freundschaft-überhaupt erleben, und wenn Sie, das über allem, Kinder erleben, wie sie aufwachsen, mit welcher Wachheit, welchem Mut, welcher Weltzugewandtheit, welcher Kraft zu eigenen Entschlüssen und Wagnissen… ja du meine Güte! Ich stelle hier die Frage, die ich immer in solchen Fällen stelle: Wollen Sie leben? Wenn nicht, dann haben Sie, zumindest in unserer Kultur, das Recht zu gehen. Ich empfinde das als eine große Errungenschaft. Aber: Wollen Sie leben oder lieber nicht leben? Wenn man „ich will leben“ sagt, relativiert sich das Gejammre schnell ganz von selbst. Und man packt an, was anzupacken, oder hält aus, was auszuhalten ist.
(Um nicht mißverstanden zu werden, passiert mir ja oft: Es ist gar keine Frage, daß es furchtbare Mißstände gibt, auch schwerste Verbrechen; es ist auch gar keine Frage, daß man gegen sie angeht. Im übrigen verschafft genau das aber eine Lust, die einen ihrerseits mit enormer Kraft entgilt : Kampf – nicht Krieg, um es mit Bloch zu sagen. Von Leuten, die schwer erkrankt sind, spreche ich hier nicht; die haben mit Recht eine andere Perspektive.)
sinedi
7. September, 2009 um 12:10
@ Alban Nikolai Herbst
Ogottogott – was habe ich da für einen prallen Lebensschrei bei Ihnen provoziert und regelrecht ausgelöst – fast würde ich sagen, das wollte ich gar nicht.
Ich habe ja „nur“ mein Resümee gezogen aus dem was ich dem Roman U.S. (ich bin mittlerweile bei S. 268 angelangt – und habe Note 304 noch nicht erreicht..) bisher entnommen habe.
Nicht ich bin hier gar ein Lebensmüder oder Verzweifler oder verzweifelter Sinnsucher. Ich habe über Literatur nachgedacht, die ich vorgefunden habe, und die ich mir einverleibte, und aus der ich Schlüsse zog, und in der ich eine Spur von Sinnlosigkeit meinte hineindeuten zu müssen bzw. zu können.
Da ist leider von einem solchen prallen Lebenswillen, den Sie da beschreiben, auch nicht ansatzweise – mir wenigstens nicht – etwas abzuspüren – und ich weiß nicht wo Sie diesen Lebenswillen bisher in der Lektüre herauslesen wollen – etwa aus der Note 304 zu der Sie schon mal vorgesprungen sind?
Ja- und dann: – Und dann führen Sie ausgerechnet als Beispiel gegen die von mir apostrophierte „Sinnlosigkeit“, die ich da bisher wahrnehme – wohlgemerkt in dem von mir erstanden Text von DFW -, die »Ekklesiastischen Aktionen« von Bernd Alois Zimmermann an.
Die kannte ich bisher – wahrscheinlich leider – noch nicht – ebenso habe ich leider aus Finanzgründen und wegen meines bisherigen persönlichen „prallen Lebens“ noch nicht „überm Oliphants River zum Sundowner gesessen und nach unten gesehen“ – aber ich wohne in dem 09. Stock eines Hochhauses und schaue auf den Teutoburger Wald, über dem heute wie an vielen anderen Tagen oft funkelnd rot die Sonne aufgeht … – auch schön….
Aber ich habe zu den „Ekklesiastischen Aktionen“ gegoogelt, um mich nun auf Ihren Ratschlag hin wieder emotional etwas zu stabilisieren – und finde doch tatsächlich dazu von Oliver Korte folgenden Textauszug unter dem Untertitel „Untersuchungen zu einer Poetik des Scheiterns“[sic – !!!]:
„Bernd Alois Zimmermanns letzte Komposition beschreibt ein sich auf allen Ebenen vollziehendes Scheitern an den irdischen Verhältnissen, das symbolisch auch in Musik und Textbehandlung erkennbar wird. So kippt zum Ende der »Ekklesiastischen Aktion« Anklage in Klage und Auflehnung in Ohnmacht. Fünf Tage nach Abschluß der Komposition nahm sich der Komponist das Leben.“
(Quelle: http://shop.positionen.net/product_info.php?products_id=820).
Tja – wie denn nu? Wird hier also vielleicht ein globales Scheitern und eine globale Ohnmacht, wie sie ja nach meinem bisherigen individuellen Empfinden auch von DFW im U.S. herauszulesen ist, der ja auch seine Konsequenz wie Bernd Alois Zimmermann (BAZ) aus einem solchen „Leben“ gezogen hat, plötzlich eine Hymne auf die uns zugedachte Vitalität. Und sind die langen Schatten bei Marathe und Steeply nur eine andere Form des „Sundowners“ vom Oliphat River ?
Ist das alles das Leben, was wir nun anstreben und was wir unseren Kindern in der Musikschule ermöglichen wollen?
Nee – da gehe ich nicht mit. Dass ich persönlich ja kein Kind von Traurigkeit bin hatte ich ihnen ja vor einigen Tagen schon mit meinem kleinen „aprèsgardistischen“ „INFINITE-JEST“-TRAILER bei Youtube (http://www.youtube.com/watch?v=PUJ8OFvaxZU) angezeigt.
Also mir müssen Sie nicht zeigen oder lehren (oder leeren?), was Leben ist – und wo und wie Leben zu spüren ist. Wegen mir müssen Sie keine Krätze bekommen – aber vielleicht mehr über DFW nachdenken, dessen unendlicher Spaß nur tödlicher Ernst und tödliche Langeweile ist, wie die „Ekklesiastischen Aktionen“ – aber manchmal sieht man ja den Wald vor lauter Bäumen nicht.
Aber so ging es ja den beiden jungen Fischen auch in der Parabel, die DFW so gern erzählte:
Schwimmen zwei junge Fische daher und treffen auf einen älteren Fisch, der ihnen zunickt, in die andere Richtung schwimmt, und sagt: „Morgen, Jungs. Wie ist das Wasser?“ Und die beiden jungen Fische schwimmen noch ein bisschen, bis der eine schließlich zum andern rübersieht und sagt: „Was zur Hölle ist Wasser?“
Wo wir vielleicht denken, ja dass da, dafür lohnt sich zu leben, dafür bringen andere sich um und erkennen die Sinnlosigkeit und Beliebigkeit in den meisten unserer Sprachspielen und Beschäftigungen …
Da wir Gott so gründlich und mehrfach und sauber totgeschlagen haben, heulen wir nur noch zum kalten Mond, der zur Scheibe geworden ist …
Aber auf diesen seiten steht auch irgendwo in einem Thread: Gott wäre ja vielleicht Pooh der Bär … ???
Eines hat DFW noch gesagt, was viellicht hierher gehört:
„Aber natürlich gibt es viele verschiedene Formen von Freiheit, und über die kostbarste werden Sie draußen in der großen Welt des Gewinnens und Erreichens und Herzeigens nicht viel zu hören kriegen. Zu der wirklich wichtigen Form von Freiheit gehören Aufmerksamkeit und Bewusstheit und Disziplin und Bemühen und die Fähigkeit, sich anderen Menschen wahrhaftig zuzuwenden und Opfer für sie zu bringen, wieder und wieder, jeden Tag, auf Myriaden von Arten, die trivial, klein und unsexy sind. Das ist wirkliche Freiheit. Die Alternative ist Bewusstlosigkeit, die Standardeinstellung, die „Tretmühle“ – das ständige nagende Gefühl, etwas Unendliches gehabt und verloren zu haben.“
Quelle: http://www.welt.de/kultur/article2952066/Die-enorme-Last-des-Erwachsenwerdens.html
Alban Nikolai Herbst
7. September, 2009 um 14:39
@sinedi:
Jetzt verstehen wir uns wahrscheinlich wechselseitig falsch. Ich führte Zimmermanns Stück an, weil, diese Klage anzuhören, Kraft gibt. In dem Sinn schrieb Paglia einmal, Rituale in der Kirche oder im Theater (wie, füge ich hinzu, in der Literatur) seien amoralische Verdichtungen, die dadurch, daß sie Gefühle in Form brächten und erstarren ließen, Angst zerstreuten. Dem fügt sie den massiven Satz hinzu: „Das Ritual der Kunst ist das grausame Gesetz des in Lust verwandelten Schmerzes.“ Auch die Ekklesiastische Aktion (die auf Dostojewskis Großinquisitor zurückgeht) ist insofern keine Klage 1:1, sondern eine Erhöhung, welche wir mit dem Schauer der Lust erfahren; religiös gesprochen: die Kunsterfahrung läutert uns. Das ist ganz unabhängig davon, ob man im Fall Zimmermanns eine autobiografische Deutung dranhängt; die hat mit dem Kunstwerk selbst nichts, aber auch gar nichts zu schaffen, sondern gehört in den Rahmen der Individual-Pathologie. Genau darum wehre ich mich auch gegen den anmaßenden Übergriff, in den hier geführten Diskussionen Wallaces Freitod oder Selbstmord (beides schreckliche falsche Begriffe) zum auch nur erwähnten Gegenstand zu machen; es geschieht dankenswerterweise auch kaum. Doch mir gefällt schon der Hinweis darauf rechts oben im Blog-Kopf nicht.
Da wir Gott so gründlich und mehrfach und sauber totgeschlagen haben, heulen wir nur noch zum kalten Mond, der zur Scheibe geworden ist …
Aber auf diesen Seiten steht auch irgendwo in einem Thread: Gott wäre ja vielleicht Pooh der Bär … ???
Beides sehe ich nicht, beides erlebe ich so nicht. Gott ist eine Idee, sie läßt sich nicht totschlagen, allenfalls verdrängen und taucht deshalb unerahnt immer wieder auf, wo wir sie längst nicht mehr erwarteten, nicht nur in der ziemlich klaren Bedrohung durch den fundamentalen Islam, sondern auch in unserer jetzigen Gesellschaft-selbst. Es ist Ihnen sicher nicht unbekannt, daß es jüngst in der Bundesrepublik >>>> eine fundamentalchristliche Bewegung gegeben hat (vielleicht auch noch gibt?), die den Biologieunterricht unterlaufen wollte und so bizarrerweise wie tatsächlich Gehör bei einer hessischen Schulministerin fand. Ich kann da nur sagen: Unterschätzt „Gott“ nicht.
Im übrigen, mit dem Lob des „trivialen Einsatzes“, haben Sie recht, auch wenn das ein wenig sehr nach „Man kann nur im kleinsten Kreis den Frieden bewahren“ klingt, der typischen Kleinbürgersausrede, sich nicht offen zu engagieren.