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A.
Was ein guter Satz so alles vermag… In der Originalfassung war mir der neue Absatz eines Seitenumbruchs wegen gar nicht aufgefallen (S.11-12), obwohl er der Passage einen ganz anderen Rhythmus verleiht:
“Meine Bewertung ist nicht gekauft”, erkläre ich ihnen, rufe ich in die Dunkelheit der roten Höhle, die sich vor geschlossenen Augen erstreckt. “Ich bin nicht nur ein Junge, der Tennis spielt. Ich habe eine verzweigte Geschichte. Erfahrungen und Gefühle. Ich bin Komplex.
Ich lese”, sage ich. “Ich studiere und lese. Wetten, dass ich genauso viel gelesen habe wie Sie? Das können Sie mir ruhig glauben. (…)” (S. 20)
[Zur Übersetzung: der herrliche Gegensatz zwischen ‘opens out/closed eyes’ ließ sich leider nicht buchstäblich beibehalten: “(…) I am telling them, calling into the darkness of the red cave that opens out before closed eyes”, doch wird auf die “verzweigte” (für “intricate”) Geschichte transponiert. Schön!]
B.
In der Beschreibung der vielleicht wichtigsten Neuigkeiten aus dem Jahre der Inkontinenz-Unterwäsche* (S. 87) war mir bisher noch nie aufgefallen, dass es darin ein Semikolon gibt, obwohl es für die Interpretation des Gesagten bedeutend ist.
Die Interpunktion suggeriert ja ein gewisses (…) Hoch auf Ursache und Wirkung (S. 1423): der Sponsor kann sich auf die Introduktion der “Multifunktions-TPs” freuen, denn wie das Beispiel des Gesundheitsattachés zeigt, gibt es dafür tatsächlich “Killer Apps”. Allerdings gehen sie mit schweren Nebenwirkungen einher, die das Jahr zu beherrschen scheinen (daher auch das Semikolon), und wegen der die Menschen wohl zu Hause bleiben, um sich noch mehr Entertainment reinzuziehen. “Die totale virtuelle Bewegungslosigkeit, das vollkommene simulierte Wohlfühlprogramm, alles bequem vom Wohnzimmer aus” (Schrecklich amüsant – aber in Zukunft ohne mich, S.114), in lebensnaher Auflösung. (Nebenbei: auch besonders toll finde ich das Detail der “virtuellen Couture, das mich an kleine-Mädchen-Computerprogramme erinnert)”
Weniger schön ist jedoch die ‘falsche’ Worttrennung in “Yushityu-Nanoprozessoren”, die verdeckt, dass man die (auch weiter im Roman wichtige) Marke als you shit you lesen kann, als Anrede und Aufforderung zugleich.
Es ist nun mal das Jahr der Inkontinenz-Unterwäsche…
____
* Warum wurde hier eigentlich nicht die Marke Depend® beibehalten? Der “Bedeutungsschwelle” wegen?
1996 erschien »Infinite Jest« in den USA und machte David Foster Wallace über Nacht zum Superstar der Literaturszene. Vor einem Jahr nahm sich David Foster Wallace das Leben. Sechs Jahre lang hat Ulrich Blumenbach an der Übersetzung von Wallaces Opus magnum gearbeitet, dem größten Übersetzungsprojekt in der Geschichte des Verlags Kiepenheuer & Witsch.
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2 Kommentare zu 2x Umbruch
Christoph
12. September, 2009 um 19:16
A. Dieser Beitrag kann unmöglich ernst gemeint sein!
B. Allein das „Beweis-Foto“…
Es lässt sich ja gar nicht schnell genug den Blick vom Monitor reißen…
Auweia!
Iannis Goerlandt
13. September, 2009 um 10:45
@ Christoph
Doch, der Beitrag war ernst gemeint. Es ist nicht immer leicht, sich nach durchwachter Nacht (mein anderthalbjähriger Sohn ist seit einigen Tagen krank) und zwischen dringenderen Aufgaben, einen Beitrag zu verfassen – daher vermutlich die konfuse Argumentation.
Was ich sagen wollte:
(1) Ich lese den Roman jetzt zum 4. Mal ganz. Dabei interessiert mich an erster Stelle die Übersetzung, an zweiter Stelle diejenigen Passagen und Details, die mir bisher nicht aufgefallen waren. Dazu lese ich US neben IJ und (zum ersten Mal) Greg Carlisles hervorragendem und empfehlenswertem Kommentarband Elegant Complexity, was ein wahrhaft monströses Lesepensum ist. Dabei ist so viel zugleich zu beachten, dass ich manchmal nicht ganz durchblicke, geschweige denn weiß, welche Details auch anderen Lesern wichtig sein könnten. Ich lese die anderen, weiter ausschweifenden und kontextualisierenden Beiträge auf diesem Blog mit Genuss, doch es sollte mir gestattet sein, auch auf Winzigkeiten aufmerksam zu machen. Jeder schreibt hier, wie ihm die Tastatur gewachsen ist.
(2) Eines dieser “Details” ist die für den deutschen Leser ‘aufgelöste’ Übersetzung der Jahresnamen, die Herr Blumenbach in einem sehr interessanten Essay in Schreibheft erläutert:
Ich kann diese Wahl also gut nachvollziehen (obwohl ich mit der Eindeutschung von “Year of Glad” immer noch Schwierigkeiten habe, eben weil das Element “Fröhlichsein” in der Englischen Fassung [vermutlich] auch das erste ist, woran die Leser denken, bevor sie wissen, dass es dort eine Sponsorenzeit gibt – außerdem ist „Year of Glad“ einfach eine knappe, prägnante Wendung), doch im Falle vom “Jahr der Inkontinenz-Unterwäsche” fehlt der Markenname “Depend”, was in der Sponsorenzeit sonderbar anmutet. Daher die Frage in der Fußnote.
(Dazu noch nebenbei, dass das englische Kürzel „BS“ (Before Subsidization) mich an das geläufige Kürzel für bullshit erinnert)
(3) Zu Abschnitt B.: Dass Ihnen das “Beweisfoto” missfällt, daran lässt sich nichts ändern. Ich brauchte das Foto aber, weil ich sonst die Worttrennung nicht visualisieren konnte. Das “Yushity” (das in einem anderen, von Avril Mondragon kritisierten Jahresnamen figuriert, und das hervorragend zum dargestellten Jahr der Inkontinenz-Unterwäsche passt) ist für den Roman lexikalisch und rhetorisch besonders typisch, daher wollte ich auf die ‘irreführende’ Trennung hinweisen. Okay, es ist ein Detail, aber eins, das mich (leicht) geärgert hat.
(4) Zu Abschnitt A.: Im Grunde wollte ich bloß darauf hinweisen, in welcher Weise mich der Roman auch mit Details sehr treffen kann. Natürlich lese ich den Text auch der Thematik wegen, des Stils, der immer noch ungelösten Fragen, doch ich weiß, dass es auch solche Kleinigkeiten sind, in denen sich des Autors Meisterschaft zeigt. Was Wallace hier macht, ist sehr schön: die direkte Rede wird hier, wie es einer Art Abhandlung, dem Inhalt gemäß über verschiedene Absätze verteilt, was meistens nicht besonders ins Auge springt, doch hier, gerade in dem Moment, wo Hal über seine Belesenheit und die “Techniken” seiner Sprachbeherrschung spricht, am Absatzwechsel vorgeführt wird – und besonders deswegen, weil die direkte Rede am Anfang des Absatzes fast unmittelbar für einen Moment geschlossen wird: Ein anderer Autor hätte vielleicht die Anführungszeichen nach “komplex” geschlossen, und vor “Ich” wieder geöffnet. Es ist eine schöne Form-Inhalt-Kongruenz, die man im Original wegen des Seitenumbruchs nicht so gut sehen kann. Ist doch relevant, oder?
(5) Zur Anmerkung zur Übersetzung der “roten Höhle” muss ich weiter nichts erläutern. Einfach schön gemacht, wie so vieles in der Übersetzung. Ich habe die Anmerkung hinzugefügt, weil ich nicht den Eindruck geben wollte, immer nur an der Übersetzung (wie in B.) rumnörgeln zu wollen.