Als endlich der Spaß auch bei mir ankam, war ich gerade schwimmen¹.
Nun denke ich im Wasser – warum auch immer – oft über Rilke nach. An diesem Tag angesichts planschender Aggrokids über dessen „Karussell„. Voilà, war ich überrascht, als ich daheim dem Buch Karton & Folie vom Leib gerissen hatte: Auch das Unendliche ist groß und weiß; und fällt wie ein Elefant nicht um, wenn es für sich allein steht. Das ist Qualität.
Wahrscheinlich hätte ich auch gleich die ersten hundert Seiten verschlungen, wenn nicht Wolfsburg gegen Hamburg so kläglich verloren hätte. So musste ich verspätet einsteigen. Stand jetzt: S.50.

Erster Eindruck: Bisher ist von der angedrohten Anstrengung und dem komplizierten Bau wenig zu sehen. Positiv überrascht, denn der Spaß ist im besten Sinne ein Schmöker, der sich – adäquate Bizepse & Trizepse vorausgesetzt – vielerorts störungsfrei lesen lässt.

Trotzdem, und ohne dem Übersetzer nach dem Mund zu reden, finde ich den Einstieg auch ein wenig spröde, hölzern. Der Hochbegabten-Jargon², die überdrehte Prüfungskommission und das Switchen zwischen Hals Innen und Außen sind mir bisher eine Spur zu woodhammerig. Ich warte darauf, dass es sich mit dem Weiterlesen gibt. Sei es, dass es sich ändert, oder ich mich einfach dran gewöhne.

Von Freunden von Freunden von Freunden habe ich mir noch erklären lassen, dass der Extremo-Kiffer sprachlich hervorragend eingefangen ist. Ich vertraue dem Urteil, und fiebere weiteren hysterischen Intonationen entgegen.

Außerdem schön:

„Die Sonne ist der Hammer.“ (S. 25)
„eine bewußt unangenehme Wahnsinnsmenge“ (S. 35)
„noch nie hatte er die Ankunft einer Frau, die er nicht sehen wollte, so sehr herbeigesehnt“ (S. 36)

Gruß in die Runde!

¹ Das Columbia-Bad heißt auch Kulle. Sommerbad Neukölln, wie die Haltestelle, nennt es kein Mensch.
² Eine andere Variante des Wörterbuch-Nerds: Die Figur Frenchy aus Woody Allens Small Time Crooks. Die Dame kommt jedoch, soviel sei verraten, über das A nicht hinaus.

Robert Michael Wenrich, 1983 in Salzgitter geboren. Geisteswissenschaftliches Studium in Potsdam und Berlin, Ausflug in die Computerspielbranche, studiert Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus in Hildesheim, schreibt zurzeit Lyrik und Drehbücher.

7 Kommentare zu und dann und wann ein weißer Elefant

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Marvin Kleinemeier

25. August, 2009 um 23:31

Auch nett: „Er ließ sich nicht auf die Stulle furzen und war ein fröhlicher, aber unerbittlicher Anhänger der Rache-ist-Blutwurst-Schule.“

Nächtlichen Gruß zurück!

P.S.: An die Betreiber – wie wäre es mit einer Seite, auf der nur interessante Textzitate gesammelt werden?

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Guido Graf

25. August, 2009 um 23:34

wie wäre es mit einer Seite, auf der nur interessante Textzitate gesammelt werden?

nur zu: right here, right now

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Thorsten Wiesmann

26. August, 2009 um 11:17

Inwiefern D.F.W. wirklich visionär ist und wie UNENDLICHER SPASS die Grundlage unserer Gesellschaft aufdeckt: (Wie heißt es so schön in der Exegese von Philip K. Dick: „Die Macht der gefälschten Welt durch Informationen zerbrechen.“)

Den tieferen Sinn des Romans von David Foster Wallace zeigt ein Textzitat auf, in der die eigentliche Basis der westlichen Gegenwartsgesellschaft entblößt wird: Tief in ihrem Inneren hüten Menschen innerhalb dieser Gesellschaftsform die Karotte des Konkurrenzdenkens als ihren Gral (Wallace beschreibt das als sinnlosen leeren Wettlauf von Wesen, die eine imaginäre Karotte vor ihre Nase gebunden haben). Die vollständige Ausrichtung an Konkurrenzmustern bringt eine Kunst hervor, die innere Leere als wahres Maß aller Dinge darstellt. Diese Kunst wird konsumiert um diese innere Leere zu kultivieren. Sie bringt aber schließlich die Menschen dazu, dem ganzen System des Karottenlaufs (einem System des Marktfundamentalismus) immer zynischer zu begegnen. Denn die Menschen beginnen sich einzugestehen, dass sie diesen Karottenlauf nur noch betreiben, weil sie innerhalb einer Gruppe, die völlig diesem Konkurrenz-Kult verfallen ist, nicht schief angesehen werden wollen. Weil sie voller Angst sind aus dieser Gruppe herauszufallen. Die Pop-Kultur, die Freizeit-Industrie und jede kommerzielle Medien- Schnittstelle sind für die Subjekte in solchen Gruppen die notwendigen Fetische, um vom Stamm um sie herum akzeptiert zu werden. Der Bezug zu diesen Fetischen tötet aber nach und nach alle echten Gefühle in den Subjekten ab.

Wie sich allgemein herausstellt, ist das Gefühlsleben nichts als ein riesiges Spiegellabyrinth, in dem hinter jeder Ecke ein anderer Pappclown versteckt herumsteht und nur darauf wartet mit einer gelassenen Geste umgestoßen zu werden. (Während das in seinen letzten Zügen liegende Gesellschaftssystem versuchte diese Clowns riesig aufzublasen und zu zementieren.)
Durch dieses Labyrinth irrend wird einem klarer, wenn man sich keine Karotte vor die Nase binden lässt: Wer sich sagt dies ist die Kunst und jenes ist das Leben, belügt sich selbst ohne es zu merken. Denn alles ist Kunst UND DIE ABWEICHUNGEN VOM WESENTLICHEN MACHEN DEN KÜNSTLER ZU EINEM GEHILFEN, EINER HURE, DER KRÄFTE DER KOMMERZIALISIERUNG.

Wir finden nun heraus, auch durch die Unterstützung der Klarsicht von solchen Autoren wie D.F.W., dass unter allem oberflächlichen Vergnügen – wir leben in einer Unterhaltungskultur, in der alles auf die Maximierung des Vergnügens ausgerichtet ist – eine Wirklichkeit verborgen liegt, von der die meisten nur noch nie gekostet haben, denn wir können nur wahrnehmen für was wir Worte haben, was wir irgendwie kategorisieren können.

Am Ende des Labyrinths wird es möglich Gewahrsein zu entwickeln, die Dinge einfach und direkt wahrzunehmen wie sie sind: „This Is Water…“ Wir treten durch einen letzten verzauberten Spiegel und haben den UnEnDLicHeN SpAsS endgültig hinter uns gelassen.

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Jan Böttcher

26. August, 2009 um 12:49

„Wie die meisten Nordamerikaner seiner Generation weiß er weit weniger über den Grund seiner Einstellung zu bestimmten Gegenständen und Neigungen als über diese Gegenstände und Neigungen selbst.“ (79)
Natürlich auch, weil man sich als Mitteleuropäer darin spiegeln, daran überprüfen kann.

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Stephan Bender

27. August, 2009 um 00:39

@Thorsten Wiesmann: Wann und vor allem wo soll er das gesagt haben? Woher ist das Zitat…:

Den tieferen Sinn des Romans von David Foster Wallace zeigt ein Textzitat auf, in der die eigentliche Basis der westlichen Gegenwartsgesellschaft entblößt wird: Tief in ihrem Inneren hüten Menschen innerhalb dieser Gesellschaftsform die Karotte des Konkurrenzdenkens als ihren Gral (Wallace beschreibt das als sinnlosen leeren Wettlauf von Wesen, die eine imaginäre Karotte vor ihre Nase gebunden haben). Die vollständige Ausrichtung

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Michael Pospie

28. August, 2009 um 11:43

@Thorsten Wiesmann. Das Bild mit der Karotte gefällt mir sehr.

Es erinnert ein bisschen an Adornos Haltung zu der sich damals langsam aber gewaltig entwickelnden `Kultur-Industrie`.

Ist das Phänomen der Pop-Kultur/Freizeit-Ind. nicht aber auch ein beflügelndes, welches nicht zuletzt solche Geister wie DFW erst möglich und vor allem bekannt macht.

Wenn solche, meißt jungen Subjekte, ungeahnt, ihrer Gefühlswelt verlustig gehen weil sie einer Peergroup nachjagen, könnte man doch auch hergehen und ihnen einfach sagen, dass es neben P. Hilton und Co. auch noch anderes gibt. Die werden aber höchstwahrscheinlich antworten: `Danke nein, da muß ich mich noch mehr anstrengen als e schon.` Wie der seelige M.Beltz einmal sagte: `Der Proletarier ist nicht an der Revolution interessiert. Der Proletarier ist am Feierabend interessiert.`

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Heide Witzka

30. August, 2009 um 14:17

Ogottogott, Hochkulturmenschen unter sich! Faseln von Wahrheit, Wirklichkeit und der hehren Hetäre Kunscht, von der die Pop- & Kommerzproleten, die Freizeit- & Unterhaltungsfetischisten da draußen vor der Tür ihres selbstgezimmerten Elfenbeintürmchens „noch nie gekostet“ haben, weil die sich nur für die Feierabend-, nicht aber die abendländische Kultur interessieren. Das Bild der Karotte gefällt mir auch ganz gut. Aber, liebe Peer-Groupies, guckt doch noch mal nach, ob auf Eurer Möhre nicht zufällig irgendwo „Unendlicher Spaß“ draufsteht.

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Über das Buch

1996 erschien »Infinite Jest« in den USA und machte David Foster Wallace über Nacht zum Superstar der Literaturszene. Vor einem Jahr nahm sich David Foster Wallace das Leben. Sechs Jahre lang hat Ulrich Blumenbach an der Übersetzung von Wallaces Opus magnum gearbeitet, dem größten Übersetzungsprojekt in der Geschichte des Verlags Kiepenheuer & Witsch.
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