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Kiepenheuer & Witsch, das ging jetzt aber ratzfatz! Beeindruckend auch das eigene Kiepenheuer-&-Witsch-Paketklebeband, das irgendwie an amerikanisches „scene-of-crime“-Absperrband erinnert, aber vielleicht passt das ja zum Buch. Zumindest über Bande.
Natürlich musste ich sofort die erste Seite lesen. Ich lese immer sofort die erste Seite, das ist wie ein Zwang und vollkommen unabhängig davon, wie viel Zeit ich gerade habe. Wenn die ersten Sätze mich nicht kriegen, kriegt mich auch der Rest nicht. Das ist das Ergebnis einer jahrzehntelangen empirischen Studie.
Klar klingt das vermessen. Aber ich habe das mit Klassikern der Weltliteratur probiert, die Sorte, die man gelesen haben MUSS; ich habe mich bis zur letzten Seite gequält, um zu begreifen, warum dies ein Werk der Weltliteratur ist, und es ist mir nicht gelungen, weil auf den restlichen Seiten genauso viel Mist stand wie auf den ersten, und natürlich kommen dann immer Leute, die einem erklären, WARUM das ein wichtiges Werk der Weltliteratur ist, und ich verstehe das auch immer, aber ich spüre es nicht, weil es nicht knallt, und ich glaube, darum geht es am Ende: Dass das Buch (der Film, die Musik, das Theaterstück, das Bild …) etwas mit einem macht, das einen jenseits rationaler Bewunderung mitnimmt.
Die erste Seite dieses Buches ist wie ein Kind, das einem unbedingt etwas zeigen möchte. Es nimmt deine Hand und zerrt an dir, weil es etwas zu sagen hat, das keinen Aufschub duldet. Ich mag dieses Kind.
1996 erschien »Infinite Jest« in den USA und machte David Foster Wallace über Nacht zum Superstar der Literaturszene. Vor einem Jahr nahm sich David Foster Wallace das Leben. Sechs Jahre lang hat Ulrich Blumenbach an der Übersetzung von Wallaces Opus magnum gearbeitet, dem größten Übersetzungsprojekt in der Geschichte des Verlags Kiepenheuer & Witsch.
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6 Kommentare zu Danke,
Lou
25. August, 2009 um 22:20
Die Sache mit der Weltliteratur…
Nein, zuerst der Zwang der ersten Seite – die Antwort ist Ja! Und es gibt keinen Aufschub. Soviel dazu. Und Dank dafür.
Zur Weltliteratur – Ich habe eine Reihe von (ganz privaten) Definitionen der Weltliteratur bei mir parat, je nach Anlass, Gesprächspartner oder Tagesform. Die Wahrheit ist vermutlich, dass ich unfähig zur Benennung (m)eines Kanons bin. Mancher tut sich da ja leichter. Seit Unendlicher Spaß allerdings habe ich eine sehr merkwürdige Erweiterung meines Definitionen-Repertoires. Ich wurde vor dem Buch gewarnt, ja ausdrücklich, sogar schriftlich, aufgefordert, es nicht zu lesen. Was läuft da? Zugegeben, ich habe diese Auseinandersetzung (bisher) nicht weiter verfolgt, ich habe sie expressis verbis auf sich beruhen lassen. Die Begründung für die Warnung war nicht eindeutig nachzuvollziehen, sie geht nicht auf einer intensiven Lektüre des Werkes zurück, da bin ich sicher. Es scheint mir eher eine diffuse Anordnung von Bausteinen zu sein: die aktuellen Rezensionen, die Internetberichte, die Frage der Depressionen, vielleicht sogar der schiere Umfang – ich weiß es nicht. Ich bin ausgesprochen ungehalten, ich weigere mich in diese Diskussion einzusteien, ich unterstelle meinem Warner Inkompetenz und eine unhaltbare Übersteigerung. Aber was ist das literarisch? Ich meine, ist Literatur in dem Moment Weltliteratur, in dem sie einen Angstimpuls auslöst? Diese Angst mag mannigfaltig sein – ästhetisch motiviert, emotional übersteuert, Nietzscheanisch in der Angst vor dem Verlust der vermeintlichen Sicherheit einer Ordnung, … Aber sie ist da?! Bei meinem gönnerhaften Warner ist diese Angst offensichtlich, wobei mir, wie gesagt, die motivationale Grundlage noch nicht eingängig ist. Wie ist das aber mit der (Welt)Literatur und der Angst? Ich habe diesen Gedanken – noch – nicht zu Ende gedacht; er ist hier ins so genannte Unreine geschrieben.
Was mich frappiert, schockiert und unglaublich motiviert – es gibt ein Buch im 21. Jahrhundert vor dem noch gewarnt werden kann. Warum auch immer. Gut so. Das ist eine Frage, die ich mir zu Beginn der Lektüre gestellt habe: was kann ein Buch im 21. Jahrhundert noch schaffen?
Aléa Torik
30. November, 2009 um 22:56
Lieber Herr Beuse!
Sie haben am 25. August 2009 folgenden Satz geschrieben:
„Natürlich musste ich sofort die erste Seite lesen. Ich lese immer sofort die erste Seite, das ist wie ein Zwang und vollkommen unabhängig davon, wie viel Zeit ich gerade habe. Wenn die ersten Sätze mich nicht kriegen, kriegt mich auch der Rest nicht. Das ist das Ergebnis einer jahrzehntelangen empirischen Studie.“
Ich war damals irritiert über diese Formulierung. Und jetzt, im Nachhinein, wo der Spaß vorbei liegt, jedenfalls seine unmenschliche Variante, der unendliche Spaß, erlaube ich mir, Ihnen meine Version dieser Problematik – wie erkenne ich die Qualität eines Buches – unter die Nase zu reiben. Eine Problematik, vor der alle stehen, die Bücher kaufen. Alle, die Bücher kaufen, um sie zu lesen. Ich tue das, indem ich aus meinem eigenen Blog zitiere. Das würde ich nicht tun, wenn das hier nicht der vorletzte offizielle Tag wäre. Ich habe eine dezidiert andere Meinung von den ersten Seiten eines Buches. Und die möchte ich Ihnen vorstellen. Der Beitrag war dementsprechend überschrieben: „Die ersten Seiten“
„Auf diesem Markt wollen alles dasselbe: die ersten Seiten. Alle wollen dort zeigen, was sie können. Die Autoren wollen zeigen was sie schreiben können, die Lektoren wollen zeigen was sie streichen können, die Korrektoren was sie redigieren und die Rezensenten was sie ignorieren können. Bücher, scheint es, kann man überhaupt nur mit den ersten Seiten machen. Der ominöse Rest mag durchaus gelungen sein, und es mag auch den einen oder anderen Mitmenschen geben, der mit sich wenig anzufangen weiß, der nicht weiß, was Freizeitgestaltung ist, und das dann tatsächlich alles liest: aber diese vielen Seiten machen ein Buch eigentlich bloß unnötig dick. Außerdem nehmen Bücher wahnsinnig viel Platz weg in Buchhandlungen. Das ist ja auch ökonomisch unsinnig. Das macht die Bücher bloß teuer, schwer und schwer verkäuflich.
Die ersten Seiten von „The Cocka Hola Company“ von Mathias Faldbakken, erschienen im Blumenbar Verlag, sind wunderbar geraten; aber nach der ersten Ejakulation – das Personal des Romans verdient Geld mit Pornofilmen und das Buch beginnt mit einer entsprechend deftigen Szene – ist nicht nur der Hauptdarsteller mit seiner Lust am Ende, sondern offenbar auch der Autor. Vielleicht wird’s jenseits der Seite 50 wieder besser. Aber ohne mich. Ich will nichts über Pornografie lesen, um mich dann auf dröge Kost setzen und nur noch am kleinen Zeh kitzeln zu lassen. Im genannten Fall waren es nicht einmal die ersten Seiten, die mich überzeugt haben. Es war die Umschlaggestaltung und der Untertitel: Skandinavische Misanthropie. Liebe auf den ersten Fick wäre treffender gewesen.
Selbst der sexgeilste Bücherwurm braucht, wenn er einen Buchladen betritt, einen Moment, um sich zu orientieren und ein Objekt ins Auge zu fassen, auf das er Appetit hat. Wer Liebe will, ist auf den ersten Seiten falsch. Da gibt’s nur Sex. Liebe hingegen muss über Seiten und Seiten wachsen, die muss durch Glück und Verzweiflung gehen, durch Einzigartigkeit und Alltäglichkeit. Man kann nun gerne glauben, dass die Liebe nach dem und nicht vor dem Sex kommt und es gibt auch keinen Grund, warum das nicht so sein sollte. Aber was und wer immer da noch kommt, eines kommt nicht mehr: das Rendezvous. Der Anfang, wenn zwei einander zum ersten Mal gegenüber stehen. Ich jedenfalls will eine Verabredung und die Anspannung davor, wenn ich vor dem Spiegel stehe und dabei versuche, mich mit dem Blick meines Gegenübers zu sehen.
Man muss mich nicht rumkriegen. Ich will ja auch. Ich will ja lesen und lieben. Ich will ja in den Armen einer anderen Welt versinken. Ich will die Ekstase. Aber ich will mich nicht gleich im Buchladen vögeln lassen. Ich will umgarnt und verführt werden. Ich brauche Andeutung, Anspielung, Aufregung, die erotische Spannung eben. Ich brauche das Spiel und die Hoffnung. Eines aber brauche ich nicht: Die leere Versprechung, dass genau dieses Buch die Liebe meines Lebens wird. Diese Versprechung findet sich immer auf den ersten Seiten. Später macht sie nämlich keinen Sinn mehr. Dort klänge sie lediglich nach einem vertrösten. Vertrösten aber ist das Gegenteil von Trost.
Ich lese, wenn ich mir ein Buch aussuche, nie die erste Seite. Die erste Seite ist das letzte, was ich lese. Also ich lese sie schon, und ich lese sie auch zuerst. Aber wenn ich sie lese, ist das Buch längst bezahlt.“
Sie sehen, ich mache das ein bisschen anders. Vielleicht überdenken Sie Ihre Rezeptionsstrategie von Büchern noch einmal. Wir können ja gerne bei Gelegenheit noch mal drüber reden.
Stefan Beuse
1. Dezember, 2009 um 11:37
Liebe Aléa Torik,
das klingt klug und richtig, auch wenn, finde ich, das Bestreben eines Autors, mit den ersten Sätzen eine Visitenkarte seines Könnens abzugeben, nicht gleichgesetzt werden darf mit überrumpelndem Sex/ erster Ejakulation/ „Pulver verschießen“ oder was immer aus dieser Metaphernecke noch stammen mag: Ein langsames, spannendes, verführerisches Herantasten (wie von Ihnen bevorzugt) kann natürlich ebenso eine Ausstellung von Könnerschaft und im schlimmsten Fall Gepose sein.
Ich wäre auch wirklich nur zu gern bereit, meine Rezeptionsgewohnheiten zu überdenken, aber ich habe wirklich noch nie ein Buch gelesen, das nach schlechten ersten Seiten besser wurde. Solche, die nach gutem Beginn schlechter wurden, dagegen zuhauf.
Aléa Torik
1. Dezember, 2009 um 22:22
Lieber Herr Beuse!
Ich teile Ihre Beobachtung nicht. Aber nicht etwa, weil ich sie für falsch halte. Vielmehr beeindrucken mich die ersten Seiten nicht. Nie! Ich lese die mit verminderter Aufmerksamkeit. Mich packen eher Geschichten und die hängen oft an der Konstruktion. Konstruktionsmerkmale schälen sich aber eher langsam heraus. Ein Gegenbeispiel zu Ihrer These, dass ein gutes Buch sich bereits auf den ersten Seiten zeigt, ist für mich „Unendlicher Spaß“. Die ersten Seiten haben mich nicht sonderlich fasziniert. Richtig gut wird das Buch erst später.
Wenn Bücher oft nach einem guten Anfang schlechter werden, wie Sie schreiben, wäre das dann nicht ein Grund weiter hinten oder in der Mitte loszulegen. Denn wenn viele gute Bücher nach Abgabe der Visitenkarte des Autors auf den ersten Seiten schlechter werden, wäre das doch gerade ein Grund diese Seiten zu ignorieren und woanders mit dem Lesen zu beginnen.
Das könnte jetzt ein sehr interessantes Gespräch werden. Leider bricht dieses Blog hier wohl in absehbarer Zeit ab. Aber wenn wir uns einmal treffen sollten, dann stürme ich ohne „Guten Tag“ oder „Hallo“ zu sagen auf Sie zu und frage sofort, ob Sie immer noch so ein Erste-Seiten-Leser sind.
gynosophin
7. Dezember, 2009 um 22:10
Liebe Aléa Torik, lieber Herr Beuse,
hoffe dass dies trotz des späten Hinzufügens noch gelesen wird:
Ich habe bei Herrn Beuses Beitrag verstanden-gefühlt aufgeseufzt. Die erste(n) Seite(n) lassen sich meines Erachtens mitnichten mit wie auch immer gearteten sexuellen Höhepunkten vergleichen – vielmehr geben sie einen Vorgeschmack darauf, was für eine Art der Liebe (um bei diesem Bild zu bleiben) sich entwickeln wird. Und ganz ehrlich: Es gibt so viele Bücher auf dieser Welt – warum sollte ich meine Zeit mit einem verbringen, dessen erste Seiten mich langweilen, mich nicht in ihren Bann ziehen? Die ersten Seiten müssen mich locken, neugierig machen, etwas Besonderes sein. Sie zeigen mir zudem, welche Beziehung der Autor / die Autorin zu Sprache und zu der erzählten Geschichte hat. Allen Büchern, die sich fest in mein Gedächtnis eingegraben haben, ist gemein, dass die Autoren eine besondere Sprache haben und die Geschichte lieben, die sie erzählen. Das merkt man bereits auf den ersten Seiten.
Hm, mir kommt grade eine schöne Idee – ich werde demnächst mal in eine Buchhandlung gehen, ein Buch von Herrn Beuse zur Hand nehmen und die ersten Seiten lesen :)
Aléa Torik
10. Dezember, 2009 um 13:10
Liebe gynosophin,
da haben Sie sich ja einen hübschen Namen zugelegt.
„Es gibt so viele Bücher auf dieser Welt – warum sollte ich meine Zeit mit einem verbringen, dessen erste Seiten mich langweilen, mich nicht in ihren Bann ziehen?“
Weil Sie, je nach Lesegeschwindigkeit, mit den ersten Seiten recht schnell fertig sind. Dann kommen aber meist noch ziemlich viele Seiten hinterher. Mich interessiert nicht, ob die ersten Seiten gut sind, mich interessiert, ob das Buch gut ist. Zu glauben, dass, weil die ersten Seiten gut sind, der Rest es ebenfalls ist, ist, meiner Erfahrung mit Büchern zufolge, ein Trugschluss.
Von den Büchern, die ich wirklich schätze, haben mich selten die ersten Seiten gefesselt. Warum ich ein Buch zur Hand nehme, kann unterschiedliche Gründe haben – ich interessiere mich vielleicht für die Geschichte, für die Konstruktion, für die Personen, für die Art, wie Autor oder Autorin die Wörter aneinanderreihen oder diese Reihen beenden – aber das alles finde ich nicht auf den ersten Seiten. Es mag aber durchaus Leser geben, die dort finden was sie suchen.
Lesen Sie ruhig den Herrn Beuse, wo er gelesen werden möchte: auf den ersten Seiten. Falls Sie dasselbe mit mir tun wollen (auch wenn das nicht meine Visitenkarte ist, meine Visitenkarte gebe ich im Laufe meines Romans ab): ich habe, wie jede schön strukturierte Persönlichkeit sechs Seiten. Wenn Sie (auf meiner Webseite) auf die zweite Seite klicken, das Quadrat „LE“ – finden Sie die ersten vier Kapitel meines Romans. Leider ist die Schriftgröße nicht die richtige. Ich habe da ein paar technische Probleme. Die werden aber Anfang Januar gelöst. Glaube ich. Bei der Technik muss ich mich aufs glauben verlassen.