11. November

13. November 2009 |

8.15. Immer noch in der Matratzengruft. Zauberberg-Bewerbungshusten. Robert Enke hat sich vor den Zug geworfen. Kam gestern abend schon. Sieht alles nach dem großen Dunkel aus. Nach dem Morbus Gompert. Müsste man jetzt zusammenstellen, den ganzen Katalog der Depressionen, den DFW im Spaß versteckt hat. Ich nicht. Ich bin krank.
Und wenn das mit der taffen Nonnen hier nicht gleich aufhört, dann werd ich noch kränker. Immerhin wird’s jetzt antiklerikal. Der große Storch erzählt von der Ersetzung der chemischen Krücke Drogensucht zur Überlebenshilfe durch die spirituelle Krücke Katholizismus. Interessant. Gerade für einen Amerikaner. Wir hören allerdings gleich, was für ein schönes Wort, das „Röhren der Allgemeinplatzhirsche“, das sind die unter uns, die morgens, wie es der große Kollege K. ausdrückt, schon in ein Dünkelbrötchen beißen. Wir faseln durch anonyme Zellen von Drogensüchtigen oder Zellen anonymer Drogensüchtiger. Bis wir an Gately hängen bleiben, der in der Klinik liegt und augenscheinlich nicht medikamentiert werden darf, weil er ja sonst rückfällig werden könnte. Grausam. Im Fieber, der „ins Delir und wieder herausfällt, innerlich zerrissen, überzeugt, dass gewisse Männer mit Hut ihm Böses wollen“. Es tritt auf eine „Gruppe Realität ist für Leute, die nicht mit Drogen umgehen können“. Und ein großer, gelblicher Farbiger erzählt seine Geschichte. Darf man von sowas abgestumpft sein? Hatten wir doch alles schon. Das Entsetzen über den Zustand der Abschaumwelt wird nicht größer, wenn mir immer neue Bilder davon auf die Stirn gehämmert werden. Ist leider so. Immerhin führt es dazu, dass Joelle van Dyne zum ersten Mal sicher ist, dass sie clean werden möchte. Ich war schon vorher sicher, dass ich niemals nicht abhängig werden möchte.
Komisch übrigens. Dass beinahe sämtliche Familien im Spaß krankmachende Zusammenrottungen psychisch unverträglicher Menschen ist, die sich gegenseitig das Leben zur Hölle machen und ihre Seelen ruinieren, dass andererseits aber die einzige Hoffnung, das einzige Licht am Ende des Tunnels der Abhängigkeit ausgerechnet genau das ist – die Familie, die Kinder.
Der Nonnen-Pulp geht munter weiter. Die Äbtissin wird ermordet. In Akt III „entfaltet sich dann eine veritable Vergeltungsorgie, nachdem die ganze schmutzige Wahrheit ans Licht gekommen ist: Anscheinend ist die taffe alte Vizeäbtissin, also die Nonne, die Blutschwestser aufgehoben hatte, in Wirklichkeit nicht aufgehoben worden, sondern hat in Wahrheit in über 20 Jahren des beispielhaften Novenensprechens und Hostienbackens an einer verborgenen degenerativen rezidivierenden Seelenfäulnis gelitten…“ Noch Fragen? Der Satz geht noch eine halbe Seite weiter. Wenn mal jemand ein Beispiel für einen absurden Plot sucht – Bitte.
Die taffe Nonne reitet in den Sonnenuntergang auf einem scharfen Hobel. Der Film ist aus. Im Rheinland machen jetzt die Narren mobil. Wenn ich bei KiWi in Köln jemanden noch nüchtern erreichen will, der mir die Gompert-Passage freigibt, muss ich jetzt schleunigst anrufen. Ein dreifach donnerndes Olau!*
*Koblenzer Karnevalsruf.

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Über das Buch

1996 erschien »Infinite Jest« in den USA und machte David Foster Wallace über Nacht zum Superstar der Literaturszene. Vor einem Jahr nahm sich David Foster Wallace das Leben. Sechs Jahre lang hat Ulrich Blumenbach an der Übersetzung von Wallaces Opus magnum gearbeitet, dem größten Übersetzungsprojekt in der Geschichte des Verlags Kiepenheuer & Witsch.
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