$theTitle=wp_title(" - ", false); if($theTitle != "") { ?>
Aus dem Literaturhaus und Barbara Bongartz zurück. 0.30 Uhr. Warme Milch. Der Sommer ist vorbei. Gewitter zieht auf. Fußnoten. Jetzt doch die Fußnoten. Es sind gar nicht soviele. Hab ja hinten nicht nachgesehen bisher. Bloß 120 Seiten.
Mit Bongartz über das Fußnotenproblem gesprochen. Die hat einen Roman in Fußnoten verpackt, so verpackt, dass man ihn fast nicht finden konnte. Deswegen les ich jetzt auch meinem Fußnotenstand von gut 40 hinterher. Könnte ja sein, dass sich hier auch noch ein Roman in den Fußnoten versteckt. Wenn dass der Fall sein sollte, findet er auf den ersten 16 Fußnotenseiten jedenfalls nicht statt. Der fast befürchtete postmoderne Schachteltraum allerdings auch nicht. Eigentlich findet gar nicht viel statt. Ein bisschen Vertiefung angelegter Erzählflächen, ein bisschen Verschärfung des Blicks. Man erfährt, das E. T. A.-Gebäude ist valentinsherzförmig von oben, das kann, muss aber nix heißen. Man erfährt, dass junge Tennisspieler eher keinen Alkohol trinken (das hatten wir geahnt, weil es sich besonders schlecht mit den anderen Medikamenten verträgt auf dem Court, die sie laut DFW sonst so einwerfen vor dem Spiel). Ansonsten blättert DFW voller Inbrunst in seiner Roten Liste und wir wissen jetzt, dass es Meperedin gibt und diverse Lowtech-Manipulationen des Benzolrings in Psychedelika der Methoxy-Gruppe. Und wir wissen endlich, welche Filme James Orin Incandenza, der meister der Antikonfluentiellen Aprésgarde, gedreht hat, womit, wann, mit wem und welchem Inhalt. Das geht los mit „Käfig“ bei Meniscus Films. ½ Minute lang. Eine „monologische Parodie eines Fernsehwerbespots für Shampoos unter verwandeung von vier Konvexspiegeln, zwei Planarspiegeln und einer Schauspielerin“. Schöne Titel „Das amerikanische Jahrhundert aus Sicht eines Pflastersteins“ oder „Blutschwester. Eine taffe Nonne“ oder „Attraktive Männer in kleinen durchkonstruierten Zimmern, in denen jeder Zentimeter Raum mit irrsinniger Effizienz genutzt wird“. In „Wie Anno dazumal“ aus dem Jahr des Tuck-Hämorrhoidentuchs besäuft sich ein Tennisvater und hält seinem Filius Vorträge, über 181 Minuten! Außerdem gibt es ungefähr fünf Versionen von „Unendlicher Spaß“, von dem man allerdings selbst am Ende der zwölf Seiten Filmografie nicht weiß, worum es darin geht. Aber das geht einem ja nach 150 Seiten Roman auch so.
1996 erschien »Infinite Jest« in den USA und machte David Foster Wallace über Nacht zum Superstar der Literaturszene. Vor einem Jahr nahm sich David Foster Wallace das Leben. Sechs Jahre lang hat Ulrich Blumenbach an der Übersetzung von Wallaces Opus magnum gearbeitet, dem größten Übersetzungsprojekt in der Geschichte des Verlags Kiepenheuer & Witsch.
Mehr zum Buch »
Termine zum Buch »
M | D | M | D | F | S | S |
---|---|---|---|---|---|---|
« Mrz | ||||||
1 | ||||||
2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 |
9 | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 | 15 |
16 | 17 | 18 | 19 | 20 | 21 | 22 |
23 | 24 | 25 | 26 | 27 | 28 | 29 |
30 | 31 |
6 Kommentare zu 3. September
Thomas von Steinaecker
3. September, 2009 um 20:10
Die Fußnoten, die keine sind bzw. Endnoten.
Auch für mich eher enttäuschend.
Eine vergebene Chance, hier noch mal Parallelgeschichten zu erzählen, andere Perspektiven zu öffnen. Stattdessen halblustige Filmlisten. Naja.
Wie ungleich konsequenter und origineller ist da Mark Danielewski in seinem „House of Leaves“ (dort dann tatsächliche Fußnoten).
Weiß jemand, z.B. GG, wie Danielewski zu DFW stand?
Interessanterweise ist ja MD wesentlich konventionell-narrativer als DFW; durch die formalen Verschränkungen erreicht das Buch dann aber (für mich) einen Grad an Komplexität und eben auch Unterhaltung, der US bei weitem übertrifft. In gewisser Weise ist DFW noch sehr stark postmodernen Strategien verhaftet; bei MD wirkt das alles (auf mich) unangestrengter, erzählerischer – ohne unintelligenter zu sein. Insofern (auf den ersten Blick) ein Schritt zurück, in Wirklichkeit aber doch in gewisser Weise voran und daher Post-postmoderne (auch wenn solche Bezeichnungen Quatsch sind, stellen sie eben momentan eine sinnvolle Krücke zur Epocheneinteilung dar).
Äh?
Guido Graf
3. September, 2009 um 20:45
Mark Z. Danielewski (Interview Bookreporter, 10. März 2000):
Ansonsten würde ich gern vorschlagen, einerseits die Erwartung gegenüber den Endnoten nicht zu hoch zu schrauben – sie haben, glaube ich, nicht in toto eine ähnliche Funktion wie in den schon genannten Beispielen House of Leaves oder Örtliche Leidenschaften und was es da noch mehr gibt -, andererseits die Enttäuschung entsprechend zu mildern, bzw. als vorläufig zu markieren, da ja noch einiges kommt. Ein Beispiel: die Episode ganz zu Anfang von Unendlicher Spass, als Hal sich an den Schimmelflatschen erinnert, kommt noch mal, in einer Endnote, dann aber anders. Und das Wie dieser Version, die Hinführung, die Klammer, die Kehre, etc. – oder der Rückkopplungseffekt, der hier ausgelöst wird, wurde in einem anderen Zusammenhang, aber hier prinzipiell auch zutreffend, weil das ganze Buch charakterisierend, schon beschrieben.
ulrich blumenbach
3. September, 2009 um 22:03
Ich stimme Guido zu, möchte die Funktionen von Wallace‘ Anmerkungen aber ein bisschen differenzieren: Erstens haben sie die klassische Funktion der schnellen Erläuterung von im Haupttext kryptisch Bleibendem, wenn in Anm. 23 beispielsweise eine Abkürzung aufgeschlüsselt wird. Zweitens kann aber auch die Erzählung in den Anmerkungen fortgesetzt werden, wobei aber unklar bleibt, wer sie erzählt. In Anm. 35 etwa werden Vermutungen angestellt, d. h. der Annotator befindet sich nicht auf dem Wissensniveau des Haupttexterzählers. Drittens sind manche Anmerkungen reine Verarsche, die dem Leser den ontologischen Boden (sofern es den in Literatur gibt) unter den Füßen wegzieht, wenn dieser in Anm. 216 (auf S. 1484 — sorry, wenn ich mir vorzugreifen erlaube) beispielsweise nur liest: „Keine Ahnung.“ Übrigens hat sich Wallace‘ Verwendung von Anmerkungen / Fußnoten im Lauf seines Werks geändert. Während sie in „Unendlicher Spaß“ oft diese spaßguerilleristische Note haben, spiegelt ihre Form in den „Kurzen Interviews mit fiesen Männern“ den Inhalt. In der Erzählung „Die depressive Person“ gibt es eine Fußnote zu einer Fußnote zu einer Fußnote, was aber nur das Denken der depressiven Hauptfigur abbildet: Sie versteigt sich in Gedankenschleifen, an die sich ein neuer, genauso pathologischer Gedanke anlagert, der seinerseits Schleifen bildet, an die sich dann wieder … usw. usf.: der ganze infinite Regress der Depression.
Mark Z.
3. September, 2009 um 22:32
In dem Punkt merkt man U.S. dann das Alter auch an. Mit Sicherheit hat Infinite Jest Mark Danielewski beeinflusst, bzw. die Akzeptanz für den gebrochenen Stil, der sich ja gerade bei House Of Leaves in den Fußnoten der Fußnoten der Fußnoten manifestiert, bereitet.
Nur kam eben die stilistische „Fortsetzung“ in Deutschland vor dem „Inspirator“ auf den Markt. Mancher Überraschungs- und Neuerungseffekt von dem Infinite Jest vielleicht in den USA profitieren konnte, kommt so nun in der viel später erschienen deutschen Ausgabe nicht mehr an. Den hatte ich zumindest schon bei House Of Leaves.
Alban Nikolai Herbst
4. September, 2009 um 07:13
@Mark Z. Das ist eine spannende Bemerkung (im Wortsinn) zur Rezeptionswirklichkeit. Man kann die Erfahrung dann zwar rational wieder auseinanderbröseln, Zusammenhänge und eigentliche Ursache-Folge-Dynamiken aufzeigen, die Erfahrung selbst aber bleibt in ihrer sinnlichen Unbedingtheit a l s Erfahrung erhalten und versüßt oder versäuert einem das Grundurteil im Sinn des Aphorismus‘ weiter, man habe niemals die Möglichkeit, ein zweites Mal einen ersten Eindruck zu machen. Je nachdem, wie dieser gewesen ist, ist das ein Glück oder ein Verhängnis.
Alban Nikolai Herbst
4. September, 2009 um 08:40
Rote Liste @ Krekeler:
Sie haben schon recht… nur erfüllt sowas die Funktion homerscher Kataloge oder, sagen wir, der ausgebreiteten Genealogien des Alten Testamentes: kein Mensch muß das wirklich lesen, es hat aber die Funktion dazusein; ähnlich überblätterte ich als junger Mann die langen französischen Dialoge in den Dämonen, als ich heraushatte, daß sie die Konventionen des Banalen spiegelten. Es reicht nicht, das nur so zu sagen, sondern es ist poetologisch wichtig, es auch geschehen zu lassen, „einfach“ schon über den Umstand, daß man blättern muß, daß Zeit vergeht, sowie über die ganz andere Art von Lektüre, die einen in all dem dann eben d o c h etwas suchen läßt; sprich: die Leserhaltung wird beeinflußt, der „Konsumismus“ unterlaufen usw.