25. Oktober

27. Oktober 2009 |

23.30. Frühherbst in Badenweiler. Leuchten die Blätter immer noch im Dunkeln. Ist wahrscheinlich Unsinn und Einbildung. Schauerlich kitschiger Mischwald direkt hinterm Haus. Spätburgunder aus Britzingen. Was aus den Beeren von gestern doch werden kann. Muss zur Ehrenrettung von Michael Kleeberg schnell noch anfügen, dass er mein schlechthiniger Experte in Hypochondrie ist, aber natürlich selber nicht hypochondrischer als jeder andere Mann.
Zurück zur Felsnase. Zurück an meinen derzeitigen Lieblingsliteraturort. „Dies ist die Zeit trügerischer Morgendämmerungen. Die Venus entfernte sich ostwärts von ihnen. Das weichste vorstellbare Licht sickerte in die Wüste“. Marathe und Steeply betreiben Kulturgeschichte. Fernöstliche Mythen, in denen Männer durch Lust in Stasis verfielen, vor Lust tatsächlich vergingen. Gleich müsste die Lorelei kommen. Kommt aber nicht. Dafür die Odaliske Theresa. Oder Medusa. Schönheit, die unerträglich ist. Freudloses Lachen. Und die Männer, selbst die von der tödlichen Gefahr wissen, geben ihrer Lust nach. Joelle ist so eine Medusa, und die ominöse Patrone ist die Büchse der Medusa.
Vielleicht schneide ich irgendwann die Marathe-Partien hintereinander. Großartiges Subbuch.
Wieder bei den Drogisten in Ennet-House. Gately erzählt einen Schwank aus seiner Alkijugend. Wie ein Kumpel platt gemacht wurde und sie alles taten in ihrer bekloppten Bekifftheit, dass er auch wirklich stirbt, als ihm zu helfen. Und dann will er hinter Joelles Schleier kommen. Warum sie ihn trägt und so. Wegen der L. A. R. V. E, der Liga der Absolut Rüde Verunstalteten und Entstellten. Joelle erzählt, wie sie beigetreten ist, warum sie beigetreten ist, um aus dem Verstecken herauszukommen, aus dem Teufelskreis von verstecktem Verstecken, hinein ins offene Verstecken (ist kompliziert, Gately bräuchte auch zwei Bier, darf aber nicht). Der Kollege Blumenbach hat tatsächlich auch noch plietsch in diesen Wahnsinn der immer weniger benutzten Wörter eingebaut. Und dann rutscht es Joelle doch noch raus: „Ich bin vollkommen. Ich bin dermaßen schön, dass ich jeden fühlenden Menschen ganz einfach um den Verstand bringe… Ich bin so schön, dass ich entstellt bin. Ich bin vor Schönheit entstellt.“ Medusa in Ennet House.
Weiter? Noch ein Stück. Abgang Medusa, Auftritt Randy Lenz, der anscheinend auch eher seltsam ist. Er versucht auf besondere Weise mit dem Entzug fertig zu werden. Er fährt rum.
Lenz geht nicht ins Gebirg. Lenz fährt in die Stadt. Und da legt er Ratten um. Er tanzt und tötet mit Lust. Dann arbeitet er sich die Nahrungskette nach oben und spätestens hier hört der Spaß für Kollegin Garbers auf. Lenz meuchelt Katzen. Dann Hunde.
Da hätte man hier auch genug zu tun. Der Hund hat den Diamanten als bester Freund der alten Damen längst abgelöst. Es soll hier auch Schildkröten geben. Aber die – das hab ich vor ein paar Jahren hier tatsächlich gelesen – laufen ihren Besitzerinnen gerne mal weg. Jetzt würden mir noch viele fiese Scherze über alte Leute einfallen. Nein, nein, nein.

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Über das Buch

1996 erschien »Infinite Jest« in den USA und machte David Foster Wallace über Nacht zum Superstar der Literaturszene. Vor einem Jahr nahm sich David Foster Wallace das Leben. Sechs Jahre lang hat Ulrich Blumenbach an der Übersetzung von Wallaces Opus magnum gearbeitet, dem größten Übersetzungsprojekt in der Geschichte des Verlags Kiepenheuer & Witsch.
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