25. August

25. August 2009 |

Münchner Feldherrnhalle, Treppe davor. 11.45 Uhr. Eine französisch radebrechende Dame erklärt einer Reisegruppe, was es mit dem hässlichen Ding auf sich hat. Bachs Klavier-Doppelkonzerte. Kein Getränk. Ein General Wrede bewacht mich. Es ist heiß. Möglicherweise würde DFW jetzt irgendein schlagender Satz zum Licht einfallen. Mir fällt ein, dass sich „Unendlicher Spaß“ doch wie ein alter DFW liest. Muss das nachschlagen, ob der schreckliche „Besen im System“, mit dem ich den Staub in meiner Zimmerecke aufgewirbelt hab, nachher entstanden ist, diese nahezu unverständliche, fußnotenbewährte Erzählsammlung. Oder ich frag Wieland.
Hal sitzt immer noch in der Kommission. Und verliert sich in seinem eigenen Weltinnenraum um nicht die Nerven zu verlieren, wie ich vermute. „Das im Brewster-Winkel von der Tischplatte reflektierte Licht erscheint hinter meinen geschlossenen Lidern rosenrot.“ Bin ich doof, wenn ich nicht weiß, was der Brewster-Winkel ist. Oder was es mit dem RICO-Gesetz auf sich hat. Oder wofür die Kürzel N.A.A.U.P und O.N.A.N.C.A.A. stehen, was RAC-10-Programme sind. Muss ich nicht, sonst wärs erklärt. Hal verliert sich in der Erinnerung, dass er einmal eine gruslig schimmelige Substanz aus dem Keller gegessen hat, besser gesagt: er hatte „mit selbiger oralen Kontakt gehabt“. Das würde einiges erklären. Die Kommission hat derweil immer noch ehrpusslige Probleme, man könne ihr vorwerfen, nur den Körper eines anscheinend eindeutig geistig minderbemittelten Jungen gekauft zu haben. Da fängt Hal an zu reden. Es bricht aus ihm heraus. Und Panik bricht in die Gesichter. Anscheinend verwandelt sich Hal beim Reden, in eine besondere, auch tagsüber aktive Form von amerikanischem Werwolf. Er wird nieder gerungen, sagt „Ich bin hier drin“, was aber niemand versteht. Und dann steckt Hal in der Psychiatrie und wir sind weiter im „Jahr der Inkontinenz-Unterwäsche“. Und bei Erdedy, der ein Insekt in seinem Musikregal beobachtet und auf eine relativ gewaltige Ladung Dope wartet. Was für ein Panoptikum. Ein durchgeknallter, vielleicht an den Rand der Geisteskrankheit gedopter Tenniscrack und ein dopeabhängiger Paranoiker, der von seiner Sucht nicht loskommt. In einer Welt, die doch ziemlich von gestern ist. Menschen besitzen da noch Handyantennen und arbeiten mit Modems. Weiß noch jemand, was das ist. Ein Modem. Ich kann mich noch an Akustikkoppler erinnern. Aber ich bin ja auch alt.

4 Kommentare zu 25. August

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Stephan Bender

25. August, 2009 um 22:35

Berlin-Charlottenburg, Balkon einer Stadtwohnung am Olivaer Platz, 22.00 Uhr. Ein Glas Brombeerjoghurt von Landliebe. Im Haus gegenüber singt eine portugisische Studentin einer spanischen Freundin etwas vor, als Background dient eine sehr sprachlose Studioaufnahme von Duke Ellington. Weil mich die Kastanie stumpfsinnig anstarrt und sich auf dem abendlichen Balkon partout kein Staub aufwirbeln lässt, ganz zu schweigen von passenden Sonnenstrahlen, in denen der Dreck tanzen könnte, fällt mir natürlich kein passendes DFW-Zitat dazu ein. – Ersatzweise denke ich darüber nach, warum man zunächst ein vom poetologischen Standpunkt aus so eigenwilliges Statement braucht, bevor man sagen darf, wie man das erste Kapitel fand… Hals Not wird mir immer verständlicher!

Das erste Kapitel erinnerte mich sehr an die Musterungsszene aus den „Bekenntnissen des Hochstaplers Felix Krull“, mit dem Unterschied, das Krull seine (absichtlich herbeigeführten) Verrenkungen aus der Ich-Perspektive erzählt und damit seine Einberufung verhindert. HAL dagegen möchte offenbar eingezogen werden, seine Motivation bezüglich Tennis/Literatur in diesem Schelmenstück bleibt weitgehend unklar. Ob Hal geisteskrank ist, ist dabei relativ bedeutungslos, da DFW in einer Art Ebenentransformation (Sagt man das so?) als Autor bereits diese Rolle übernommen hat. Er baut ein Dreicksverhältnis auf, unterstellt dem Leser eine starke Motivation, belässt seine Hauptfigur ohne jede Motivation und kann nun als Autor erzählen, wie es sich anfühlt, unter Idioten zu leben.

So eine brillante Konstruktion gab es bisher nur einmal: In „Catch 22“ von Joseph Heller.

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Robert Michael Wenrich

25. August, 2009 um 23:15

Betrifft: Ziemlich von gesterne Welt.

Mir geht es da wie Ihnen, Herr Krekeler, mein Akustikkoppler ist jedoch der etwas ältere Helmut Kohl.

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Mindy Metalman

26. August, 2009 um 17:17

München. Die Sonne brennt. Die Frisur hält.
Aber es ist heiß. So heiß, dass man einen Fehler im System glauben möchte.

Noch mehr Twitter-Junk gefällig?

Okay.

Sehe das Buch. Langweilig. Schlafe darüber ein. Im Schlafe träume ich weiterzulesen:

„Die Probleme beginnen damit, wenn Leute meinen, sie verstünden etwas von Literatur, im selben Moment sind sie eigentlich für die Literatur verloren und auch nicht mehr von Nutzen für diejenigen, die sie machen. Glaub mir, du bist hervorragend geeignet für diesen Job.“

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Iannis Goerlandt

1. September, 2009 um 16:44

Nur so nebenbei: der „Brewster-Winkel“ figuriert bei Wallace auch im anderen Kontext, allerdings nicht in der deutschen Übersetzung Marcus Ingendaays, wo es ganz einfach heißt:

„Ich begreife, warum die Leute von „glaskarem“ Wasser sprechen. Gegen 10:00 Uhr treffen die Sonnenstrahlen in einem solchen Winkel auf der Wasseroberfläche auf, dass der ganze Hafen, so weit das Auge reicht, zu leuchten anfängt. Das Wasser bewegt sich in Millionen Splittern, und jeder einzelne glitzert von Zeit zu Zeit auf.“ (Schrecklich amüsant – aber in Zukunft ohne mich, Goldmann, S. 102).

Im Orginal stand noch: „You can see why people say of calm seas that they’re „glassy“: at 1000h. the sun assumes a kind of Brewster’s Angle w/r/t/ the surface and the harbor lights up as far as the eye can see: the water moves a million little ways at once, and each move makes a sparkle.“ (307)

Ob und wie die Finessen der Polarisation dabei richtig sind (vor allem bei einem hölzernen (?) Tisch), kann ich nicht nachvollziehen – hindeuten möchte ich bloß auf die unterschiedliche Herangehensweisen der Übersetzer hinsichtlich Wortwahl, Rhythmus, Interpunktion und Satzlänge.

Dies ist kein Werturteil, denn Ingendaays Übersetzung ist in manchem Hinblick besonders reizvoll (und ich habe sie mit Gewinn gelesen), doch ich glaube, es geht etwas verloren, wenn dem Leser solche Schwierigkeiten bei der Lektüre vorenthalten bleiben, zumal so (auch minimalsprachliche) Querverbindungen im Werk verlorengehen.

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Über das Buch

1996 erschien »Infinite Jest« in den USA und machte David Foster Wallace über Nacht zum Superstar der Literaturszene. Vor einem Jahr nahm sich David Foster Wallace das Leben. Sechs Jahre lang hat Ulrich Blumenbach an der Übersetzung von Wallaces Opus magnum gearbeitet, dem größten Übersetzungsprojekt in der Geschichte des Verlags Kiepenheuer & Witsch.
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