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18.25 Köpenicker Landstraße. Prof. Dr. Keseys bunter Bus fährt wieder. Da könnte man ja eigentlich richtig froh drüber sein, es fährt was in Berlin. Leider fährt man ja nicht allein. Nicht dass ich misanthropisch wäre, nein, aber Mütter in Jogginghosen mit Kindern, die knallbunte, jericholaut dudelnde Spielzeugklaviere herumtragen, bringen mich an den Rand des soziopathischen Explodierens (zumal in Präbuchmessenzeiten!). Mit Bach kommt man gegen dieses elektronische Gedudel gar nicht an. Dieses Plastikteil spielt auch noch Klassik, Scheißkowski, wie um mich zu verhöhnen. Ich stopf mir die White Stripes in die Ohren. Das müsste reichen.
Ich muss es geahnt haben. White Stripes sind gar nicht schlecht. Wir sind nämlich wieder ganz unten. In der Scheiße. Bei Poor Tony Krause. Der hat Tage in der Herrentoilette zu gebracht. Und hält sein abhängiges neuronales Nervensystem mit dem Hustensaft aus Codein halbwegs in Schuss. Der überlebt doch diesen 14. November im Jahr der Inkontinenz-Unterwäsche nicht, von dem das Kapitel handelt.
Wenn das hier so weiter geht, und es wird so weiter gehen, wird dieses Buch der Bücher der Roman mit den meisten Drogentoten ever. Ist es wahrscheinlich jetzt schon. Und jeder erschüttert einen wieder. Was für eine Verschwendung von menschlicher Existenz. Und wie DFW immer wieder neue Töne findet für jeden dieser Kreuzwege der abgemagerten, abgeschmetterten, schmutzigdreckigkomischen Heiligen. Da ist DFW – sieht man mal von in diesem Zusammenhang dann furchterregend lustigen Sätzen ab wie: „Der Horror eines anspruchsvollen Genderdysphorikers vor der Inkontinenz lässt sich nicht angemessen in Worte kleiden“ – ganz beim anderen Chefausleuchter der Nachtseite des amerikanischen Traums, bei Denis Johnson. Wenn stimmt, kann man nur wiederholen, dass DFW, wie glaub ich Franzen gesagt hat, eine Mittelstreckenrakete in die Zukunft war, dann hat Denis Johnson sie gezündet.
Das ist schon sehr Johnsonesk jetzt. Johnson, allerdings ohne jegliche Epiphanie, da funkelt kein Gott mehr, da glimmt keine göttliche Glut mehr. Da ist alles nur noch schwarz. Das macht möglicherweise den Unterschied. DFW ist tot und Johnson lebt. Aber vielleicht übertreib ich jetzt.
So traurig, großartig und endgültig. Da kommen einem über den Abstieg Poor Tony Krauses in Wahnsinn und Tod tatsächlich die Tränen und die Wut. Ich geh jetzt hin und tret das dudelnde Ding kaputt. Muss ich jetzt machen. Wenigstens in meinem Kopf.
1996 erschien »Infinite Jest« in den USA und machte David Foster Wallace über Nacht zum Superstar der Literaturszene. Vor einem Jahr nahm sich David Foster Wallace das Leben. Sechs Jahre lang hat Ulrich Blumenbach an der Übersetzung von Wallaces Opus magnum gearbeitet, dem größten Übersetzungsprojekt in der Geschichte des Verlags Kiepenheuer & Witsch.
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