24 genres

3. September 2009 |

Ein Genre folgt auf das nächste. Der Teenager Hal könnte der Protagonist eines Bildungsromans sein, der Abschnitt im Umkleideraum der Enfield Tennis Academy erinnert an einen klassischen Internatsroman, gleichzeitig gibt es auf den ersten zweihundert Seiten einige Stellen, die einen Familienroman andeuten. Man findet essayistische Absätze, Lehrbuchprosa und kleine enzyklopädische Abhandlungen, und dann ist da natürlich der Science-Fiction-Rahmen, über den in diesem Blog schon einiges geschrieben wurde.

Richtig gut gefällt mir die doch recht beliebte Spiel mit den Genres in der Literatur allerdings nicht, und auch David Foster Wallace hat mich noch nicht ganz überzeugt. Zunächst einmal liegt der Verdacht nahe, dass ein Autor, der immer wieder von einem Genre ins nächste wechselt, unbedingt Könnerschaft ausstellen möchte. Das wirkt dann doch eitel. Darüber hinaus verleitet dieses Verfahren zur Parodie, und das hinterlässt bei mir dann jedes Mal ein schales Gefühl. Ich mag zum Beispiel Agententhriller, und wenn ich in diesem Roman jetzt die Passagen mit Steeply und Marathe lese, die mit ihren taktisch bis zur Unverständlichkeit reduzierten Dialogen und ihrer Jack-Bauer-meets-Bill-Hegel-Philosophie genau dieses Genre auf groteske Art imitieren, fühle ich mich irgendwie um meinen Spaß gebracht. Auf den ersten Blick deutet alles auf gute Unterhaltung hin, aber dann ist gar nicht so gemeint. Und ich soll dann auch noch darüber nachdenken, wie toll das gemacht ist?

24 Kommentare zu 24 genres

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Stefan Alscher

4. September, 2009 um 09:52

Das Spiel mit den Genres ist doch auch der Unendlichkeit dieses Romans geschuldet. 1500 Seiten lassen sich zwar auch mit der Thematik eines Bildungsromans, eines Internatsromans oder eines Familienromans füllen, doch wäre der Spaß damit nicht unendlich, sondern eher bodenlos. Die Vertiefung wäre nur in eine Richtung vollführt, und damit nur der Auszug einer Welt, die ihre Vielfalt zugunsten einer vorgegebenen Blickrichtung aufgegeben hat. Grenzenlos wird diese Betrachtung erst, wenn auch die gängigen literarischen Genregrenzen überwunden werden und sich ein 360°-Rundumblick ergibt, der eine Welt erschafft, die so gegenwärtig ist, dass sie sich der Anschauung des Betrachters schon beinahe wieder durch ihre Komplexität entzieht. Der berühmte Wald, der von lauter Bäumen verdeckt wird. Macht nicht dies auch die Faszination dieses Werkes aus, dieses unberechenbar Wirkliche, das sich in dieser Form nicht oft in die Literatur verirrt, weil es nichts berechenbar Künstliches ist? Zugegeben, es kann einen Leser verunsichern und sich fragen lassen, was der Autor damit denn nun sagen und beweisen wollte, doch oft genug ist die Antwort darauf schlicht und ergreifend: Nichts! Viel wichtiger ist jedoch die Frage, was es uns beim Lesen sagt.

Die Sache mit dem Agententhriller ist auch aus meinem bisherigen Blickwinkel eine Parodie. Doch trägt jede Parodie nicht ein Stück weit die Liebe zu dem parodierten Objekt in sich? Schmunzeln können wir doch immer noch am besten über die Dinge, die wir schätzen und die uns ansprechen. Das Gegenteil wäre, sich darüber lustig zu machen. Und das sehe ich bei DFW nicht. Weder bei diesem Aspekt, noch bei allen anderen des Buches. Er zeigt sie vielmehr mit all ihren Licht- und Schattenseiten auf, worin eben auch absurd komische Elemente enthalten sind. Die Welt, die er erschafft, ist ja auch seine Welt, und über diese mochte er (hoffentlich) sehr wohl schmunzeln können, über sie lustig macht er sich jedoch nicht. Aber Humor fängt ja bekanntlich da an, wo der Spaß aufhört, und scheint hier damit der Unendlichkeit zum Opfer gefallen zu sein :-)

Was die Dialoge betrifft, ist es in der Tat so, dass sie teilweise (oder allesamt) sehr abstrus erscheinen, doch noch nie habe ich in einem literarischen Werk realistischere Gespräche mitverfolgen können. Auch sie bilden nur ein Spiegelbild der Wirklichkeit ab, in welcher Dialoge immer seltener zu einem Ergebnis führen, als vielmehr mit Worten gefüllte Handlungspausen darstellen. Eine wahre „Dialogannahme“ kenne ich höchstens noch von meiner Autowerkstatt :-)

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Mark Z.

4. September, 2009 um 10:16

Mir ging es gestern ähnlich, als auf Seite 200irgendwas ein 10+seitiger Monolog von Hals Großvater nicht nur auf James Incandenza, sondern auch auf den Leser einströmte. Mein Erster intuitiver Gedanke ging dann in eine ähnliche Richtung: „Nicht noch ein weiteres Genre, eine weitere Nebenhandlung.“

Die Qualität des Abschnittes hat mich dann versöhnt und auch fasziniert, ermüdend ist es zeitweise allerdings trotzdem. Was nun nicht gegen den Autor spricht. Er unterläuft nur gewisse Leseerwartungen und -gewohnheiten bzw. spitzt diese so zu, dass diese durch das (bewusste?) „Zuviel“ auf der anderen Seite der „Unterhaltungspyramide“ abstürzen.

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mischa gerloff

4. September, 2009 um 13:01

Schade, daß Krethi & Plethi nur in den Kommentaren selbst sich äußern können und nicht etwa eigene Beiträge dazusenfen können.

Wäre Dietmar Dath noch dafür zu gewinnen, sich an die Lektüre zu machen? Dann würde auch und vermutlich besser von Autorenseite für eine Vermischung der Stile / Genres zu argumentieren (habe gerade erst sein PHONON nachgeholt). Aber im Moment befriedigt mich die hier immer wieder anzutreffende Geschmacksurteilerei nicht wirklich. Mag ja sein, daß einem was nicht gefällt. Und das zu äußern ist für die Psychohygiene bestimmt auch ganz ganz wichtig, ne. Nur bringt die mein Nachdenken über den Text kein bißchen weiter. Aber muß es ja auch nicht.

Dann lese ich doch erst das Buch selbst fertig und schaue dann noch mal hier vorbei.

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Stephan Bender

4. September, 2009 um 13:49

Ich muss zugeben, dass ich auch ein bisschen entsetzt darüber bin, was sogenannte „Deutsche Autoren“ hier von sich geben. Ich habe keinen dieser Namen jemals zuvor gehört und käme auch nicht auf die Idee, eines ihrer Bücher zu lesen.

„Infinite Jest“ ist der Roman einer hochintelligenten Mehrfachbegabung, was uns schon das Eingangskapitel deutlich aufgezeigt hat. Er könnte genauso gut „Wallace und wie er die Welt sah“ heißen.

Wenn man schon nicht selbst so ist, sollte man der Sache mit ein bisschen mehr Respekt entgegentreten. Eine „Heim-ins-Reich“-Ideologie ist hier wirklich ungebracht und offen gesagt auch ziemlich eklig.

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Jürgen Kiel

4. September, 2009 um 14:12

Die Welt der Literatur als Welt von Genres zu lesen, ist jene, für uns ganz selbstverständliche Haltung fortgeschrittener Kulturkonsumenten, die der Roman zur Verhandlungssache macht. Solange ein literarischer Text (oder Kunst überhaupt) lediglich als mehr oder weniger gelungene Erfüllung von Genrevorgaben gelesen wird (oder als innovative Mischung von Genres), kann er gut oder schlecht sein, aber er hat keine Bedeutung.
Deshalb ist es richtig und notwendig, die Genres zu erkennen – aber auch die Intention anspruchsvoller Texte, über diese hinaus zu gelangen.

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Mark Z.

4. September, 2009 um 14:59

Diese „vorzeitige“ Bewertung liegt nun leider im Charakter des Mediums, und ist sicher auch eine Herausforderung für die Autoren des Blogs, die sich mit ihren „vorzeitigen“ Kommentaren auch einer gewissen Öffentlichkeit aussetzen. Sich im begleitenden Lesen zu äußern, was das Lesen auslöst, auch ohne zu wissen woher-wohin das alles geht, ist riskant. M.M.n. sind aber die möglichen Extreme bisher tunlichst vermieden worden: Lobhudelei und das Proklamieren einer Unantastbarkeit des Genies Wallace (das weiss man im besten Fall, am Ende des Buches, bis dahin sind Vertrauensvorschuss und höflicher Respekt ausreichend), als auch ein szeneinterne Kritisieren und Sezieren, dass dem Lesen das Leben nehmen würde.

Es ist für die Autoren riskant vor dem Lesen des Gesamten, sich zu ihren Etappen zu äußern. Keiner (außer vielleicht der Übersetzer und ein paar wenige, die das Original gelesen haben) weiss ja so recht, wo die Reise hingeht. Und ein Problem lässt sich auf jeden Fall nicht lösen, das bedingt so ein Blog sogar, nämlich das Gefühl zu haben, das man aus dem Kino vielleicht kennt: regelmäßig redet jemand „in den Film hinein“ oder der Nachbar ißt an für einen selbst wichtigen Szenen ganz banal Popcorn.

Es wäre nun sehr schade, wenn man die Autoren quasi dazu zwingen würde, mit Sicherheitsleine nur wohlfeile und unangreifbare Wahrnehmungen zu äußern. Es haben sich deshalb auch schon einige gute Threads gestaltet, nachdem sich ein Autor ganz unbefangen zu dem ein oder anderen Punkt geäußert hat – und indem dann darauf reagiert und dazu (gegen)argumentiert wurde.

Das man manche Autoren nicht kennt, sie nicht gelesen hat, sie nicht lesen wird, das mag ja sein. Ich bin mir sicher, dass auch Wallace sich diese Bemerkung einige male hat anhören müssen bevor sein Name für sich sprach. Bekannteren Namen fiele es aber sicher noch einiges schwerer, sich unbefangen zu äußern. Und mal ganz polemisch und nur halbernst gefragt: Sollen jetzt Charlotte Roche, von Hirschhausen und Frank Schätzing hier diskutieren, nur damit man bekanntere Namen auf der Liste vorfindet? Ja, ich weiss, dass andere Namen gemeint sind, die vermisst werden. Aber „kennen und nicht kennen“ ist 1. relativ. Und 2. vermute ich, dass es an einigen Autoren selbst und nicht am Bloginitiator liegt, wer hier Mut & Muße zum Schreiben hat und wer nicht.

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Daniela Sickert

4. September, 2009 um 15:03

Das Überschreiten von Genres ist nun nichts wirklich Neues, und die hoch kunstvolle Zusammensetzung derselben in diesem Roman als „Könnerschaft ausstellen“ einzustufen mutet sehr dubios an.
Ich denke dass der Text zum Beispiel dem Anspruch realistischen Erzählens durch diese Vermischung alteingedienter verbrauchter Strukturen so nahe kommt, wie kaum ein anderer, und dabei noch die gesamte Genrediskussion bloßstellt.
Wer sich näher mit David Foster Wallace beschäftigt stößt recht schnell auf die intentio auctoris den Leser nicht unterhalten zu wollen im Sinne eines Agententhrillers, sondern den Leser herauszufordern.
Das mag gewöhnungsbedürtig sein, macht aber eigentlich unheimlich Spaß:)

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ulrich blumenbach

4. September, 2009 um 16:06

Vielleicht sollten wir die verschiedenen Lesertypen unterscheiden, die hier mitlesen und -schreiben. Ich finde es nämlich richtig spannend, dass sich nicht nur Normalleser und professionelle Leser — also Rezensenten — zu Wort melden, sondern selber schreibende Leser, sprich Autoren, die bewusst oder unbewusst ihre eigenen literarischen Projekte und ästhetischen Konzepte an denen von Wallace abgleichen. Anfangs war ich beispielsweise irritiert von Annett Gröschners See-Impressionen, aber inzwischen finde ich, das ist ein sehr gelungener Kontrapunkt zu Wallace, in dessen Werk es praktisch keine und schon gar nicht im herkömmlichen Sinne ’schöne‘ Naturschilderungen gibt (oder nur punktuell in den Passagen um Marathe & Steeply in der Wüste von Arizona).

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mischa gerloff

4. September, 2009 um 16:11

Ich doch noch mal :-) Ich beziehe mein Gemaule nicht (nur) auf Kolja Mensing (dessen „Wie komme ich hier raus?“ und „13. Stock“ mir sehr gefallen haben!). Auch Thomas Meineckes „Ich bin DFW-Anfänger, aber stelle mal die Übersetzer-Leistung in Frage“ hat mich ähm: irritiert.

@Mark Z. Es darf natürlich jeder hier schreiben, wie er will. Aber genauso gut schweigen, wie es, wenn ich mir die Linkliste zu den beteiligten AutorInnen ansehe, noch einige tun.

Und: Es gibt ja auch – ich habe dann doch noch mal ein wenig im Blog weitergelesen – sehr anregende Beiträge. Also zur Sicherheit und gegen Mißstimmungen: Herzlichen Dank für diese tolle Site!

(SCNR: Bei Elmar Krekelers Einstiegssatz am 3.9.: „Aus dem Literaturhaus und Barbara Bongartz zurück.“ konnte ich mir ein Herrensitzungs-Grinsen nicht verkneifen …)

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Guido Graf

4. September, 2009 um 17:35

Es wurde nun ja schon mehrfach festgestellt, dass hier jeder so schreibt wie er will. Der Satz spricht ja eigentlich Klartext und bedarf keiner Erläuterung. Außer der Anmerkung, dass alles andere meiner Auffassung eines offenen Diskurses, in dem die Lektüre des Unendlichen Spaßes den roten Faden abgibt, zuwider laufen würde. Und dazu – das möchte ich ausdrücklich betonen – gehören auch Gemaule und Vorbehalte, Abwehr und Unverständnis, nicht zuletzt Schweigen. Diejenigen der Autorinnen und Autoren, die sich bislang noch nicht geäußert haben, werden das durchaus noch tun. Es gab und gibt keine Vorgabe sich einem bestimmten Takt oder Pensum zu unterwerfen. Wenn jemand z.B. erst nach mehreren hundert Seiten einen Eintrag schreibt, ist der genauso viel wert wie die Einträge, die täglich erfolgen. In diesem Sinne verstehe ich u.a. auch Ulrichs Hinweis, dass es sich für alle lohnt zu differenzieren. Es gab und gibt – wenn das denn hier überhaupt einer Rechtfertigung bedarf – bei jeder und jedem, die zum Schreiben hier eingeladen sind, Gründe für diese Einladungen. Aber eben sehr unterschiedliche, nämlich: subjektive Gründe. Wie sollte es auch anders sein? Anders gesagt: es sollte meiner Meinung nach nicht anders sein.
In ihrem Blog schrieb vor ein paar Tagen die Übersetzerin Katy Derbyshire:

„I’ve been following the unendlicherspass project from afar, and am actually rather impressed. It’s an interesting mix of serious criticism, actual discussion – including a few tentative examinations of the translation – and subjective writing about the experience of reading the book. The list of contributors is growing, with more writers and just-plain-readers on it, although not all of them have posted yet. And people really are commenting, often arguing their own points or complaining at the style of the posts.
So does all this mean literary discussion is becoming more open in Germany? Are we moving away from the front-of-class reviews on paper format to online forums and other forms of content? But who’s going to pay for it? I for one don’t want to do without critics with credentials, and I’m actually on the side of those who suggest we start – gasp – paying for quality journalism on the internet, in some form or another. Because I’d like to think there’s room for both – serious criticism that packs a punch, and interactive stuff with Facebook fan groups.“

Das fasst den Resonanzraum, in dem sich unendlicherspass.de bewegt, ganz gut zusammen. Von Wallaces Erzählstrategie der Komplexitätseskalation, wie sie zumindest anfangs unsere Synapsen schrumpeln lässt, kann man sich abschrecken oder begeistern lassen, irritieren oder interessieren – was auch immer. Für meine Begriffe gehört beides – und vermutlich noch viel mehr – dazu. Christiane Zintzen vermutete in ihrem schönen Blog, dass für unendlicherspass.de der Reading Room Vorbild war, den die FAZ seinerzeit zu Jonathan Littells Die Wohlgesinnten eingerichtet hat.
Der „F.A.Z. Reading Room“ wurde als „multimediales Diskussionsforum“ beschrieben: „In seiner diskursiven Vielfalt, seiner Textnähe und Aktualität ist der Reading Room eine ideale Diskussionsplattform für alle Literaturinteressierten, die sich am Gespräch über die wichtigen Bücher unserer Zeit beteiligen wollen.“ Unterschieden wurde zwischen einem „Forum für Leser“ und einem „Expertenforum“. Hinzu kamen auch dort die Kommentare der Leser zu den „Expertenbeiträgen“. Thomas von Steinaecker hat auf weitere Implikationen, die so öffentlicher Lesezirkel mit sich bringt, hingewiesen. Keines dieses Beispiele dürfte wohl für sich in Anspruch nehmen, die Form gefunden zu haben, die in Zukunft einer literarischen Öffentlichkeit im Web am besten angemessen ist. Wichtiger finde ich, dass es diese Versuche gibt. 1970 schrieb Alexander Kluge im Baukasten zu einer Theorie der Medien: „Das offenbare Geheimnis der elektronischen Medien, das entscheidende politische Moment, das bis heute unterdrückt oder verstümmelt auf seine Stunde wartet, ist ihre mobilisierende Kraft.“ Und heute sagt er, dass diese Medien den Menschen gehören, die sie nutzen: „Wenn die nicht einschalten, dann gibt es das Medium gar nicht.“

In diesem Sinne freue ich mich sehr auf den Rest der 100 Tage.

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Alban Nikolai Herbst

4. September, 2009 um 17:21

zu Stephan Benders „Ich muss zugeben, dass ich auch ein bisschen entsetzt darüber bin, was sogenannte ‚Deutsche Autoren‘ hier von sich geben. Ich habe keinen dieser Namen jemals zuvor gehört und käme auch nicht auf die Idee, eines ihrer Bücher zu lesen.“
***Himmelreich, Louisiana, J.-d.G.-M.; Kipling Smoking Kills zu Faulkner Falkner the Freak: „Who the hell was Stephan Bender?“

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Alban Nikolai Herbst

4. September, 2009 um 17:35

@mischa gerloff, erster Krekelersatz: Au wei – . Ja, das ist B l u t auf >>> Jordans freudsche Mühlen.

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Franz Josival

4. September, 2009 um 18:01

zu Stephan Benders “Ich muss zugeben, dass ich auch ein bisschen entsetzt darüber bin, was sogenannte ‘Deutsche Autoren’ hier von sich geben. Ich habe keinen dieser Namen jemals zuvor gehört und käme auch nicht auf die Idee, eines ihrer Bücher zu lesen.”

Bender hat Recht, auch wenn er Stefan heißt und ein anderer Stefan, der ebenfalls Bender heißt mir vor kurzem mein Rad reparieren wollte und es auch tatsächlich getan hat, ich es aber nicht abholen kann, weil es regnet.
Tatsächlich kenne ich niemanden außer Herrn Altenburg, von dem ich immerhin weiß dass er Proust gelesen hat und nun Krimis schreibt, wogegen nichts zu sagen ist, außerdem ist er ein netter Mensch, weder arrogant, noch überheblich und das erwartet man ja auch von einem Autor, nicht wahr?

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Stephan Rauer

4. September, 2009 um 19:56

Gust heute im Briefwechsel Goethe-Schiller-Projekt von Damaschke Goethes Brief an Schiller:

„Haben Sie wohl Charis von Ramdohr gesehen? Ich habe mit allen natürlichen und künstlichen Organen meines Individuums das Buch anzufassen gesucht, aber noch keine Seite daran gefunden von der ich mir den Inhalt zueignen könnte.“

Just so gehts mir mit dem Wallace, anmaßen wollte ich mir mit dem Zitat nix, nur hübsch formuliert scheints mir. Insofern also ein freundliches Tschüss in die Runde

Stephan Rauer

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Stephan Bender

4. September, 2009 um 20:28

Je länger man darüber nachdenkt: Die Sache mit den Autoren ist die wie mit Schtitt…

„Die Sache mit Schtitt ist die: Wie die meisten Europäer seiner Generation, die von Kindesbeinen an mit festen Werten verankert werden, die – ja, okay, zugegeben – womöglich einen Deut protofaschistischen Potentials haben, aber nichtsdestotrotz Seele und Lebenslauf festen Halt geben – alteuropäisches patriarchalisches Zeug wie Ehre, Disziplin und Loyalität einem größen Gebilde gegenüber -,…
Schtitts Schulbildung an einem Prä-Wiedervereinigungs-Gymnasium folgte dem kantisch-hegelianschen Ideal, Juniorensport sei im Grunde ein Einübung der Bürgerpflichten und vermittle Einsicht in die Notwendigkeit, die hitzigen entgstirnigen Imperative des Ichs – die Bedürfnisse, die Wünsche, die Ängste, die vielgestaltigen Gelüste individueller Appetenz – den größeren Imperativen einer Mannschaft (okay, eines Staates) sowie einer gegebenen Menge einschränkender Regeln (okay, des Gesetzes) zu opfern. …//… In dem er auf der Palästra die Tugenden erlernt, die sich im Leistungssport direkt auszahlen, puzzelt der disziplinierte Junge die abstrakten, erst spätere Trieberfüllung verheißenden Fähogkeiten zusammen, die erforderlich sind, um als ‚team player‘ in einer größeren Arena zu bestehen: das noch subtiler diffraktierte moralische Chaos umfassender Bürgerpflichten in einem Staat.“ (S. 119 f.)
———————————————–
This is Individuality, always remember that you are unique. Just like everybody else.
(Amerikanisches Sprichwort)

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Stefan Beuse

4. September, 2009 um 22:04

Jajaja, bei Herrn Krekelers erstem Satz juckte mir auch schon seit Tagen der Billige-Kommentare-Schreibe-Finger; ich bin FROH, dass jemand anderes den dreckigen Job erledigt hat. Außerdem bin ich froh, dass es hier mal knallt, naja, zumindest ein wenig pufft; ich habe oft so eine leicht akademisch verkrampfte Spannung gespürt, der ein reinigendes Gewitter vielleicht gut täte.

Mit Guido Graf und Ulrich Blumenbach bin ich dankbar für die vielen verschiedenen Stimmen, Ansätze und Themen; gerade die Kommentare verfolge ich sehr gern; ich finde, da sind ein paar herausragende Stimmen dabei, und habe immer wieder Sorge, dass sich die Interessantesten (die sich viel zu lange nicht mehr zu Wort gemeldet haben) vergraulen lassen.

Was den Rest (das Buch) betrifft … um es mal in der Drogensprache zu sagen: Ich hab das Gefühl, ich komm davon komisch drauf. Von dem Blog hier übrigens auch, manchmal. Bei beidem denk ich: Muss mal einer reinkommen und ganz laut schreien. Oder was total Peinliches machen. Einen Fehler. Irgendwas MENSCHLICHES. Dreckiges. (Ich weiß, zu der Problematik haben hier schon viele kluge Leute viel Kluges gesagt, und jedes Mal hab ich gedacht: Stimmt, da ist was dran, könnte sein. Trotzdem.)

Ach ja, eitle Anmerkung GANZ am Rande: Den Roman, den ich gerade schreibe, befeuert die Wallace-Lektüre ungemein. All das, was mir in der Infinite-Jest-Welt/ -Sprache etc. fehlt – mit welcher Absicht und welchem ästhetischen Hintergrund auch immer – löst in mir eine so starke Sehnsucht nach einem „Gegengift“ aus, dass ich zumindest einen winzigen Teilaspekt des DFW-Kosmos gerade dankbar zu einem billigen Good-Cop-Bad-Cop-Spiel missbrauche. Insofern, auch in dieser Hinsicht: Danke.

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Alban Nikolai Herbst

5. September, 2009 um 11:51

@Franz Josivals „und das erwartet man ja auch von einem Autor“.

Unterdessen. Wer brav ist, wird gehypt. (Erhellend in diesem Zusammenhang, wieder einmal Arno Schmidts „Goethe und einer seiner Bewunderer“ anzuhören, zB die Passage z Wieland).

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Thorsten Krämer

5. September, 2009 um 11:54

Die Anmerkung Stefan Beuses scheint mir gar nicht eitel, sondern recht erhellend: Vielleicht reagieren Autoren und „normale“ Leser einfach sehr unterschiedlich auf US. Wer selbst schreibt, erkennt an vielen Stellen die Versuchungen, denen jeweils nachgegeben wurde (das angeberhafte Vorführen der stilistischen Möglichkeiten, die Ausschweifungen, der von René Hamann schon angeführte ostentative Verzicht auf Ökonomie, das Schweinchen-Schlau-Hafte) und reagiert entsprechend widerwillig. Denn es ist nicht ja so, behaupte ich jetzt mal tollkühn, dass andere Autoren das alles nicht auch KÖNNTEN, sondern in der Regel bewusst darauf VERZICHTEN. Und zwar aus wohlüberlegten ästhetischen und konzeptuellen Gründen. Das Interessante an einem Roman sind deshalb (für mich zumindest) zuerst die Entscheidungen, die ein Autor trifft. Insofern könnte die Leistung von US ja darin bestehen, den Leser zu einer verstärkten Auseinandersetzung mit der eigenen poetologischen Position anzustiften.

(Kurze technische Frage: Lassen sich in den Kommentaren eigentlich HTML-Tags verwenden? Und wenn ja, welche?)

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Guido Graf

5. September, 2009 um 14:51

(Kurze technische Frage: Lassen sich in den Kommentaren eigentlich HTML-Tags verwenden? Und wenn ja, welche?)

alle

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Alban Nikolai Herbst

5. September, 2009 um 11:54

@Stefan Beuse: Ich hab das ganz bewußt wegen der hier als Subtext immer mal wieder durchlaufenden „Freud“-Reaktionen aufgenommen, auf deren einen Strang ich ja auch verlinkt hab.

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Alban Nikolai Herbst

5. September, 2009 um 13:35

Zu Stephan Bender.

Lieber Guido Graf,
da Herrn Bender >>>> Kiplings ihm zugespielte Ironie unvernehmlich gewesen zu sein scheint, ja, er >>>> seine seltsame Einlassung jetzt noch verstärkt, will ich nun deutlich werden.
Es ist überhaupt nicht dagegen einzuwenden, wenn jemand manche Bücher nicht kennt; das geht natürlicherweise uns allen so, lebenszeitnatürlicherweise und weil jede(r) von uns eigene Vorlieben, bisweilen sogar solche Lektüreleidenschaften hat, das nicht für viel anderes Platz bleibt. Es geht aber nicht an, dann über etwas, das man nicht oder nur vom Hörensagen kennt, abfällig zu urteilen… nicht nur das, sondern auch noch die Berufe, die die Gemeinten haben, durch Anführungsstriche infrage zu stellen und dann, das ist der bizarre, aber offenbar usus gewordene Kamm solcher Meinungsverhalten, auch noch zu schreiben: man habe auch nicht vor, sich über das so abfällig Beurteilte in irgend einer Weise Kenntnis zu verschaffen. Insofern muß ich Herrn Bender, den ich übrigens auch nicht kenne, >>>> den Schtitt im Spiegelbild seines eigenen Handelns zurückgeben. Da aber davon auszugehen ist, daß er sich selbst darin nicht erkennt, wäre es an Ihnen, ihm zumindest die rote Karte zu zeigen.
Selbstverständlich setzt sich jeder, der hier mitschreibt, der Kritik aus; das halte ich für ein Merkmal unseres Berufes. Eine solche Kritik sollte aber spezifiziert und am jeweiligen Ort begründet werden, so daß man sie zuordnen und ihr folgen oder nicht folgen kann. Sie als suggestiv formuliertes Meinen in einen Kommentar zu setzen, der im Rundumschlag (angeblich) Unbekannte rhetorisch desavouiert, ist nicht ganz ohne Stürmer-Mentalität; siehe Schtitt. Ich habe eine solche in meinen nun fast 25 Jahren Publikationsgeschichte so nachdrücklich erleben müssen, daß ich nicht bereit bin, es auch nur in Ansätzen noch hinzunehmen. Sie, Guido Graf, wissen ja aus eigenen Erfahrungen gut, wovon ich hier spreche; ich muß und will Ihnen gegenüber deshalb nicht deutlicher werden. Aber es ist, als Herausgeber und Moderator dieses Weblogs, an Ihnen, Übergriffen wie dem von Herrn Bender entsprechend zu begegnen. Andernfalls würde ich hier nicht mehr mitmachen, und zwar auch dann nicht, wenn vielleicht genau das ein zugrundeliegendes Interesse der Äußerungen Herrn Benders ist.
Ich habe es an anderer Stelle schon gesagt: wir alle schreiben hier ohne irgend ein Honorar und geben unsere Zeit in das Projekt, obwohl es, wie ich annehme, einigen von uns ökonomisch ziemlich beschissen geht. Wir machen dennoch mit und tragen auf diese Weise wenn nicht zur Verbreitung, so doch Bekanntheit des Romanes bei, sind also Werbeträger auch für Kiepenheuer & Witsch und dürften schon von daher erwarten, daß eine von diesem Verlag finanzierte Aktion nicht dazu benutzt wird, dem Ruf einiger seiner Beiträger zu schaden. Ich jedenfalls mach mich nicht zum Idioten dummdreister Ignoranten, und wenn sie ihre Dummheiten noch so cool dahinformulieren.

ANH
http://www.albannikolaiherbst.de
aus einem ICE, Berlin-Frankfurtmain.

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Guido Graf

5. September, 2009 um 15:07

Lieber Alban, – ob nun das Sie oder Du an dieser Stelle angebracht ist: egal – ich lasse beides erst mal so stehen, denn aus den vorangegangenen Kommentaren hatte ich schon den Eindruck, dass krude Argumentationen in manchen Kommentaren eher ihre Urheber charakterisieren, als dass sie imstande gewesen wären, Stimmung gegen einen der hier Beteiligten zu machen. Insofern darfst Du die besagte rote Karte hier durchaus als gezückt betrachten. Aber mehr, finde ich, muss darüber auf offener Bühne nicht diskutiert werden. Gegen Kontroversen, durchaus auch in scharfer Form, ist ja nichts einzuwenden. Allerdings beobachte ich die Diskussion, das sollte jede/r wissen, sehr genau und habe auch schon in den paar der zurückliegenden Tage, Grenzen ziehen müssen, wenn jemand durch seine Auslassungen, sich nicht nur selbst desavouiert, sondern andere versucht zu beschädigen. In dem Zusammenhang würde mich allerdings interessieren, ob irgendjemand in der Lage wäre, einen Bezug solcher Problematik zum Roman herzustellen?

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Alban Nikolai Herbst

5. September, 2009 um 15:50

Lieber Guido,
‚tschuldigung wegen des Dus, das war jetzt nicht persönlich gemeint, sondern ist „automatisch“ aufgrund meiner Neigung passiert, auch Freunde in öffentlichen Zusammenhängen zu siezen – sie machen sonst allzu sehr den Eindruck ge- und verschlossener Runden. Außerdem war mir das öffentliche Ausstellen von „Du“s auch auf Podiumsdiskussionen immer unangenehm. Nur von daher gab ich unbewußt dem Impuls nach, „Sie“ zu schreiben, ja merkte es eigentlich erst, nachdem’s schon gesehen war. (Stell Dir nur vor, daß Joachim Sartorius und ich einander duzen, ja, ist wahr, obwohl es dafür absolut keinen Grund gibt; ich weiß nicht mal mehr, wer mit dem Unfug angefangen hat; zurücknehmen läßt er sich aber nicht, weil das dann eine Beleidigung und erst recht unangemessen wäre. Wir werden aufgrund eines ManmachtdashaltsoimBetriebs dazu verführt, Nähe vorzutäuschen, wo doch nur Fremdheit und in anderen Fällen sogar Ablehnung, wenn nicht intrigantes Blockieren ist. Die Nähen, die durch ein Du bezeichnet sind, werden auf diese Weise von ständigem Habacht infiltriert, zugleich werden Distanzen verleugnet, die beiden Seiten die Ehre ließen. – Hm, – vielleicht daß jetzt d a s einen Dich interessierenden Zusammenhang zum Roman herstellt? (Übrigens mag ich krude Argumentationen, schon weil es Positionierungen sind; sie sollten aber eben argumentieren – oder aber zumindest mit etwas Eigenem aufwarten, das sich ebenso verwundbar macht, wie diejenigen sind, die sie verwunden wollen. Also nicht – *lacht auf -, daß der Herr Bender und sein Gefolgsmann Josival jetzt glauben, zu mir zärtlich werden zu müssen. Oder gar das zu können. Ich bin homophob: es würd’s noch verschlimmern.)

Alban

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Thomas von Steinaecker

5. September, 2009 um 16:09

Vielleicht noch mal Präzisierung, auch angeregt durch Blumenbachs Kommentar oben: Ich mache hier mit als Autor und dann als Leser. US war für mich persönlich d a s Buch, das mich in den letzten Jahren (im amerikanischen Original) am meisten beeindruckt / beeinflusst hat, das Meßlatte und Inspiration war.
Das ist mittlerweile nicht mehr so und vielleicht auch Teil einer persönlichen Veränderung. Trotzdem: Ich möchte in diesem Blog noch einmal rekonstruieren, warum mich dieses Buch so faszinierte. Aber vor allem eben auch: Warum es mich, beim Wiederlesen auf Deutsch nach fast neun Jahren, enttäuschte. SPV

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Über das Buch

1996 erschien »Infinite Jest« in den USA und machte David Foster Wallace über Nacht zum Superstar der Literaturszene. Vor einem Jahr nahm sich David Foster Wallace das Leben. Sechs Jahre lang hat Ulrich Blumenbach an der Übersetzung von Wallaces Opus magnum gearbeitet, dem größten Übersetzungsprojekt in der Geschichte des Verlags Kiepenheuer & Witsch.
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