$theTitle=wp_title(" - ", false); if($theTitle != "") { ?>
Am Wasser. Es ist Geisterstunde. Die Proletenboote sind lang verschwunden. Die Dahme plätschert. Sonst keine Musik. Getränk: Rubin Carnuntum von Markowitsch aus Göttlesbrunn. Göttlesbrunn! Ich schwör, es ist Zufall. Aber glaubt man nach 120 Seiten DFW noch an Zufall? Vielleicht glaubt man an gar nichts mehr. Oder um so verzweifelter an alles.
Schon ein Zehntel der Strecke bewältigt. Sollte ich vielleicht jetzt doch in die Fußnoten einsteigen? Wir sind jetzt bei Fußnote 40. Vielleicht morgen.
Jetzt hab ich nämlich endlich das vollständige Gefühl, im Sog zu sein. Als zöge dieser gigantische Romankrake mit seinen hundertvierzig Plotarmen an meinen Hirnzellen, die sich ergeben, weil sie süchtig sind nach neuen Abgedrehtheiten, neuen Figuren, neuem Futter aus den Verschwörungen der Großen Konkavität. Nach Absurditäten wie dem Gespräch des Rollifahrers und Geheimdienstlers Marathe und seines ziemlich crossgedressten Kumpels Steeply in der amerikanischen Wüste. Eine groteske mit falschen Brüsten. Es geht um die Patrone des Gesundheitsattachés. Die hat vierzig Leute zu Tode amüsiert. Kein Spaß. Wie konnte das passieren? Es gibt Theorien, Gegentheorien und sogar „Antitheorien, die Irrtümer, Verwechslungen und perverse Falschmeldungen postulieren“.
Eine Herde Wildhamster zieht vorbei. Majestätische Tiere, gefährliche Tiere, die über die unendlichen Weiten dieser postapokalyptischen Welt ziehen. Manchmal kommt einem DFW vor wie ein vollkommen bekiffter Cormac McCarthy. Die Stellung der Coen-Brüder (die Marathe-Episode ist ein Steilvorlage) zu DFW würde mich jetzt doch auch sehr interessieren.
Wenn ich das jetzt richtig entziffert habe (Windlichter sind doch nicht so toll zum lesen, aber soll ich hier am Wasser wirklich mit Grubenlampe auf dem Kopf sitzen oder mit der Taschenlampe, wie damals?), kann man die nächsten Seiten (bis 144) getrost vergessen. Wir sind in der E.T.A.-Umkleide. Es geht um das Mentoren-System, das auch nicht anders ist, als wirs von einem Dutzend Internatromane kennen, und was die da über die (uns eigentlich noch vorausliegende) Geschichte des Unterhaltungsindustrie (ein Schulfach) erzählt wird, haben wir schon alles hinter uns. Überhaupt die Patrone. Jeder von uns hat die Patrone. Jetzt. Sie baden gerade ihre Augen drin. Und jetzt ist Feierabend.
1996 erschien »Infinite Jest« in den USA und machte David Foster Wallace über Nacht zum Superstar der Literaturszene. Vor einem Jahr nahm sich David Foster Wallace das Leben. Sechs Jahre lang hat Ulrich Blumenbach an der Übersetzung von Wallaces Opus magnum gearbeitet, dem größten Übersetzungsprojekt in der Geschichte des Verlags Kiepenheuer & Witsch.
Mehr zum Buch »
Termine zum Buch »
M | D | M | D | F | S | S |
---|---|---|---|---|---|---|
« Mrz | ||||||
1 | ||||||
2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 |
9 | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 | 15 |
16 | 17 | 18 | 19 | 20 | 21 | 22 |
23 | 24 | 25 | 26 | 27 | 28 | 29 |
30 | 31 |
1 Kommentar zu 2. September
Stephan Bender
3. September, 2009 um 01:41
Nein, mein lieber Elmar,
bei aller romantischer Ufer-Larmoyanz: Es tut mir leid, nicht jeder hat die Patrone, diese verbale Geiselnahme muss ich mir leider verbitten! Da draußen rennen noch – bisher unerkannt – ein bis drei intellektuelle Widerstandskämpfer durch die Straßen, die gesund und munter allen Vereinnahmungsversuchen der Gesellschaft standhaft ihr ausdrucksloses Gesicht in die aufgewühlte Menge halten.
Aber ich verstehe, „wie sehr das leidenschaftliche Eindringen in einen fremden Körper eine Fortsetzung der kindischen Neigung für heimliche und verbrecherische Verstecke ist.“ (Rober Musil, Mann ohne Eigenschaften, S. 622) Ich hoffe, dass niemand am Ende von „infinite jest“ sagen muss, „was er tat, kam ihm völlig sinnlos vor.“ (ebd.)
Und da ich gerade beim gehobenen Ablästern bin: Wallace lesen im flackernden Schein von Windlichtern…, also ich weiß nicht: Ist das nicht so, als ob man ein Konzert der New Yorker Philharmoniker in 7.1-Dolby-Surround sich mal eben über den Telefonhörer reinzieht?
Warum das so ist? „Weil keiner von ihnen das wirklich ernst nimmt. … Der abendliche Hass auf die Arbeit gehört zur Arbeit einfach dazu!“ (S. 157)